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Das Monstrum muss weg. DDR-Grenztruppen beim Abbau der Mauer an der Bernauer Straße.

© Friederike von Stackelberg/dpa

Rammstoß per Radlader: So lief der Abriss der Berliner Mauer vor 30 Jahren

Vor 30 Jahren begann noch etwas zögerlich der Abriss der Mauer. Zehn Monate später war sie weg.

Diese Fürsorglichkeit! Und sie kam sogar von Mitgliedern der DDR-Grenztruppen, die noch gut als gar nicht so nett in Erinnerung waren. Lange waren die West-Obdachlosen im zu Ost-Berlin gehörigen „Unterbaugebiet“ am Kreuzberger Leuschnerdamm, im Schatten der Mauer, ungestört geblieben.

Damit war am Abend des 22. Januar 1990 endgültig Schluss. Uniformierte waren aufgetaucht, hatten Zettel verteilt, auf denen über den unmittelbar bevorstehenden Mauerabriss informiert wurde. Zur Vermeidung von Unfällen und Schäden werde man gebeten, sich „nicht im unmittelbaren Bereich der Baustelle aufzuhalten und Sachen und Gegenstände zeitweilig aus diesem Bereich zu entfernen“. Zwei Rollheimer, schon etwas angesäuselt, hätten die Mauer hinter ihrem Wohnwagen gerne behalten, sie fühlten sich, sagten sie, sonst so ungeschützt. Die Grenzer konnten nur höflich um Verständnis bitten, die Mauer solle nun mal komplett weg und durch einen Zaun ersetzt werden. Und so geschah es.

Rund 320 Meter Mauer sollen es gewesen sein, die bei den heute vor 30 Jahren startenden Bauarbeiten entfernt wurden – als Kreuzberger Abschnitt besonders bunt und für den geplanten Verkauf besonders geeignet. Man kann dies als offiziellen Start des Mauerabrisses deuten, zwingend ist es nicht: Der Betonwall verschwand anfangs nicht systematisch, sondern von Fall zu Fall. Erste Segmente waren bereits in der Nacht auf den 11. November 1989 zugunsten neuer Grenzübergänge gefallen.

Am 22. Dezember waren zwei neue Übergänge am Brandenburger Tor groß gefeiert worden, auch hatten die „Mauerspechte“ große Löcher in den Beton gemeißelt. Ende Dezember hatte die DDR-Regierung den Abriss aller Grenzanlagen beschlossen, was nun eben auf bislang nur wenigen 100 Metern in Kreuzberg umgesetzt wurde.

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Die ersten Kilometer fielen knapp einen Monat später. Wie erst kurz zuvor bekannt gegeben, begann am 19. Februar wiederum abends der Abbruch hinter dem Reichstag, zunächst auf 174 Metern, dann Schritt für Schritt weiter bis zum Checkpoint Charlie, auf einer Strecke von rund zwei Kilometern.

Die Mauer erwies sich als äußerst hartnäckig

Der Start der Arbeiten hatte wieder Volksfestcharakter, wenngleich die Schaulustigen sich bis kurz vor Mitternacht gedulden mussten, bis das erste Segment am Haken hing. Die Mauer hatte sich als überraschend hartnäckig erwiesen, erst der Rammstoß eines Radladers hatte sie überzeugt, dass ihre Zeit abgelaufen war. Tags darauf begann offiziell der Ausverkauf: Bei der DDR-Außenhandelsfirma Limex-Bau Export-Import waren Einzelsegmente zu erwerben, laut Limex lagen Angebote zwischen 100 000 und 700 000 D-Mark vor, von Privatleuten, Firmen, Galerien und Museen im In- und Ausland.

Der systematische und damit endgültige Mauerabriss ließ noch einige Monate auf sich warten. Erst am 13. Juni war es so weit, wieder mit einer öffentlichkeitswirksamen Inszenierung, an der Bernauer/Ecke Ackerstraße, freilich nur auf Senatorenebene. Die Baupolitiker Nagel (West) und Kraft (Ost) sahen dem Fall des ersten Segments von einem Bagger aus zu, der Tagesspiegel-Reporter registrierte damals eine „vielhundertköpfige Menge“ als Publikum. Danach dauerte es noch bis November 1990, dass die letzten innerstädtischen Mauerreste verschwunden waren.

Wirkliche, zudem internationale Politprominenz war noch einmal anwesend gewesen, als am 22. Juni der berühmteste Grenzübergang der Welt, Checkpoint Charlie, dran glauben musste. Die Außenminister der an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen beteiligten Staaten waren angereist, um zu sehen, wie die US-Wachbaracke von einem Kran hochgehoben wurde. Stunden später wurde sie über die Potsdamer Straße abtransportiert, vorbei am damaligen Gebäude des Tagesspiegels. Dessen Belegschaft genoss das kurze Schauspiel mit viel Hallo.

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