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Vor Gericht (Symbolbild).

© dpa

Prozessbeginn in Berlin: Syrien-Rückkehrer muss sich wegen Terrorverdachts verantworten

Gegen einen mutmaßlichen islamistischen Gotteskrieger hat am Montag der Prozess begonnen. Noch vor der Verlesung der Anklage vertagten die Richter den Prozess.

Murat S. sitzt hinter Panzerglas und wird streng bewacht. Der 41-Jährige ist einst als Hip-Hop-Musiker aufgetreten. Nun versteckt er sein Gesicht hinter einem Aktenordner. Der Familienvater aus Wedding muss sich seit Montag als mutmaßlicher islamistischer Gotteskrieger vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts verantworten – wegen Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Weit kamen die Juristen am ersten Tag aber nicht und vertagten sich.

Der vierfache Familienvater gilt als gefährlicher Syrien-Rückkehrer. Zwischen Mai 2013 und Juni 2014 soll Murat S. drei Mal für einige Monate dorthin begeben haben, um sich auf Seiten islamistisch-salafistischer Kräfte am Bürgerkrieg zu beteiligen. Aus Sicht der Anklage erhielt er in dem Land, in dem bereits seit Jahren blutiger Alltag herrscht, eine Ausbildung im Umgang mit Waffen und Handgranaten. Murat S. soll schließlich ein Sturmgewehr vom Typ Kalaschnikow und zeitweilig auch eine Handgranate bei sich getragen haben.

Im letzten August war der mutmaßliche Salafist den Ermittlungen zufolge nach Berlin zurückgekehrt. Seit 1993 lebt er in der Stadt - völlig unauffällig für lange Zeit. Doch seine Deutschkenntnisse sind so schlecht, dass für ihn im Prozess ein Dolmetscher übersetzt.

Gehörte er zu einer Gruppe, die von Berlin aus Muslime radikalisierte?

Der Angeklagte wirkte beeindruckt, als er die vielen Wachtmeister im Saal sah. Er hatte zuletzt einen Job als Bauhelfer in der Firma eines Bekannten. Auf einer Baustelle in Marienfelde wurde S. im September festgenommen. Auch sein damaliger Chef soll sich inzwischen in U-Haft befinden – seit einer Razzia in einer Moschee im Januar. Wie im Falle von S. geht es um mutmaßliche Hilfe für Terrormilizen.

Murat S. hatte sich einen Bart wachsen lassen, als er laut Anklage über seine türkische Heimat nach Syrien reiste. Er habe Soldaten und Repräsentanten staatlicher Strukturen töten wollen, sind die Ermittler überzeugt. Der gelernte Bäcker soll auch einige Verwandte in der Türkei aufgefordert haben, sich den Kämpfen anzuschließen. Sie sollen alles andere als begeistert gewesen sein.

Einen langen Bart hat der Angeklagte nicht. Der eher schmächtig wirkende Mann mit Brille saß geduckt im Saal B 129, als könnte von ihm niemals eine Gefahr ausgehen. Doch er soll sich bereits martialisch gezeigt haben. Videos sollen existieren, die ihn kriegerisch ausstaffiert zeigen. Auch solche Bilder sind Stützen der Anklage. 

Gehörte Murat S. zu einer Gruppe, die von Berlin aus Muslime radikalisierte? Ist er in Syrien von der Terror-Miliz Islamischer Staat als Kämpfer ausgebildet worden? Der 41-Jährige soll auch zum Bekanntenkreis des früheren Berliner Rappers Denis Cuspert alias Deso Dogg gehört haben. Dieser gilt inzwischen als einer der bekanntesten Islamisten Deutschlands. Er rief zu Straftaten auf und verherrlichte in einem Video Gräueltaten der IS-Terrororganisation, der er sich 2014 angeschlossen haben soll. Nach Cuspert wird seit 2012 gefahndet.

Sofort Kritik vom Verteidiger

Der Prozess gegen Murat S. ist für die Berliner Justiz der zweite, in dem es um mutmaßlich gefährliche Syrien-Rückkehrer geht. Seit einem halben Jahr läuft die Verhandlung gegen zwei 36- und 27-jährige Männer.  Sie sollen im Sommer 2013 nach Syrien gereist und bei der Dschihadistentruppe „Junud al Sham“ (Soldaten Syriens) eine paramilitärische Ausbildung absolviert haben. Fatih K., ältere Angeklagte – ein Berliner mit türkischen Wurzeln – soll sich mit einem Sturmgewehr bewaffnet auch an Kampfhandlungen gegen syrische Regierungstruppen beteiligt haben. Fatih K., ein siebenfacher Familienvater aus Kreuzberg, schweigt bislang.

Murat S. soll nach seiner Verhaftung gegenüber den Ermittlern den Terror-Vorwurf bestritten haben. Er habe Alten, Kindern und Kranken geholfen, sich aber nicht an Kämpfen beteiligt, soll er damals zu Protokoll gegeben haben. Eine ähnliche Aussage hatte der Mitangeklagte von Fatih K. gemacht.

Die Staatsschutzkammer bekam es sofort mit Kritik der Verteidiger zu tun. Die jetzige Besetzung des Gerichts sei zu kurzfristig mitgeteilt worden. Die Anwälte beantragten eine Woche Unterbrechung, um die Gerichtsbesetzung zu prüfen. Noch vor Verlesung der Anklage vertagten die Richter den Prozess zunächst auf Donnerstag.

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