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Ramona Pop auf dem Future Mobility Summit des Tagesspiegels.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Ramona Pop zum Berlin-Bonn-Gesetz: „Wie lange lassen wir die Teilung der Hauptstadt noch zu?“

Das Berlin-Bonn-Gesetz ist teuer, unnötig und sollte überdacht werden. Berlins Wirtschaftssenatorin fordert daher den Umzug aller Ministerien. Ein Gastbeitrag.

Die Entscheidung war denkbar knapp. Mit 337 zu 320 Stimmen beschloss der Deutsche Bundestag am 20. Juni 1991 den Antrag „Vollendung der Einheit Deutschlands“. Berlin wurde die Hauptstadt der Bundesrepublik.

Dass das Ergebnis so knapp war, kann uns verwundern. In Zeiten der deutschen Teilung hatte der Bundestag immer wieder darauf gepocht, dass ein vereintes Deutschland Berlin zur Hauptstadt habe. In vierzig Jahren habe niemand Zweifel gehabt, sagte Wolfgang Schäuble in seiner Rede im Bundestag, „dass bei der Einheit Deutschlands Parlament und Regierung ihren Sitz wieder in Berlin haben“.

Aber das langjährig Vertraute hatte ebenfalls seinen Charme. Und viele Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz befürchteten einen Niedergang ihrer Region, wenn Berlin zur Hauptstadt würde. So entstand nach dem Hauptstadtbeschluss für Berlin das Bonn-Berlin-Gesetz, in dem Bonn neben etlichen Bundesministerien und Behörden auch der besondere Status einer „Bundesstadt“ zugebilligt wurde. Auch heute noch arbeiten immerhin ein Drittel aller Beschäftigten von Bundesministerien in Bonn. Jedes Bundesministerium unterhält dort weiter einen eigenen Dienstsitz.

In einem durchsichtigen Versuch, auf Kosten der Hauptstadt Regionalpolitik zu machen, hat sich nun der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet gegen die weitere Verlagerung von öffentlichen Einrichtungen und Arbeitsplätzen nach Berlin gewandt. Die etwas staubig anmutenden „Tugenden der Bonner Republik“ beschwörend, macht er Werbung für den Standort Bonn. Das ist auch seine Aufgabe.

Berlin ist vieles, aber weltfremd und abgehoben sicherlich nicht

Nun fiele nichts leichter, als ihm mit der einzigartigen Erfolgsgeschichte zu entgegnen, die Berlin ist. Schließlich hat sich die Bundeshauptstadt neben dem politischen Zentrum auch zu einer Metropole der Wissenschaft, der Kultur, der Digitalwirtschaft und der Innovationen entwickelt: zu einem weltweiten Sehnsuchtsort und einem pulsierenden Zentrum für die ganze Republik.

Berlin ist vieles, aber weltfremd oder abgehoben sicherlich nicht. Die Kieze der Stadt sind so bunt und vielfältig wie das ganze Land. Hier werden zwischen Grunewald und Hellersdorf Alltagssorgen geteilt, neue Ideen gesponnen, Träume gelebt und das Zusammenleben unterschiedlichster Menschen immer wieder aufs Neue ausgehandelt. Kann es einen besseren Ort geben, um über die Geschicke unseres Landes zu entscheiden? Wohl kaum.

Die Grünen-Politikerin Ramona Pop ist seit Dezember 2016 Wirtschaftssenatorin in Berlin.
Die Grünen-Politikerin Ramona Pop ist seit Dezember 2016 Wirtschaftssenatorin in Berlin.

© Mike Wolff

Aber eine solche Entgegnung greift zu kurz. Denn das Wichtigste an den Einlassungen von Herrn Laschet ist ja etwas anderes: sie werden nötig. Sie werden nötig, weil die Menschen merken, dass das Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 in die Jahre gekommen ist.

Das Pendeln kostet jährlich knapp acht Millionen Euro

Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Hauptstadtbeschluss stellt sich die Frage: Wie lange wollen wir uns noch absurde und teure Parallelstrukturen leisten? Wie lange sollen Beschäftigte der Bundesregierung für jährlich knapp acht Millionen Euro zwischen Bonn und Berlin pendeln, teils nur für wenige Stunden? Wie lange noch sollen im Jahr 800 leere Flugzeuge zwischen Bonn und Berlin hin- und herfliegen: weil die Flugbereitschaft immer noch in Köln/Bonn sitzt, die fliegenden Bundespolitiker aber in Berlin? Und weitaus schwerwiegender: Wie lange lassen wir diese neue Teilung der Hauptstadt der Bundesrepublik eigentlich zu?

Dieser Zustand ist nicht mehr zu legitimieren. Es ist an der Zeit, das Bonn-Berlin-Gesetz zu überdenken. Die Bundesministerien sollten perspektivisch vollständig nach Berlin verlagert werden. Auf den Hauptstadtbeschluss sollte die logische Konsequenz folgen: der Umzug der gesamten Bundesregierung in die Hauptstadt.

Der Umzug der gesamten Bundesregierung ist die logische Konsequenz

Die dafür notwendige soziale Infrastruktur – Wohnungen, Schulen, Kindertagesstätten - könnte auf Flächen des Bundes errichtet werden. Bei den Bürogebäuden wäre es Zeit für neue Wege: anstatt ausschließlich Betontempel wie UFOs in Mitte zu errichten, könnten gut angebundene, moderne Standorte in Spandau oder Lichtenberg dem Berliner Lebensgefühl entsprechen. Davon hätten alle etwas.

Die Bundestagsdebatte zum Hauptstadtbeschluss im Sommer 1991 war von Zivilität geprägt. „Es müssen und sollten hier und heute nicht Hymnen auf die eine und Spottlieder auf die andere Stadt gesungen werden“, sagte Wolfgang Thierse. Damit hatte er recht, damals wie heute. Bonn ist eine schöne Stadt, Berlin ohnehin. Aber die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin.

Ramona Pop, Grüne, ist Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

Ramona Pop

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