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Sie müssen sich wegen Mordes verantworten. Sie sollen im U-Bahnhof Schönleinstraße einen schlafenden Obdachlosen angezündet haben.

© Paul Zinken/dpa

Prozess um Angriff auf Obdachlosen: "Der Mann hätte qualvoll verbrennen können"

Im Dezember zündeten sie einen Obdachlosen in der Berliner U-Bahnstation Schönleinstraße an. Nun stehen sieben junge Flüchtlinge vor Gericht. Der Vorwurf an sechs von ihnen: Versuchter Mord.

Sieben junge Flüchtlinge nach Feuerattacke in der Heiligen Nacht vor Gericht. Die Anklage geht von einem Mordversuch aus. Einer der jungen Männer wischt sich die Augen, als die Anklage verlesen wird. Rotfleckig leuchtet das Gesicht des 21-Jährigen für diesen Moment. Nour N. gilt als Hauptangeklagter in dem Verfahren, das ganz Deutschland entsetzte. Er und fünf der sieben Mitangeklagten sollen versucht haben, einen schlafenden Obdachlosen anzuzünden. „Der Mann hätte qualvoll verbrennen können“, heißt es in der Anklage.

Eine Tat, heimtückisch und grausam. Der Medienandrang ist groß, als am Dienstag der Prozess vor einer Jugendstrafkammer beginnt. Nour N., Mohammad M., Khaled A., Syman S., Mohamad Al-J. und Baschar K. sitzen hinter Panzerglas, als Kameras auf sie gerichtet sind.

Später dürfen sie sich neben ihre Verteidiger setzen. Ernst und angespannt wirken die 16- bis 21-jährigen Angeklagten. Sie waren zwischen 2014 und 2016 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen – sechs geboren in Syrien, einer in Libyen, fünf als "alleinreisende Minderjährige".

Wie so oft bei großen Prozessen, sorgen Anträge der Verteidiger für einen schleppenden Start. Eine Besetzungsrüge weist die Jugendstrafkammer ab. Und im Falle von vier Angeklagten seien frühere Angaben bei der Polizei nicht zu verwerten, so das Gericht. Wegen einer Panne. Diese Jugendlichen seien über ihre Rechte – die Anwesenheit von Eltern oder einem Vormund bei einer Aussage – nicht ausreichend belehrt worden. Den Prozess dürfte das nicht ins Wanken bringen. Keiner der Angeklagten hatte sich geständig im Sinne der Anklage gezeigt. Nach dem Beschluss kündigen Anwälte auch dieser Männer Aussagen vor Gericht an. 

Alle Angeklagten waren in der Nacht zum ersten Weihnachtstag auf dem U-Bahnhof Schönleinstraße. Das ist unbestritten.

Unterlassene Hilfeleistung für siebten Angeklagten

Mehrere Videokameras sorgten für den klaren Beweis. Doch es sind tonlose Aufnahmen. Hatte die Gruppe tatsächlich spontan beschlossen, den auf einer Bank schlafenden Mann durch Flammen anzugreifen? Es war laut Ermittlungen Nour N., der gegen 02.02 Uhr ein Feuerzeug nahm. Er habe erst ein Stück Papier angezündet und unmittelbar neben den Kopf des Schlafenden gelegt, dann ein Taschentuch. Flammen drohten, auf B. überzugreifen. Die jungen Männer aber hätten sich Kapuzen übergezogen und seien in die nächste Bahn gesprungen – lautstark, feixend, amüsiert. Nur durch das beherzte Eingreifen von Fahrgästen einer einfahrenden U-Bahn wurde Schlimmeres verhindert.

Sie weckten den 37-Jährigen und löschten die Flammen. "Nur Sekunden später hätte es zu einem großen Feuer kommen können", sagt Staatsanwalt Martin Glage am Rande des Prozesses. Das gefährliche Szenario sei von Experten nachgestellt worden.

Heimtücke, Grausamkeit. Davon geht die Anklage aus. Sie hätten Maciej B. zwar nicht vorsätzlich umbringen wollen. Sechs der Angeklagten hätten aber "billigend in Kauf genommen", dass er selbst Feuer fangen und zu Tode kommen könnte. Dem siebten Angeklagten, einem 17-Jährigen, wird eine unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Was könnte die jungen Männer getrieben haben?

Am Freitag geht es weiter

Der Staatsanwalt sagt am Rande: "In der Heiligen Nacht waren kaum Geschäfte und Restaurants geöffnet. Ich nehme an, dass sie sich gelangweilt haben und auf dumme Gedanken gekommen sind." Was mit dem arglosen Mann geschieht, hätten sie dem Zufall überlassen.

Weil die Polizei schnell Bilder der Überwachungskameras veröffentlichte, war die Flucht der Gruppe kurz. Es kam zu Aussagen, in denen die Vorwürfe bestritten wurden. Am Freitag wollen sich die Angeklagten nun vor Gericht äußern. Für N. sagt einer seiner beiden Anwälte in die Mikrofone, es sei eine "Unterstellung", dass er eine Tötung billigend in Kauf genommen habe.

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