zum Hauptinhalt
Eine Demonstration gegen die Diskriminierung von Transsexuellen in Berlin.

© Nadine Lange/Tsp

Geschlechter: Dass er Nicole heißen will, reicht den Gerichten nicht

Einfach nur die Überzeugung, im falschen Körper geboren zu sein, genügt nicht für eine Änderung im Personenstandsregister. Gesetz und Justiz bestehen auf zwei Gutachten.

Von Fatina Keilani

Wenn sich ein Mann als Frau fühlt oder umgekehrt und dies auch amtlich so registriert wissen will, dann reichen das Gefühl und die Überzeugung der Person dafür nicht aus. Es braucht für die Änderung seines Vornamens und Geschlechts im Personenstandsregister zwei Sachverständigengutachten. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm jetzt und bestätigte damit, dass das, was vom Transsexuellengesetz noch übrig ist, auch wirklich gilt.

Geklagt hatte ein Mann, der Nicole heißen und als Frau leben möchte, der aber nicht von Sachverständigen begutachtet werden wollte, da dies die Preisgabe persönlichster, ja intimster Erlebnisse und Gedanken erfordert hätte. Vielmehr sah er die entsprechende Vorschrift des Transsexuellengesetzes als verfassungswidrig an, womit er/sie aber nicht durchdrang. Die Begutachtung habe der Gesetzgeber als zwingende Voraussetzung normiert, stellten die Richter klar. Es gehe darum, sicherzustellen, dass er es sich nicht nach kurzer Zeit wieder anders überlege.

Das deutsche Personenstandswesen strebt nach Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit. Das Gesetz kennt nur zwei Geschlechter, und zu einem hat man zu gehören. Wer heiraten möchte, braucht einen Partner vom anderen Geschlecht; will er sich gleichgeschlechtlich verbinden, so kann er eine Lebenspartnerschaft eingehen.

Das Transsexuellengesetz wurde bereits mehrfach geändert

Das Leben allerdings hat diesem Streben nach Klarheit und Struktur ständige Herausforderungen entgegenzusetzen, und so sind über die Jahre mehrere Normen des Transsexuellengesetzes gekippt worden. Zum Beispiel durfte ein Mann, der nach 56 Jahren Ehe und drei Kindern zur Frau werden wollte, mit seiner Ehefrau verheiratet bleiben, obwohl das Gesetz ihm eigentlich die Scheidung abverlangte. Geschenkt bekam er dies allerdings nicht, sondern erkämpfte es vor dem Bundesverfassungsgericht.

Auch ein anderer Kläger hatte dort Erfolg. Geboren als adeliger Mann, wollte er in Berlin als Frau leben und mit seiner Freundin eine Lebenspartnerschaft eingehen. Da er rechtlich aber nun mal ein Mann war, verwies man ihn auf die Möglichkeit der Eheschließung. Heiraten wollten die beiden aber nicht – anders als viele andere homosexuelle Paare, die froh wären, wenn sie genau dies tun könnten.

Seinen Vornamen hatte der Freiherr geändert, er war auch zur Freifrau geworden, aber für die Eintragung des weiblichen Geschlechts verlangte das Gesetz von ihm eine geschlechtsumwandelnde Operation. Dagegen wehrte er sich mit Erfolg. Das Gesetz verlangt diese „große Lösung“ seither nicht mehr, sondern kommt mit der „kleinen Lösung“ aus – zu der die besagten zwei Gutachten gehören, auf denen das OLG Hamm jetzt bestand. Auch Unfruchtbarkeit ist nicht mehr Voraussetzung. Der Freiherr musste sich diesen Sieg ebenfalls erkämpfen. Weil das aber von 2005 bis 2011 dauerte, heiratete er die Partnerin zwischenzeitlich doch.

Mehr LGBTI-Themen finden Sie auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Folgen Sie dem Queerspiegel in den sozialen Netzwerken:

Zur Startseite