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Auf der Berlin Feminist Film Week ist auch der Dokumentarfilm "Fattitude" von der Regisseurin Lindsey Averill zu sehen.

© Berlin Feminist Film Week

Berlin Feminist Film Week: "Die Mehrheit kann zwischen Flirten und Belästigung unterscheiden"

Zum fünften Mal findet das Filmfestival Berlin Feminist Film Week statt. Wir haben mit der Gründerin Karin Fornander über Metoo, Flirten und Frauen hinter der Kamera gesprochen.

Karin, Sie haben Ihr Festival 2014 auch deshalb gegründet, um sexuelle und strukturelle Gewalt gegen Frauen, Sexismus, Rassismus und Homophobie zu bekämpfen und diese feministischen Themen bekannter zu machen. Empfinden Sie die Metoo-Debatte als Erfolg?

Ich würde dafür jetzt keine Lorbeeren einheimsen wollen. Obwohl, vielleicht sollten wir das sogar. Natürlich ist es ein gutes Gefühl zu sehen, dass diese Themen nach all den Jahren endlich in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen sind. Die Metoo-Kampagne wurde aber ursprünglich mit von der amerikanischen Menschenrechtsaktivistin Tarana Burke ins Leben gerufen, die auf schwarze Frauen aufmerksam machen wollte, die von sexueller Gewalt betroffen waren. Über diese Frauen ist mittlerweile viel weniger zu hören. Stattdessen benutzen Medien meiner Meinung nach den Hashtag, um auch Leser*innen zu gewinnen. Ich hoffe sehr, dass die aktuell geführte gesellschaftliche Debatte dazu führt, dass wir auch noch in einem Jahr über häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung, ungleiche Bezahlung und Machtmissbrauch offen sprechen. Denn darum geht es vorrangig und nicht um einen Hashtag wie Metoo.

Wie nehmen Sie die Debatte überhaupt war?

Insgesamt finde ich Metoo und alles, was sich daraus entwickelt, wichtig und gut! Ich denke nur, jeder, der sich ernsthaft mit Gewalt gegen Frauen beschäftigt, der macht das auch ohne Metoo-Hashtag als Aufhänger. Obwohl die Debatte zurzeit sicher auch hilfreich ist, das möchte ich gar nicht in Frage stellen. Ich habe das Thema vor allem auch in Schweden verfolgt. Dort ist Metoo viel größer geworden als in Deutschland und es sind auch sehr schnell Namen in der Öffentlichkeit genannt worden. Das liegt, glaube ich, aber auch daran, dass wir insgesamt ein viel transparenteres System in Schweden haben.

Karin Fornander, Gründerin der Berlin Feminist Film Week
Karin Fornander, Gründerin der Berlin Feminist Film Week

© Jana Demnitz

Sie meinen die Künstlerinnen, aber auch Juristinnen, die einen offenen Brief geschrieben haben und unter dem Hashtag #tystnadtagning, der so viel heißt wie "Das Schweigen sprengen", etliche Fälle von Missbrauch öffentlich gemacht haben?

Ja, es wurden auch prominente Personen geoutet, die auch sehr schnell ihren Job verloren haben. Grundsätzlich denke ich, es ist gut, dass darauf schnell reagiert wurde und die einzelnen Personen die Verantwortung für ihre Taten übernehmen mussten. Aber auch in Schweden gab es Stimmen, die meinten, man könne nicht einfach Namen nennen und diese Personen öffentlich anklagen. Es wurde auch sehr schnell wieder eine antifeministische Debatte daraus und es gab dort auch den Vorwurf einer Hexenjagd. Um grundsätzlich an diesem gesellschaftlichen Zustand etwas zu ändern, muss aber noch viel mehr über diese Themen gesprochen werden. Es müssen vor allem gesetzliche Veränderungen her – und zwar schnell! Wenn sich das alles zu lange hinzieht, hat Metoo auch irgendwann keine Wirkung mehr.

In Schweden ist das sogenannte Einwilligungsgesetz bereits auf den Weg gebracht worden und soll am 1. Juli in Kraft treten.

Dieses Gesetz soll nach dem Prinzip ”ja heißt ja” funktionieren. Ich finde es nicht ”unromantisch“, einmal kurz mit dem/der Partner*in abzuklären, ob beide überhaupt das Gleiche wollen. Wirklich unsexy ist es doch viel eher, mit jemandem Sex zu haben, der oder die es gar nicht möchte. Das Gleiche gilt beim Flirten. Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Menschen kann zwischen Flirten und sexueller Belästigung unterscheiden.

Mit dem Film "They" von der Regisseurin Anahita Ghazvinizadeh wird die Berlin Feminist Film Week eröffnet.
Mit dem Film "They" von der Regisseurin Anahita Ghazvinizadeh wird die Berlin Feminist Film Week eröffnet.

© Berlin Feminist Film Week

Wie sieht das Programm dieses Jahr aus?

Wir haben nach wie vor kein konkretes Thema oder einen Schwerpunkt. Am 8. März eröffnen wir das Festival mit dem Film "They" von der Regisseurin Anahita Ghazvinizadeh. Darin geht es um das Kind "J", das in Chicago lebt und an einen Punkt in seinem Leben kommt, wo es sich entscheiden muss, ob es als Frau oder als Mann weiterleben möchte. Es gibt zwar immer mehr Filme über Transfrauen und Transmänner – aber immer noch sehr wenige Geschichten über das Dazwischen, das Nicht-Binäre. Über dieses Thema wird selten in Filmen gesprochen. Davor haben Menschen immer noch ein wenig Angst, wenn sie andere Menschen nicht in dieses Entweder-oder-System einordnen können. Das Schöne an dem Film ist, dass darüber aber gar nicht so konkret gesprochen wird.

Sie zeigen die Dokumentation "Fattitude", in der es auch um die Stigmatisierung und Diskriminierung von dicken Menschen geht. Anschließend wird es einen Talk mit der Regisseurin Lindsey Averill, der Autorin Magda Albrecht, Aktivist* Mäks Roßmöller und der Web-Designerin Natalie Rosenke geben.

Ich verfolge schon lange die Körper-positive Bewegung. Natürlich werden immer noch viele dicke Menschen diskriminiert, vor allem in der Arbeitswelt, auch wenn das oft nicht thematisiert wird. In der Dokumentation geht es vor allem darum, wie dicke Menschen in den Medien dargestellt werden. Ich hoffe, dass an dem Abend auch über positive Beispiele in diesem Zusammenhang gesprochen wird. Auch in unseren Filmen fällt mir immer wieder auf, dass die Schauspieler*innen in einem gewissen Sinne "schön" sind, bzw. so dargestellt sind, was die Mehrheit als "schön" empfindet. Wir haben da wirklich noch eine Menge Arbeit vor uns.

Sie widmen sich auch kurdischen Feministinnen, von denen der Dokumentarfilm "An Other Mountain" handelt.

Die kurdische Frauenbewegung ist sehr unterrepräsentiert in Medien. Ich kann mich kaum erinnern, dass ich jemals drüber gelesen habe. Wir haben den Film eingereicht bekommen. Alle fanden das Thema sehr spannend. Es ist wichtig, Feminismus aus vielen kulturellen und politischen Perspektiven zu beleuchten. Ich bin mir sicher, dass wir viel voneinander lernen können, und wir freuen uns sehr, dass eine der Protagonistinnen bzw. Aktivistinnen im Film bei der Vorführung dabei sein wird.

"An Other Mountain" über kurdische Feministinnen läuft auf der Berlin Feminist Film Week.
"An Other Mountain" über kurdische Feministinnen läuft auf der Berlin Feminist Film Week.

© Berlin Feminist Film Week

Metoo wird dennoch direkt eine Rolle auf Ihrem Festival spielen. Am 12. März zeigen Sie unter dem Motto "Unvictiming" Kurzfilme von weiblichen Filmemacher*innen zum Thema häusliche und sexuelle Gewalt.

Den Abend veranstalten wir zusammen mit dem englischen feministischen Magazin "Another Gaze" und wir zeigen Filme aus den letzten 40 Jahren. Anschließend wird es ein Panel geben, wo wir auch über die Darstellung von Gewalt sprechen werden. In jüngster Zeit sind auch viele Filme mit Vergewaltigungsszenen produziert worden, allerdings aus männlicher Perspektive. Uns geht es an diesem Abend auch darum, dass weibliche Filmemacher*innen in ihren Kurzfilmen dieses Thema aus weiblicher Perspektiver heraus erzählen.

Sind Filme von Frauen tatsächlich so sehr anders als Filme von Männern?

Wenn es darum geht, Charaktere zu kreieren, die die Perspektive der Frau zeigen, dann hat man zumindest bei Regisseur*innen das Gefühl, dass sie eher eine Ahnung davon haben, worum es geht, und dass man sich viel besser in einem Charakter wiedererkennen kann. Als ich jünger war, fand ich Filme, aber vor allem Bücher über Frauen, die von Männern geschrieben wurden, furchtbar, weil ich mich da überhaupt nicht wiedergefunden habe. Natürlich gibt es auch Filme von Frauen, womit ich wenig anfangen kann. Aber grundsätzlich sehe ich bei den Filmen, die wir zeigen: Filmemacherinnen verstehen Frauen oft einfach besser.

Was sagen Ihnen denn die Filmemacherinnen, die zu Ihnen kommen? Hat sich in letzter Zeit für sie konkret etwas geändert in der Filmindustrie?

Nein, da hat sich für sie immer noch nicht sonderlich viel bewegt. Sie berichten immer noch darüber, wie schwer es ist, Förderungen und gute Jobs in der Branche zu bekommen.

Wäre für Sie eine Quote ein probates Mittel?

Ich kann jetzt nicht für alle Filmemacher*innen sprechen. Aber ja, ich bin Quotenfreundlich, und ich denke, das ist eine gute Idee. Wenn jetzt immer Männer die gleiche Filmförderung bekommen, ist das ja quasi auch eine Quote, nur dass die nicht ausgesprochen wird. Bei staatlicher Förderung sehe ich da gar kein Problem für eine Quote, problematischer ist da eher die private Filmförderung. Da kann man eben schwierig eingreifen, und dort gibt es mehrheitlich immer noch das Stereotyp, Männer würden die besseren Filme produzieren und bekommen mehr Geld. Da kann man meiner Meinung nach aber nur den gesellschaftlichen Diskurs ändern, ein Gesetz wird da wenig helfen.

Wir haben in Berlin den Luxus, auch noch den Teddy Award der Berlinale, das XposedQueer Film Festival und das Pornfilmfestival zu haben. Wo sehen Sie sich da?

Wir verhandeln ja nicht nur queere Themen. Ich denke, alle diese Festivals sind wichtig und gerade auch im Feminismus gibt es so viele Richtungen und Themen, dass ich die Berlin Feminist Film Week als Ergänzung dazu sehe. Ich finde es auch wichtig, viele Perspektiven mit einzubeziehen. Wir versuchen zu zeigen, dass es eben nicht nur um Frauen geht, sondern auch um rassistische Strukturen, um Klasse, soziale und kulturelle Hintergründe, Sexualität. Diese Perspektiven überschneiden sich natürlich. Wir sind kein separatistisches Filmfestival, wir freuen uns, wenn Männer zu uns kommen und sich für feministische Themen interessieren. Schließlich können nicht nur Frauen* die Verantwortung für eine feministische Gesellschaft tragen, vieles hat ja auch mit Männlichkeitsnormen zu tun.


Die Berlin Feminist Film Week findet vom 8. bis zum 14. März statt. Veranstaltungsorte sind das Kino Babylon in der Rosa-Luxemburg-Straße 30 und das CRCLR House in der Rollbergstraße 26.

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