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Im Visier. Mobile Tempokontrollen waren 2018 seltener – aber sie dauerten länger und erfassten mehr Raser.

© Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa

Raser in Berlin: Fünf neue Blitzer noch in diesem Monat

Berlins Polizei geht stärker gegen Raser vor. Ein Unfallforscher verlangt außerdem mehr Einsatz für die Sicherheit von Fußgängern und Radlern.

Berliner Autofahrer haben gelernt, wo sie besser nicht zu schnell fahren sollten: Wie berichtet ist die Zahl der von stationären Anlagen geblitzten Schnellfahrer im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent auf rund 203.000 gesunken. Aber wo die Strecke frei ist und kein allseits bekannter fester Blitzer wartet, wird eher noch mehr Gas gegeben als früher.

Das zeigt die sogenannte Überschreitensrate, die nach Auskunft der Polizei binnen Jahresfrist von 4,8 auf 5,6 Prozent gestiegen ist. Diese Rate beziffert den Anteil der erfassten Schnellfahrer an der Gesamtzahl der Kraftfahrzeuge, die eine mobile Kontrollstelle passieren.

Welche Größenordnung hinter diesem Zuwachs steckt, zeigt ein Blick auf die absoluten Zahlen, die die Polizei am Montag mit der Verkehrsunfallbilanz für 2018 veröffentlicht hat: 627.000 Schnellfahrer wurden allein bei mobilen Kontrollen erwischt. Das sind 30 Prozent mehr als im Jahr davor. Dabei blitzt oder stoppt die Polizei nach Tagesspiegel-Informationen nur jene, die mindestens neun Stundenkilometer überm Limit fahren. Vom Messwert wird noch eine Toleranz abgezogen.

Der Zuwachs ist umso bemerkenswerter, als die Zahl der entsprechenden Einsätze deutlich zurückgegangen ist: 10.299 reguläre Kontrollen bedeuten gegenüber 2017 ein Minus von 6,5 Prozent. Die Zahl der – unregelmäßigen – Schwerpunktkontrollen mit Fokus auf zu schnelles Fahren sank sogar um 16 Prozent auf 2389.

Dass dennoch so viel mehr Schnellfahrer erfasst wurden, liegt nach Auskunft des Präsidiums an der deutlich längeren Dauer der Kontrollen: Während die Beamten scheinbar ruhige Orte früher oft bald verlassen hätten, seien sie 2018 im Mittel mehr als drei Stunden dageblieben – was sich oft gelohnt habe. „Außerdem haben wir technisch aufgerüstet, was die Fehlerquote senkt“, sagt ein Beamter. So seien schlecht belichtete Fotos, auf denen der Fahrer womöglich nicht gerichtsfest zu identifizieren ist, inzwischen absolute Ausnahmen.

Unfallschwerpunkte in Berlin. (Rotes Plus anklicken zum Vergrößern)
Unfallschwerpunkte in Berlin. (Rotes Plus anklicken zum Vergrößern)

© Tsp/Böttcher

Bei den stationären Anlagen hat die Polizei in den vergangenen Monaten aufgerüstet – und den Rasern unfreiwillig Zeit zum Gratislernen verschafft, weil es an vielen Stellen Probleme mit der Verkabelung der bereits installierten Blitzersäulen gab: Bisher funktioniert erst eine von zehn, „aber noch in diesem Monat werden etwa fünf weitere in Betrieb gehen“, sagt ein Verantwortlicher.

Als vielversprechende Neuerung erweisen sich auch die beiden Blitzer-Anhänger, die die Polizei zu Testzwecken gemietet hat und meist zwei bis drei Tage in Straßen mit vielen Rasern oder gehäuften Klagen von Anwohnern stehen lässt.

Die Ressourcen, die die Polizei 2018 an mobilen Schwerpunktkontrollen gegen Raserei gespart hat, hat sie offenkundig in verstärkte Überwachung von Abbiegern investiert: Die Zahl dieser – vergleichsweise aufwendigen – Schwerpunkteinsätze stieg um elf Prozent, gegenüber 2016 sogar um 43 Prozent auf 1899. Auch möglicher Alkohol- und Drogenkonsum wurden stärker kontrolliert.

Rotlicht- und Tempo-Verstöße in Berlin im Jahr 2018. (Rotes Plus anklicken zum Vergrößern)
Rotlicht- und Tempo-Verstöße in Berlin im Jahr 2018. (Rotes Plus anklicken zum Vergrößern)

© Visualisierung: Tsp/Bartel

Ku'damm bei Profilierungsfahrern beliebt

Im Kampf gegen „Profilierungsfahrer“, die in aufgemotzten Autos durch die City röhren, wurden 15 Fahrer ohne Fahrerlaubnis aus dem Verkehr gezogen, 522 Ordnungswidrigkeiten erfasst und 59 Fahrzeuge für technische Gutachten, oft wegen illegaler Umbauten, beschlagnahmt.

Beliebt für diese Angeberei ist vor allem der Ku’damm. Der belegt auch bei den – seit Oktober 2017 strafbaren – Autorennen mit 15 registrierten Fällen den Spitzenplatz, gefolgt von Siemensdamm und Stadtautobahn. Insgesamt wurden wegen solcher Rennen 279 Ermittlungsverfahren eingeleitet, 164 Kraftfahrzeuge und 130 Führerscheine beschlagnahmt. 40 illegale Rennen endeten mit Unfällen.

Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer (UdV) leitet, sieht angesichts der gestiegenen Zahlen von Unfällen und Verunglückten sowohl Senat als auch Polizeiführung in der Pflicht, die Schwächeren besser zu schützen: „Fußgänger sind nun mal langsame Verkehrsteilnehmer, und je älter sie werden, desto langsamer werden sie.“ Also müsse man die Fußgängerströme analysieren und an den richtigen Stellen sichere Querungsmöglichkeiten schaffen – frei von Sichthindernissen wie geparkten Autos und ohne erzwungene Umwege, die erfahrungsgemäß nur zu gefährlichen Abkürzungen verleiten.

„Was mit baulichen Maßnahmen nicht zu machen ist, muss die Polizei durchsetzen“, sagt der Unfallforscher mit Blick auf das zunehmend raue Verkehrsklima. „Ich finde es unglaublich, wie zögerlich die Fahrradstaffel der Polizei verstärkt werden soll.“

Zu langsamer Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur als Schwachpunkt

Angesichts des wissenschaftlich erwiesenen enormen Gewinns für die Verkehrssicherheit müssten die bisher auf Mitte beschränkten Teams sofort erweitert werden. Stattdessen passiere das Gegenteil, indem das Einsatzgebiet der vorhandenen 20-köpfigen Staffel vergrößert werden solle – mit der fatalen Folge, dass die Fahrradpolizisten in Mitte weniger präsent sein werden.

Als zweiten Schwachpunkt sieht Brockmann den „deutlich zu langsamen Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur“. Der Verteilungskampf um den Platz müsse endlich verstärkt werden zugunsten des Radverkehrs, der auch durch den Bau von Radschnellwegen weiter wachsen werde. „Diese Schnellwege münden ja in der Innenstadt mit ihren klassischen Unfallschwerpunkten wie Kreuzungen sowie Ein- und Ausfahrten.“

Rund 500 jener Kreuzungen sind als chronisch unfallträchtig dokumentiert. „Um diese Gefahrenstellen endlich abzuarbeiten, müsste die Unfallkommission viel schlagkräftiger werden“, sagt Brockmann. Ohne erhöhten Druck werde die Zahl der Verunglückten weiter steigen.

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