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Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger.

© Andreas Gebert/dpa

Schwuler Ex-Fußballer Thomas Hitzlsperger: "Offene Homophobie erlebe ich so gut wie nie"

Mann mit Mission: Der schwule Ex-Profi Thomas Hitzlsperger hat als DFB-Botschafter für Vielfalt eine neue Rolle. Offene Anfeindung erlebt er fast nie - dafür aber Sprachlosigkeit.

Von Katrin Schulze

Den bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Das war schon früher auf dem Fußballplatz so und hat sich bis heute nicht geändert. Auch einen ganz persönlichen Angriff kontert Thomas Hitzlsperger mit einer Gelassenheit, wie sie wohl nicht viele hätten. Als ihm der frühere niederländische Nationalspieler Clarence Seedorf in einer Diskussionsrunde einmal vorwarf, sich als Schwuler in den Vordergrund zu spielen und dauernd über seine Sexualität zu sprechen, verzog Thomas Hitzlsperger keine Miene. Er lehnte sich in seinem Sessel nur ein Stück nach vorne und sagte dann: „Viele Menschen, auch ‚Normalos' reden dauernd ungefragt über ihre Sexualität.“ Und sowieso, in seinem Fall würden andere sich viel mehr darüber auslassen als er selbst. Applaus im Saal. Touché!

Tatsächlich ist es ja auch so: Die Geschichte des Thomas Hitzlsperger ist für die meisten interessanter als für Thomas Hitzlsperger selbst. 2014 sprach er als erster deutscher Fußballprofi nach seinem Karriereende öffentlich über seine Homosexualität – und ist seither mehr gefragt als zu seiner Zeit als aktiver Spieler.

Für Hitzlsperger wurde der "Botschafter für Vielfalt" geschaffen

In diesem Jahr kam der Job als Botschafter für Vielfalt beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hinzu, der extra für ihn geschaffen worden ist. Weil es passt. „Der Verband steht für Toleranz“, sagt er. „Ich lebe das so gut ich kann vor und repräsentiere es nach außen. Ich habe eine klare Haltung.“

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Klare Haltung, klare Kante, klare Entscheidungen. Schon die Karriere des Mittelfeldspielers lief nach diesen Grundzügen ab. Der kleine Hitzlsperger wuchs auf einem Bauernhof auf und durchlief die Nachwuchsmannschaften des FC Bayern. Er hätte es damals so machen können wie ein beinahe gleichaltriger Junge namens Philipp Lahm, der im Prinzip fast ganze Zeit bei den Münchnern geblieben ist. Doch Thomas Hitzlsperger zog es in die weite Welt. Von einem heimlichen Probetraining in England kam er mit einem Vertrag zurück. Die Bayern-Chefs waren entsetzt, der Profi war entwischt – und gestaltete seine Laufbahn auch danach völlig selbstständig. In England verehrten ihn die Fans, in der deutschen Nationalmannschaft schätzen ihn Mitspieler wie Trainer für seine harten Schüsse, aber auch für seine Besonnenheit und Übersicht auf dem Platz.

Hitzlspergers Coming Out ermutigte andere - im Amateurbereich

Für den DFB, der noch zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht recht wusste, wie er mit den Themen und Homosexualität und Vielfalt im Sport sowie Diskriminierung umgehen sollte und sich in der öffentlichen Debatte mindestens ungeschickt verhielt, kommt Hitzlsperger in seiner neuen Position gerade recht. „Wir wollen keinen Botschafter für das Schaufenster. Wir wollen, dass er sich mit seiner ganzen Erfahrung einbringt“, sagte Präsident Reinhard Grindel zu Beginn des Engagements. Zu tun gibt es auch im Jahr 2017 offenbar genug. Das Wort „schwul“ wird in den großen Stadien wie auf den kleinen Dorfplätzen immer noch als Schimpfwort benutzt. Und auch das Bild von der Mannschaft, die bloß nicht mit dem schwulen Mitspieler unter der Dusche stehen möchte, hält sich – obwohl es in der Realität anders aussieht.

Bisher hat sich die Annahme jedenfalls nicht bestätigt, dass ein Fußballspieler einen Spießrutenlauf absolvieren muss, sobald er sich outet. Das gilt vor allem für den Amateurbereich, wie Thomas Hitzlsperger bestätigt. Sein Outing habe andere ermutigt, den Schritt selbst zu gehen – ohne es im Nachhinein bereut zu haben. So hätten es ihm viele berichtet. „Ich habe mich darüber gefreut und freue mich noch immer, wenn ich anderen Menschen dadurch weiterhelfen konnte“, sagt der 35-Jährige. Nur ein aktiver Profi hat in Deutschland bisher noch nicht öffentlich über seine Homosexualität geredet. Warum nicht?

"Viele wissen nicht, wie sie das Thema ansprechen sollen"

An der Angst vor möglichen Anfeindungen oder Ausgrenzungen könne es kaum liegen, glaubt Thomas Hitzlsperger: „Offene Homophobie erlebe ich so gut wie nie.“ Vielmehr geht es um eine Tabuisierung, um fehlende Empathie, um Sprachlosigkeit. Was in einer Gesellschaft, in der es die Ehe für alle gibt, selbstverständlich ist, muss sich im Fußballgeschäft offenbar noch erspielt werden. Oder wie es der DFB-Botschafter ausdrückt: „Das Ziel ist es, dass die Leute einen unverkrampften Umgang damit finden.“

Deswegen hat Thomas Hitzlsperger den Posten angetreten. Damit er redet, wenn er dazu befragt wird, aber auch, wenn er nicht gefragt wird. „Das Problem ist, dass viele gar nicht erst wissen, wie sie das Thema ansprechen sollen“, sagt er. „Und man muss darüber reden, weil es immer noch Vorurteile gibt.“ Ähnlich hat es Hitzlsperger auch seinem Fußballerkollegen Clarence Seedorf verständlich gemacht, der danach klüger nach Hause gegangen ist, wie er selbst sagte: „Es ist das erste Mal, dass ich eine Erklärung wie diese bekomme.“ Er würde nun mehr verstehen, um was es eigentlich gehe. „Und andere sicher auch.“ Mission erfüllt.

Mehr LGBTI-Themen finden Sie auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. 

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