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Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) entschuldigte sich bei den Berlinern.

© Paul Zinken/dpa

Quälende Fehlersuche zur Wahl: Senat beruft Landeswahlleiterin ab und bittet Berliner um Verzeihung

Viele Fragen zur Wahl sind noch offen – die Bestandsaufnahme des Senats hält noch an. Und wo ist der Innensenator?

Das Interesse an der Senatspressekonferenz am Dienstag war groß – gerne hätten die Journalisten vom zuständigen Innensenator mehr über die teils chaotischen Vorgänge am Wahlsonntag erfahren. Doch Innensenator Andreas Geisel (SPD) kam nicht. Stattdessen berichtete Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), dass der Senat beschlossen habe, die Landeswahlleiterin Petra Michaelis nach dem 14. Oktober 2021 abzuberufen. Michaelis hatte nach dem Bekanntwerden von Pannen am vergangenen Mittwoch selbst ihr Amt zur Verfügung gestellt.

Kollatz dankte Frau Michaelis für ihr jahrelanges Engagement. „Auch wenn man der Auffassung ist, dass da einiges falsch gelaufen ist, macht die Landeswahlleiterin das seit zehn Jahren“. Für diese Lebensleistung müsse man sie auch ein Stück weit würdigen.

Kollatz entschuldigte sich im Namen des Senats bei allen, die ihr Wahlrecht bei der vergangenen Wahl nicht wahrnehmen konnten. Es war mehr als eine Woche nach der Wahl das erste Statement dieser Art. Er bedankte sich auch bei denjenigen, die lange in Schlangen gewartet hätten, um zu wählen. Ebenfalls sprach er den 37 000 Ehrenamtlichen seinen Dank aus, die die Wahl gestemmt hatten.

Die Bestandsaufnahme, was genau am Wahltag schief ging und wieso, ist längst noch nicht abgeschlossen. Bislang liegen dem Innensenator erst Berichte aus sieben der zwölf Bezirke zum Wahlvorgang vor. Berichte aus Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln, Lichtenberg und Treptow-Köpenick fehlen noch.

Geisel berichtete im Senat deshalb nur mündlich. Nicht alles, was öffentlich diskutiert wird, habe bislang bestätigt werden können, sagte Kollatz. Es hatte Vorfälle gegeben, bei denen falsche Wahlzettel ausgegeben wurden. Inzwischen ist auch klar, dass es am Wahltag erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Wahllokalen und den Bezirkswahlleitungen gab.

Wie viele Minderjährige gewählt haben könnten, ist unklar

Neben falschen und vertauschten Wahlzetteln sowie langen Schlangen und Stimmzettel-Engpässen berichteten zuletzt mehrere Minderjährige, dass ihnen auch Stimmzettel für die Bundestags-, Abgeordnetenhauswahl und den Volksentscheid ausgehändigt wurden. Dabei dürfen junge Menschen zwischen 16 und 18 Jahren nur bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung ihre Stimme abgeben.

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Kollatz sagte, dass noch keine Bestätigung für solche Fälle vorliege. Eigentlich müsse man aber im Wählerverzeichnis nachvollziehen können, wenn Unter-18-Jährige gewählt hätten – diese seien dort besonders gekennzeichnet, sagte der SPD-Politiker.

Um das Wahl-Chaos aufzuklären, soll es bald ein Treffen mit dem Regierenden Bürgermeister, dem Innensenator, dem Parlamentspräsidenten sowie den Fraktionsvorsitzenden geben. Dies habe der Regierende Bürgermeister angeregt, der Senat habe dies begrüßt. Wann genau der Termin stattfinden soll, steht allerdings noch nicht fest. Es werde sich aber eher um Tage als um Wochen handeln.

Alle Parteien fordern gründliche Aufarbeitung

Der Senat erwägt auch, externe Experten einzuladen, um sie zur Aufarbeitung der vergangenen Wahl und zu möglichen Verbesserungen für die Zukunft zu befragen. Dabei möchte man auch darauf blicken, was andere Bundesländer anders – und möglicherweise besser – machen.

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Derweil gibt es Stimmen aus allen Parteien, die eine gründliche Aufarbeitung der Probleme am Wahltag fordern. Die Linken schlagen vor, eine unabhängige Expertenkommission zu berufen. Darin sollen neben Wahlrechtsjuristen auch erfahrene Wahlleiter aus anderen Städten sowie Fachleute für die zweistufige Berliner Verwaltung vertreten sein.

Die Berliner Landesvorsitzende der Grünen, Nina Stahr, sagte dem RBB, alles müsse restlos aufgeklärt werden, um das Vertrauen in die Demokratie wieder zu stärken. Die FDP fordert eine Sondersitzung des Innenausschusses, zu der auch die zurückgetretene Landeswahlleiterin eingeladen werden soll. Die AfD forderte eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses.

Kritik an Innensenator Andreas Geisel

Kollatz wich am Dienstag der Frage aus, warum Innensenator Geisel – der im Senat die Rechtsaufsicht für Wahlen hat – nicht selbst berichtete. Es sei üblich, dass nur ein Senator in der Pressekonferenz auftrete; und er glaube, sagte er, dass man schon bald „das Vergnügen mit dem Innensenator“ haben werde.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Paul Fresdorf, kritisierte diese Entscheidung: „Innensenator Geisel hätte heute an der Pressekonferenz des Senats teilnehmen müssen, allein schon um Rede und Antwort bezüglich des Wahlchaos in Berlin zu stehen.“ Er könne sich nicht aus der Affäre ziehen, sagte Fresdorf – dies ergäbe sich aus der Aufsichtspflicht „Eine entsprechende Haltung wäre zu erwarten gewesen und nicht das Zurückweisen der Verantwortung“, sagte Fresdorf.

Der Bericht der Landeswahlleiterin, den der Bundeswahlleiter angefordert hatte, liegt indes noch nicht vor. Dies bestätigte eine Sprecherin des Bundeswahlleiters. Man könne auch noch nicht sagen, wann es soweit ist.

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