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FKK im BKA. Anfangs hat Hedi Mohr noch mehr als ein Mikro an.

© Claudia Brijbag

Hedi Mohr im BKA Theater: Ich ziehe mir die Liebe an

Viel Haut und starke Lieder: Das Solodebüt der „Nacktsängerin“ Hedi Mohr im Kreuzberger BKA.

Ach du Schreck, die macht’s ja wirklich. Sich nach dem noch von weißem Tüll umflossenen Entree ausziehen nämlich. Ein Hauch Burlesque und wilde Zwanziger erfüllt die Luft. Gut, die erste abendfüllende Soloshow von Hedi Mohr heißt „Nacktsängerin“ und wer in den letzten Jahren einen ihrer Auftritte bei der Partyreihe „Chantals House of Shame“ im Schwuz oder in der Kleinen Nachtrevue gesehen hat, weiß, dass der hüllenlose Körper keineswegs nur ein metaphorisches Thema der queeren Künstlerin ist. Aber 90 Minuten lang? Unterbrochen von einer Pause, wo alle wegrennen können (was sie nicht tun)? Und auf der Bühne des gesitteten BKA Theaters? Immerhin taugt die gelassen und beseelt musizierende Begleitband als textiler Augentrost: Pianistin, Gitarristin und Cellistin tragen Schwarz.

Zum Glück macht Hedi Mohr mit ihrer ausgeprägten Musikalität, der theatralen Bühnenpräsenz und ihrer elegisches Musical-Sentiment und chansoneske Präzison verströmenden Stimme auch nackt eine gute Figur. Wenn der mit einem Strass-Collier geschmückte Hodensack nicht immer mal wieder ins Hüpfen geriete, könnte man die bloße Haut glatt vergessen. Zumal sie sich am Ende von Hilde Knefs lasziv dargebotener Desillusionierungs-Ballade „Ich zieh mich an und langsam aus“ auch mal eine glitzernde Robe überstreift.

Thomas Hermanns ist ihr Förderer

Die einst als Christian in Gelsenkirchen aufgewachsene Sängerin und Malerin mit dem Einser-Abitur gilt seit 2013 auch außerhalb queerer Kulturorte als notorisch übersehene Gesangsdiva Berlins. Da hat sie mit 22 Jahren beim Bundeswettbewerb Gesang den Gisela-May-Chansonpreis gewonnen und einen furiosen Konzertauftritt im Friedrichstadt-Palast hingelegt. Thomas Hermanns, Chef des Quatsch Comedy Clubs und Musicalautor, hat ihn gesehen, ist seitdem ihr Förderer und hat jetzt auch das Buch zur autobiografischen Show geschrieben. Mit „Slut Song“, „Birmingham“ oder „Love Town“ erklingen auch ein paar poppige Nummern aus dem noch einer Finanzierung harrenden Musical „Berlin Non Stop“, in dem Hermanns und Thomas Zaufke ihr 2016 eine Hauptrolle auf den Leib geschrieben haben.

Die schönen eigenen Lieder von Hedi Mohr, die sie auch selbst am Piano begleitet, fallen ungleich sehnsuchtsschwerer aus. Sie heißen „Deine Haut, meine Haut“, „Rapunzel“ oder „Opium und Perlen“ und handeln von der Identitätssuche einer Post-Drag-Künstlerin, die die reine Imitation von Weiblichkeit genauso hinter sich gelassen hat wie das Mann-oder-Frau-Sein. Das ist mutig, bewegend und wird am Ende mit viel Applaus bedacht. Im nächsten Programm stecken Hedi Mohrs große Gefühle, ihr Charisma und die Stimme dann aber bitte in wallenden Roben. Sie können auch gern transparent sein.

BKA Theater, Mehringdamm 34, Kreuzberg, wieder am 25. und 26. Mai, 20 Uhr

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