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ESC-Gewinnerin Conchita aus Wien.

© Sven Hoppe/dpa

Conchita über Österreichs Rechtsruck: "Wir werden nicht leise sein"

Sängerin Conchita spricht im Interview über den Rechtsruck in Österreich, neue Lieder und ihr Berliner Konzert mit dem Programm "From Vienna with Love".

Conchita, Sie treten in der Berliner Philharmonie auf. Haben Sie dort schon einmal ein Konzert besucht?
Leider nicht. Aber ich bin ein Fan der Klassik. Mein Respekt vor ihr ist riesig, sie ist die Wiege der Musik, gerade auch was den Gesang betrifft. Ich bewundere die Technik klassisch geschulter Sänger, die ohne Mikrofon einen ganzen Saal ausfüllen können. Wenn ich selbst mit einem Orchester musizieren darf, sage ich bei den Proben als erstes: Es tut mir leid, ich bin nur ein Popsänger, aber ich versuche, mich irgendwie auf ihr Niveau zu begeben.

Normalerweise treten Sie ja mit einer Band auf. Was sind da die Unterschiede?
Mit der Band ist alles unfrisierter, hemmungsloser. Man kann auch mal improvisieren. Der Konzerttag verläuft auch viel lockerer, wir scherzen beim Soundcheck herum. Bei Aufritten mit Orchester ist alles feiner getuned und herrschaftlicher. Schon beim Aufstehen fühle ich mich wie die Kaiserin und beginne den Tag mit einer gewissen Eleganz (lacht).

Bei Ihrem letzten Berliner Konzert haben Sie zwischen den Liedern viele Anekdoten erzählt, sind sogar ins Publikum gegangen, um Fragen zu beantworten. Haben Sie das auch in der Philharmonie vor?
Ja, das gehört zu meinen Konzerten. Das macht mir viel Spaß. Wobei ich es selber hasse, wenn ich im Publikum sitze und jemand kommt von der Bühne. Vielleicht genieße ich das deshalb so. Außerdem rede ich wahnsinnig gerne über mich.

Coverversionen haben Sie wahrscheinlich auch wieder im Programm.
Auf jeden Fall. Ich habe ja gar nicht so viele eigene Lieder. Nur ein Album. Wobei das inzwischen wenig mit mir zu tun hat. Es wurde zwischen Terminen aufgenommen. Die Songs sind bis auf „Rise Like A Phoenix“ nicht meine, auch emotional nicht. Ich will das Album nicht schlechtreden, doch mit Abstand betrachtet, war es vor allem ein Abarbeiten der Erwartungshaltungen anderer. Sicher wären einige Songs auch richtige Hits geworden, wenn nicht ich sie gesungen hätte. „Firestorm“ etwa wäre durch die Decke gegangen, hätte eine Kylie Minogue es gesungen.

Sie arbeiten derzeit an einem neuen Album, das im Sommer erscheinen soll. Was machen Sie diesmal anders?
Diesmal sind nur zwei Leute am Entstehungsprozess beteiligt. Außer ihnen wird niemand das Album hören, bevor es fertig ist. Ich bin nicht gut darin, Nein zu sagen, aber ich habe es mir antrainiert und höre wieder auf mein Bauchgefühl. Als ich damals sagte, ich will eine bärtige Frau sein, fanden alle, dass das Schwachsinn ist. Doch ich hatte recht. Und deshalb ist es wichtig, dass die großen Entscheidungen von mir kommen. Selbst wenn kein einziger Hit auf dem neuen Album sein sollte, werden es Songs sein, die ich spüren kann und die mich zum Weinen bringen.

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Sie haben mal gesagt, dass Sie sich schnell langweilen. Nun spielen Sie schon recht lange die Kunstfigur Conchita, den Nachnamen Wurst haben Sie ja mittlerweile abgelegt. Aber wie schaffen Sie es, dass es Ihnen nicht langweilig wird?
Ich habe innerhalb dieser Figur Wege gefunden, sie für mich spannend zu halten. Es amüsiert mich, wie viele Leute es etwa beschäftigt, dass ich keine hohen Schuhe oder große Roben mehr trage. Ich habe ja schon gesagt, dass es mit Conchita irgendwann zu Ende gehen wird, weil ich mich auch in andere Richtungen entwickeln möchte. Da war die Aufregung gleich riesig, dabei habe ich gar kein Datum genannt. Natürlich mache ich noch ein Album und will damit auch auf Tour gehen.

Ihr Programm heißt „From Vienna With Love“. Denkt man derzeit an Österreich ist es mit der Liebe nicht so weit her. Wahrscheinlich bekommt Ihr Land eine Regierungskoalition aus der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ. Wie geht es Ihnen mit dieser Perspektive?
Es ist so wahnsinnig schwer, zu jammern. Wir leben in einer Demokratie, haben hoffentlich alle abgestimmt und das ist eben das Ergebnis. Natürlich kann ich mich darüber aufregen und weinend auf den Boden werfen. Was wir dieser Tage aber auch lernen müssen, ist, dass konservativ nicht gleichbedeutend mit Nazi ist.

Mit dem FPÖ-Chef HC Strache wird nun aber ein Mann mit sehr radikalen Ansichten mit am Kabinettstisch sitzen. Einer der sich auch dagegen ausgesprochen hat, dass Sie Österreich beim ESC vertreten.
Ja, da geht einiges über den Begriff konservativ hinaus.

Fühlt man sich da als Mitglied der queeren Community nicht ein wenig verunsichert?
Ja, aber keine Angst. Es ist kein schönes Gefühl, sondern eins, das auch Stress auslöst, weil man sich fragt, was die alles machen könnten. Falls es in eine vollkommen falsche Richtung gehen sollte, habe ich aber keine Hemmungen auf die Straße zu gehen und „a pain in the ass“ zu sein. Wenn es sein muss, werde ich mich für die Community starkmachen. Wir werden nicht leise sein. Zum Glück gibt es genug Menschen, die ähnlich denken wie ich.

Sebastian Kurz, der bisherige Außenminister und wahrscheinlich kommende Kanzler, gibt sich wenig homofreundlich, er ist etwa gegen die Ehe für alle.
Das ist schon lustig, wenn man dazu seine Tweets von vor ein paar Jahren liest. Damals schrieb er sinngemäß noch, dass die Wahlergebnisse zeigten, dass eine Politik, die auf Ausgrenzung, Diskriminierung und Hass basiert nicht funktionieren kann. Oh girl, da hat wohl jemand eine gute Gage bekommen...

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Sie beide gehören einer Generation an, repräsentieren aber zwei sehr unterschiedliche Seiten von Österreich.
Eigentlich hatten wir auch den gleichen Job.

Wie meinen Sie das?
Na, wenn ich keine Außenministerin war, weiß ich es auch nicht. Ich habe dieses Land schließlich genauso vertreten wie er und tue es noch. Natürlich bin ich als Künstlerin privilegiert und kann mehr sagen als ein Politiker.

Was würden Sie sich denn als Kollegin von ihrer zukünftigen Regierung wünschen?
Medientraining. Teilweise war der Wahlkampf wie ganz schlechtes Unterhaltungsfernsehen. Die Argumente mies, die Akteure uncharismatisch. Es gibt da so viele Widersprüche und so viel Doppelmoral, dass es schwerfällt diese Menschen ernst zu nehmen.

Aber viele tun es.
Ich weiß! Und ich frage mich, warum sie nicht in die Geschichte zurückschauen wollen. Dann würden sie verstehen, dass gewisse Dinge falsch laufen. Meine Oma ist anders. Sie rief mich nach der Wahl an und fragte: „Thomas, woaßt was Schwarz-Blau duat?“ Und auf mein Nein: „Des kost“. Sie hat recht: Wir hatten ja schon einmal eine schwarz-blaue Regierung und zahlen immer noch deren Mist ab.

Es gibt überall in Europa auch Schwule und Lesben, bei denen die Argumente der Rechten verfangen, etwa wenn ihnen suggeriert wird, dass man sie vor angeblich homophoben Zuwanderern schütze.
Dass auf dem Rücken von Minderheiten Wahlkampf gemacht wird, ist letztklassig und bodenlos. Doch Leute aus der LGBTQI-Community, die diese Parteien wählen, haben für mich einen an der Waffel. Sie haben nichts verstanden. Natürlich formt die sexuelle Orientierung nicht den Charakter. Aber wer daran interessiert ist, ein friedliches, gleichberechtigtes Leben zu führen, sollte doch mal genauer hinhören, zwischen den Zeilen lesen und anfangen, selber zu denken.

Haben Sie auch schon mal über politische Inhalte für ihre Texte nachgedacht?
Wenn sich die Dinge in eine Richtung entwickeln, bei der ich den Eindruck habe, ich muss aufschreien, wird das passieren. Aber letztlich bin ich sehr egozentrisch und singe die Lieder, weil ich sie auf der Bühne fühlen will. Derzeit bin ich sehr auf mich fixiert. Das sei mir verziehen.

Konzerte: Philharmonie Berlin 7.11., Laeiszhalle Hamburg, 8.11., beide 20 Uhr

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