zum Hauptinhalt
Paradiesvogel. Hedi Mohr gibt im Quatsch Comedy Club einen Vorgeschmack auf „Berlin Non Stop“. 

© Sven Serkis/Promo

Thomas Hermanns Musicalprojekt "Berlin Non Stop": Barcelona, Birmingham, Bad Bevensen

Diese Stadt ist ...? Klar: mehrsprachig, nackt und polysexuell. Das sagt jedenfalls Thomas Hermanns und sammelt für sein Musical „Berlin Non Stop“.

Die Amerikanisierung der Berliner Showbranche schreitet unaufhaltsam fort. Am New Yorker Broadway sei es durchaus üblich, dass Musicalenthusiasten 10 000 Dollar vom Sparbuch abheben, um eine kleine Musicalproduktion zu finanzieren, erzählt Thomas Hermanns. Doch als er in Berlin mit dem Hut herum ging, um Geld für sein geplantes Musiktheaterstück „Berlin Non Stop“ aufzutreiben, schlug selbst einem alten Showhasen wie ihm blankes Unverständnis für dieses unabhängige Finanzierungsmodell entgegen. „Es gibt hier keine Produktionskultur für Off-Theater – nur die subventionierten Stadttheater und die selbstausbeuterischen No-Budget-Modelle der Off-off-Szene.“

Was seit Montagabend anders ist. Da startete der Autor, Moderator, Comedian und Chef des Quatsch Comedy Clubs ebendort eine Crowdfunding-Kampagne für die geplante Show. Und Hermanns wäre nicht Hermanns, wenn er das nicht mit voller Professionalität und ganzem Körpereinsatz anginge: Filmeinspieler vom Workshop zur Show, ein Expertentalk zum womöglich vorhandenen „Berlin Musical-Style“ und ein Liedermedley künden vom Entstehungsprozess von „Berlin Non Stop“. Und der dickste bei Startnext (www.startnext.com/berlin-non-stop) buchbare Posten verheißt für eine Spende von 25 000 Euro gar „eine Nacht mit Thomas Hermanns“. Aber, dämpft er freudige Erwartungen, „nur trinken, sonst nichts“. Immerhin eine ausgesprochen Berlinische Art, die Nacht zu verbringen. Und ein guter Teil des mit 125 000 Euro bescheiden veranschlagten Budgets wäre schon mal drin.

Uraufführung ist im Schwuz in Neukölln

Der Aufführungsort der zunächst auf eine Spieldauer von drei Wochen angelegten Produktion steht schon fest: Das Schwuz in Neukölln erlebt damit im Oktober seine Premiere als Theaterspielstätte. Dort kann sich die queere Zielgruppe von „Berlin Non Stop“ schön heimisch fühlen. Die drei Helden des von Leonard Bernsteins Matrosen-Musical „On the Town“ inspirierten Stücks klappern in 24 Stunden auch klassische Kreuzberger Homobars wie „Roses“ und „Möbel Olfe“ ab.

Chris aus Birmingham, Juan aus Barcelona und Benny aus Bad Bevensen treffen dabei auf ein polysexuelles Pandämonium aus russischen Oligarchen-Gattinnen, schwäbischen Galeristinnen und transgender Szene-Stars. Wie das halt so ist in Thomas Hermanns’ Berlin, das „edgy und hart sein kann, aber auch eine romantische Seele hat“. Auch auf eine Szene mit – hui! – „full frontal nudity“ mochte der Buchschreiber und Liedtexter nicht verzichten. „Die sehe ich halt, wenn ich unterwegs bin.“ Auch ein Grund, warum er die „für meine Verhältnisse sehr unkommerziell gedachte“ Musicalidee gar nicht erst Stage Entertainment angeboten hat.

Die Macher. Thomas Hermanns, Buch und Liedtexte, und Thomas Zaufke, Musik.
Die Macher. Thomas Hermanns, Buch und Liedtexte, und Thomas Zaufke, Musik.

© Sven Serkis

Ein Genreneuling ist Hermanns trotzdem nicht, hat er doch schon mit Werken wie dem Schlagertrashical „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ und „Kein Pardon“ nach dem Hape Kerkeling-Film gepunktet. Diesmal allerdings sind die Texte meist in Englisch, auch in Deutsch und gelegentlich auf Spanisch.

Thomas Zaufke hat die Musik geschrieben

Bei „Kein Pardon“ war auch schon Hermanns Mitstreiter Thomas Zaufke dabei, der die Musik zu „Berlin Non Stop“ geschrieben hat. Zaufke tritt in der Welt des frechen neuen Musicals aus Berlin sonst meist im Doppelpack mit Peter Lund auf. Frisch aus London zurück, kann er sein Glück kaum fassen, dass beider Erfolgsproduktion „Grimm“ demnächst wohl im Londoner Westend laufen soll, was ein ziemlich glorioser Export wäre. Und – wer weiß – vielleicht einmal von „Non Stop Berlin“ wiederholt wird.

Der erste Eindruck von Nummern, die „Magic Carpet Night“ oder „Bitch of Birmingham“ betitelt sind, macht jedenfalls Lust auf mehr. Auch wenn statt der fünfköpfigen Band heute nur ein Pianist die drei von später sieben Darstellern begleitet. Eine, die schon besetzt ist, bevor das Geld da ist, ist Hedi Mohr. Im zerrupften Tutu legt die Sängerin eine Gänsehaut verursachende Powerballade hin. Handelsübliche Musicals bieten keinen Platz für so einen transgender Paradiesvogel wie diesen. „Berlin Non Stop“ jedoch kann ihre große Chance sein.

Mehr zu queerer Kultur lesen Sie auf unserer Themenseite. Mehr LGBTI-Themen finden Sie auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de.

Folgen Sie dem Queerspiegel auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false