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Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) äußert sich beim Pressegespräch zu den neuen Corona-Maßnahmen. Jetzt übt er scharfe Kritik an Franziska Giffey und Raed Saleh.

© Annette Riedl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Reaktionen auf Franziska Giffey und Raed Saleh: „Die SPD wünscht sich Berlin von vorgestern zurück“

Die deutlichen Positionierungen von Giffey und Saleh erinnern die Berliner Linke „an die Neunziger“. Auch in der SPD gibt es Vorbehalte.

Von
  • Ulrich Zawatka-Gerlach
  • Sabine Beikler

Aussagen im Tagesspiegel-Interview mit den künftigen SPD-Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh stoßen bei vielen Berliner Genossen auf Kritik. Der wiederholte Versuch, das Wahlprogramm der Berliner Sozialdemokraten für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 in den öffentlichen Medien festzulegen, komme bei der Parteibasis schlecht an, hieß es am Montag in Parteikreisen.

Es wird darauf verwiesen, dass auch dieses Wahlprogramm in einem breiten innerparteilichen Diskussionsprozess erarbeitet werde, organisiert von einer Redaktions-Arbeitsgruppe des SPD-Landesverbands.

Die Partei werde nicht einfach abnicken, was die designierte Parteispitze mit externen Aussagen vorgebe, geben Parteifreunde Giffey und Saleh mit auf den Weg. Bei vielen Delegierten für den Wahlparteitag am 31. Oktober sei „die Stimmung geladen“. Mit harten Debatten sei dort zu rechnen.

Namentlich zitieren lässt sich mit solchen Einschätzungen fast niemand, nur die neue Doppelspitze der Berliner Jungsozialisten meldete sich zu Wort. „Wahlprogramme werden immer noch von den Mitgliedern geschrieben und verabschiedet – nur falls das in Vergessenheit geraten sein sollte“, twitterte der Juso-Landeschef Peter Maaß. Die Ko-Vorsitzende Sinem Tasan-Funke formulierte diese Kritik so: „Die SPD macht ihre Programmatik nicht in Zeitungsinterviews“.

Es gibt aber auch andere Stimmen aus der Partei. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD), der nach Hannover abwandern wird, twitterte: „Gute thematische Schwerpunkte und klare Abgrenzung zu den politischen Mitbewerber*innen. Das gehört zum Wahlkampf dazu.“

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Bei den Koalitionspartnern und der CDU kamen die Aussagen von Saleh und Giffey nicht gut an. Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer (Linke) twitterte, er habe „sehr schwer den Eindruck, die SPD Berlin wünscht sich Berlin von vorgestern zurück. Wo die Welt noch in Ordnung und die Claims so schon verteilt waren.“

Die Sprache klänge jedenfalls nach Neunziger, meinte Lederer. „Nun ist noch die Frage: Schafft sie die absolute Mehrheit“.

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Die Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert äußerte sich „befremdet, dass der Großteil der SPD–Senatoren sich schon aus der Senatsmannschaft verabschiedet haben – Scheeres, Kalayci und auch Müller werden ja aufhören“. Es sei nicht gut, in diesem Stil diese Koalition zuende zu führen.

Wahlkampfmodus kommt ein Dreivierteljahr zu früh

„Wir befinden uns in einer Pandemie und haben viel zu tun. Offenbar weiß Franziska Giffey auch nicht mehr, was in Neukölln passiert“, sagte Schubert in Bezug auf die ablehnende Position der Bezirksverordnetenversammlungen Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg, was die Pläne für den Umbau von Karstadt am Hermannplatz betrifft.

Die Linke fordert dazu einen Dialog mit Anwohnern. „Was Giffey und Saleh dazu sagen, klingt nach alter sozialdemokratischer Basta-Politik.“ Im Übrigen werde in Berlin viel gebaut, reagierte Schubert auf Salehs Forderung nach mehr Neubauten.

„Es hilft schon mal aus dem Dienstwagen auszusteigen und sich die Neubauprojekte anzuschauen.“ Dass die SPD jetzt in den Wahlkampfmodus umschalte, sei „definitiv ein Dreivierteljahr zu früh“.

Berliner Grünen-Spitze sagt lieber nichts

Wohl auch deshalb geht die Grünen-Spitze auf Tauchstation. Weder die Parteichefs Werner Graf und Nina Stahr noch die designierte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch wollen zu Inhalten des Interviews mit Saleh und Giffey Stellung beziehen.

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Nur die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann aus Friedrichshain-Kreuzberg stellte auf Twitter fest: „Dieser deutlich neoliberale Spin ist durchaus überraschend für eine sozialdemokratische Spitzenkandidatin.“

Der CDU-Spitzenkandidat und Berliner Parteichef Kai Wegner wundert sich: „Frau Giffey und Herr Saleh stellen jetzt fest, dass sie mit der Regierung offensichtlich nichts zu tun haben. Dabei ist Herr Saleh seit neun Jahren Fraktionschef und hat den bisherigen Kurs zu verantworten, von dem auch er sich nun abwendet.“

CDU kritisiert plötzliches Bekenntnis zur U-Bahn

Saleh und Giffey forderten im Tagesspiegel beispielsweise die Zusammenlegung der Ressorts Stadtentwicklung und Verkehr im nächsten Senat. Wegner entgegnete, dass so ein Mammutressort bereits von 1999 bis 2016 federführend in SPD-Händen gewesen sei. Er hoffe generell, „dass sich dieser Politikstil der SPD nach der nächsten Wahl nicht mehr durchsetzen kann“.

Im Bild ist Franziska Giffey Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, SPD mit Raed Saleh zu sehen. Sie wollen gemeinsam die Berliner SPD führen.
Im Bild ist Franziska Giffey Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, SPD mit Raed Saleh zu sehen. Sie wollen gemeinsam die Berliner SPD führen.

© imago images/Christian Spicker

Dass die SPD ein Jahr vor der Wahl das Thema Bauen und die Liebe zur U-Bahn entdeckt habe, erstaunt Wegner. „Während der großen Koalition wurde 2016 die Verlängerung einiger U-Bahnlinien beschlossen. Von diesem Vorhaben wollte aber auch die SPD wenige Monate später nichts mehr wissen. Die neu entdeckte Liebe kaufe ich der SPD nicht ab.“

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Statt sich jetzt der Verantwortung zu stellen, gehe die SPD „in den Wahlkampf mit den Koalitionspartnern“. Das sei unverantwortlich gerade in diesen Krisenzeiten mit Corona, wo es in erster Linie um Gesundheitsschutz, Existenzen und Arbeitsplätze gehe.

CDU-Generalsekretär Stefan Evers sprach von einer „Bankrotterklärung“. Die „Einlassungen“ von Giffey und Saleh läsen sich wie eine einzige Misstrauenserklärung gegenüber dem bisherigen rot-rot-grünen Senat. Evers spricht den SPD-Duo jedoch ab, „einen echten Politikwechsel“ zu wollen.

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