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Am 1. Februar 2016 liegen nach einem illegalen Autorennen Fahrzeugteile in der Berliner Tauentzienstraße.

© Britta Pedersen / dpa

Update

Raser-Prozess: BGH hebt Mordurteil nach Todesfahrt auf Kudamm auf

Ein Berliner Gericht verurteilt zwei Männer nach einem illegalen Autorennen wegen Mordes. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil am Donnerstag gekippt.

Das bundesweit erste Mordurteil gegen Raser ist aufgehoben. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab am Donnerstag in Karlsruhe der Revision zweier Männer statt, die nach einem illegalen Autorennen vom Landgericht Berlin zu lebenslangen Haftstrafen wegen Mordes verurteilt worden waren. Die Karlsruher Richter sahen es als nicht erwiesen an, dass die der Berliner Raserszene angehörigen Männer mit ihrem Autorennen vorsätzlich einen unbeteiligten Autofahrer töten wollten. Der BGH wies die Sache zur Neuverhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück. Die beiden Raser können nun auf eine wesentlich mildere Strafe hoffen. Bei einer fahrlässigen Tötung reicht der Rahmen von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft.

Die damals 24 und 26 Jahre alten Männer waren im Februar 2016 im Stadtzentrum mit bis zu 170 km/h unterwegs, rasten über elf Kreuzungen mit mehreren roten Ampeln und fuhren einen Mann tot. Einer der beiden hatte den Geländewagen eines 69-Jährigen erfasst, der bei Grün in die Kreuzung fuhr. Der Geländewagen wurde mehr als 70 Meter weit geschleudert.

Aus Sicht des Landgerichts haben die Raser den Tod anderer billigend in Kauf genommen, um zu gewinnen. Die beiden hätten „mittäterschaftlich und mit bedingtem Vorsatz“ gehandelt und das Auto dabei als Mordwaffe genutzt. Neben der lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes wurde ihnen der Führerschein auf Lebenszeit entzogen.

Richterin rechnet mit Kritik

Am Donnerstag äußerte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible in der Einleitung der Urteilsbegründung ihre Erwartung, dass das Urteil des BGH „in der öffentlichen Diskussion auf Kritik stoßen“ werde. Denn: „Für viele war die Verurteilung wegen Mordes das gebotene Signal.“ Aber so einfach sei die Rechtslage nicht. „Die Tötung eines Unbeteiligten bei einem illegalen Autorennen kann im Einzelfall Mord sein. Das Geschehen kann aber auch lediglich fahrlässige Tötung darstellen“, erläuterte die Richterin.

Das Berliner Urteil sei vor allem wegen zwei Rechtsfehlern aufgehoben worden. Der Vorsatz müsse zum Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen. Das sei vom Landgericht aber nicht festgestellt worden. Sost-Scheible illustrierte das an einem Beispiel: „Ein ins Rollen gebrachter Felsbrocken, bei dem der Täter erst danach bemerkt, dass unten eine Person ist, erfüllt nicht den Tatbestand des Vorsatzes.“ Im Berliner Fall hätten die Angeklagten also noch die Möglichkeit einer Vollbremsung haben müssen, diese aber unterlassen haben. Das Landgericht habe aber selbst ausgeführt, dass die Angeklagten „nicht mehr die geringste Möglichkeit hatten, den Unfall abzuwenden.“

Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei zudem in einem weiteren Punkt fehlerhaft. „Das Landgericht hat sich mit der Eigengefährdung der Angeklagten nicht ausreichend auseinandergesetzt.“ Es habe angenommen, die Angeklagten hätten sich sicher gefühlt. Nach Ansicht der Berliner Richter würden Raser das Eigenrisiko ausblenden, weil sie sich sicher wie in einem Panzer fühlen. Das sei „ein nicht existierender Erfahrungssatz“.

Urteil ist kein Freibrief

Ein Freibrief für Raser ist das BGH-Urteil nicht: Raser können weiterhin als Mörder verurteilt werden. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Auch können Teilnehmer an illegalen Autorennen neuerdings mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Das Strafgesetzbuch wurde nach dem Berliner Fall verschärft - die Regelung kann für die beiden Raser aber nicht mehr angewandt werden.

Der BGH hob auch das Urteil im Fall eines Frankfurter Rasers teilweise auf, der bei überhöhtem Tempo einen Autofahrer im Gegenverkehr getötet hatte. Die Richter gaben der Revision der Staatsanwaltschaft statt, die eine schärfere Strafe wollte. Ob der Angeklagte nun tatsächlich mit einer härteren Strafe rechnen muss, werde die Entscheidung des neuen Richters sein, betonte die Vorsitzende BGH-Richterin.

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