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Radsicherheit in Berlin: Wo für Radler dringend etwas passieren muss

Die "Checkpoint"-Leser waren aufgerufen, Strecken in Berlin zu melden, die für Radfahrer besonders gefährlich sind. Hier ist das Ergebnis auf einer interaktiven Karte.

Es sind die stark befahrenen Straßen, die von Radfahrern als unsicher eingestuft werden. All jene, die gar keine Radverkehrsanlagen haben oder Hochbordradwege aus den 50er, 60er oder 70er Jahren. Die also aus einer Zeit stammen, als in beiden Teilen Berlins „autogerecht“ gebaut wurde. Die Leser des Newsletters „Checkpoint“ von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt waren aufgerufen, die Strecken zu melden, auf denen der größte Handlungsbedarf besteht. Heraus kam eine Karte fast aller Hauptstraßen der Stadt – auf die Sie hier interaktiv Zugriff haben.

Besonders interessant ist, was nicht gemeldet wurde: zum Beispiel die Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und Ernst-Reuter-Platz. Hier gibt es durchgehende eigene Spuren rechts von den parkenden Autos. Das heißt: Der Radweg kann nicht zugeparkt werden, es droht keine Gefahr durch Ein-, Aus- oder Falschparker. Um die Frage, wie Wege für Radfahrer am sinnvollsten angelegt werden können, wird derzeit heftig gestritten. Immer mehr Aktivisten plädieren für baulich abgetrennte Spuren, damit Autos sie nicht missbrauchen können.

So etwas gibt es in Berlin aber nicht. Nachdem die so genannten Hochbordradwege auf dem Gehweg als unsicher erkannt worden waren, werden seit etwa 15 Jahren Radspuren auf der Straße markiert. So wie zuletzt auf der Leipziger Straße zwischen Wilhelmstraße und Leipziger Platz. Selbstverständlich haben die Checkpoint-Leser auch diesen Abschnitt als unsicher eingestuft. Aktivisten wie Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad sagen: Es reicht einfach nicht, weiße Farbe auf die Fahrbahn zu pinseln, in der Hoffnung, es möge eine Radverkehrsanlage entstehen.

Auch der Fahrradclub ADFC hatte sich bislang für Radspuren auf der Fahrbahn eingesetzt. Wenn diese nicht zugeparkt sind, lässt sich dort angenehm fahren – das gilt aber oft nur für so genannte „starke“ Radfahrer, etwa Männer zwischen 30 und 50. Sie haben viele Jahre die Debatte geprägt, den ADFC öffentlich vertreten und in den Kommunen Radwege geplant und gebaut.

Das Umdenken kam langsam. Aktivisten haben in den vergangenen Monaten zahllose Fotos veröffentlicht, immer verbunden mit dieser Frage: „Würden Sie hier ihr elfjähriges Kind oder ihre 80-jährige Großmutter fahren lassen?“ Die naheliegende Antwort lautet stets: Nein. In der Leipziger Straße etwa geraten nicht nur Kinder bei jedem Falschparker in Lebensgefahr – weil sie in den Autoverkehr müssen, um das Hindernis zu umkurven. Autofahrer, die auf ihr Fehlverhalten angesprochen werden, reagieren gelangweilt bis aggressiv. Einsicht ist selten.

Das Problem der Falschparker ist seit Jahren bekannt, Westfälische Straße oder Schlüterstraße sind nahezu immer durch Fahrzeuge blockiert. Ein paar Aktivisten haben das Desinteresse von Polizei und Ordnungsamt satt. Sie haben begonnen, solche Hindernisse der Polizei zu melden – unter dem Notruf 110. Argument: Für Gefahren ist die Polizei zuständig. Früher redeten sich die Beamten gerne damit heraus, dass „für den ruhenden Verkehr das Ordnungsamt“ zuständig ist. Mittlerweile kommt immer öfter der Abschleppwagen. Polizeipräsident Klaus Kandt sagte dem Tagesspiegel, dass es zulässig sei, bei Gefährdung im Straßenverkehr den Notruf zu wählen.

Eines der zehn Ziele des Volksentscheids Fahrrad heißt: „Zwei Meter breite Radverkehrsanlagen an jeder Hauptstraße“, die zudem genügend Abstand vom Fließverkehr haben sollen. Der neue grüne Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner weiß, dass das nur auf Kosten des Platzes für Autos gehen kann.

In der Gitschiner Straße in Kreuzberg verlegt der Bezirk derzeit Parkplätze vom rechten Fahrbahnrand unter die Hochbahn – in der vagen Hoffnung, dass Autofahrer die neue Radspur beachten. Natürlich haben die Leser des Tagesspiegel-Checkpoint auch diese Ost-West-Verbindung als unsicher markiert. Daniel Pöhler vom Volksentscheid kritisierte die Umgestaltung über Twitter am Sonnabend so: „Warum auf Gitschiner nur aufgemalte Streifchen statt richtiger Radwege?“ ADFC-Vorstandsmitglied Evan Vosberg ist noch deutlicher, er spricht vom „Autogerechten Umbau der Gitschiner Straße“. Tatsächlich baut der einzige grün regierte Bezirk eine fünfte Autospur und verkauft dies als „Verbesserung der Infrastruktur für den Radverkehr“. Der „Schutzstreifen“ in der Gitschiner wird nur ein weiterer Autoparkstreifen, da sind sich Radfahrer einig. Am Montag beginnt ein weiterer Bauabschnitt.

An vielen Magistralen müssen Radfahrer auf die Busspur, zum Beispiel am Kudamm und auf der Hauptstraße in Schöneberg. Das gefällt den Lesern des Checkpoints gar nicht. Die Busspuren sind zu schmal, die Busse zu breit und die Busfahrer drängeln, heißt es.

Und welche Straßen fehlen noch? Schreiben Sie Lorenz Maroldt: checkpoint@tagesspiegel.de. Und hier geht's zum kostenlosen Checkpoint-Abo.

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