zum Hauptinhalt
Der Angeklagte steht im Gerichtssaal zwischen seinen Anwälten.

© Paul Zinken/dpa

Prozess um SUV-Unfall mit vier Toten: Ärzte sollen Angeklagten mehrfach auf Fahrverbot hingewiesen haben

Nach dem schweren Unfall im September 2019 sagten vor Gericht nun die Ärzte des Angeklagten aus. Sie sollen ihn mehrfach vor dem Autofahren gewarnt haben.

Setzte sich der Unfallfahrer ans Steuer, obwohl er die Risiken bestens kannte? Wie eindringlich warnten ihn Ärzte vor dem Autofahren? Darum ging es am Mittwoch vor dem Berliner Landgericht. Dort saß erneut Unternehmer Michael M., der sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten muss. „Bereits in der Rettungsstelle wurde mündlich ein Fahrverbot ausgesprochen – erst einmal auf unbestimmte Zeit“, erklärte ein Arzt. Michael M. sei am Tag seines ersten epileptischen Anfalls die stationäre Aufnahme empfohlen worden. Er habe allerdings abgelehnt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 44-jährige damalige Fahrer eines Porsche Macan am 6. September 2019 am Steuer saß, obwohl er wegen einer strukturellen Epilepsie und einer nur einen Monat zurückliegenden Gehirnoperation nicht in der Lage gewesen sei, den SUV sicher zu führen.

Ärzte hätten ihn gewarnt, davon sind auch die Anwälte der Nebenkläger – neun Hinterbliebene – überzeugt. Ein möglicher weiterer epileptischer Anfall sei für den Angeklagten vorhersehbar gewesen.
Weil er einen Krampfanfall erlitten hatte, verlor der Fahrer laut Ermittlungen die Kontrolle über das Fahrzeug. Das fast zwei Tonnen schwere 400-PS-Auto preschte dann auf der Invalidenstraße in Mitte auf die Gegenfahrbahn. Der Wagen raste gegen Metallpoller und den Mast einer Ampel.

Das Auto überschlug sich daraufhin mehrfach. Es erfasste schließlich mit über 100 Kilometern in der Stunde vier Fußgänger – ein drei Jahre alter Junge, seine 64-jährige Großmutter sowie zwei 28- und 29-jährige Männer verstarben noch am Unfallort.

Der Angeklagte erhielt offenbar ein dreimonatiges Fahrverbot

Michael M. hatte nach eigenen Angaben sechs Monate zuvor erstmals einen epileptischen Anfall. Im Schlaf sei es geschehen, seine Ehefrau habe es beobachtet und den Notarzt gerufen. An jenem Morgen im Mai 2019 wurde er in die Charité eingeliefert. Man verschrieb ihm eine antiepileptische Medikation. Eigentlich erfolge eine stationäre Aufnahme zur Beobachtung und für weitere Untersuchungen, sagte am Mittwoch ein Arzt, der M. damals in der Rettungsstelle behandelte. M. habe das allerdings nicht gewünscht. Er sei dann am nächsten Tag in die Sprechstunde gekommen.

Es sei dem Patienten erklärt worden, dass die Medikation für drei Monate fortgesetzt werden müsse. Außerdem müsse M. mindestens drei Monate anfallsfrei sein, bevor er wieder Autofahren dürfe, steht Angaben zufolge in einem Arztbrief. Der junge Mediziner im Zeugenstand erklärte, aus seiner Sicht sei kommuniziert worden, dass nach drei Monaten der behandelnde Neurologe über ein mögliches Ausschleichen der Medikation und über die Fahrtauglichkeit des Patienten erneut entscheiden sollte.

Ein Monat nach dem ersten Anfall saß M. wieder am Steuer

Ein anderer Arzt soll nach dem tödlichen Unfall ausgesagt haben, der Patient habe in der Notaufnahme und auch im Gespräch am nächsten Tag „wirsch auf die Empfehlung des Fahrverbots reagiert“. Ein anderer Neurologe soll dem Unternehmer bei einer Begegnung wenige Tage vor dem Unfall noch nachgerufen habe, er möge daran denken, dass er nicht Autofahren dürfe. Nach einer Hirntumor-Operation gelte mindestens ein Jahr lang ein Fahrverbot.

Was ihm Mediziner erklärten, hielt Michael M. für eine Empfehlung. Entgegen ärztlichen Hinweisen saß er bereits einen Monat nach seinem ersten epileptischen Anfall wieder am Steuer. „Gelegentlich kürzere Strecken“ sei er gefahren, so der 44-Jährige im Prozess.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Er habe ein Medikament erhalten und gedacht: „Wenn es am Tage passiert, merkt man es und hat es unter Kontrolle.“ Anfang August 2019 wurde dann minimalinvasiv ein kleiner Hirntumor entfernt. Zu Prozessbeginn sagte Michael M., er sei sicher gewesen sein, dass er mit Medikamenten und der Operation alles getan habe, um einen zweiten Anfall auszuschließen. Demnächst sollen weitere Ärzte befragt werden. Die Verhandlung wird am Montag fortgesetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false