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Einschussloch in einer Haustür in der Stresemannstraße in Kreuzberg.

© Paul Zinken/dpa

Prozess mit Abou-Chaker-Bruder in Berlin: 13 Schüsse auf Clan-Männer – Angeklagter spricht von Notwehr

Im Streit um angebliche Pokerspiel-Schulden zog ein Italiener eine Waffe. Im Prozess wegen versuchten Mordes zeigen sich die Angeschossenen wenig auskunftsbereit.

Drei Männer aus dem Clan-Milieu sind Nebenkläger im Prozess nach einer Schießerei auf einem Kreuzberger Hinterhof vor achteinhalb Monaten. Für einen von ihnen, der als Zeuge unentschuldigt fehlte, gab es am Montag schlechte Nachrichten: Das Landgericht verhängte gegen einen Bruder von Clan-Chef Arafat Abou-Chaker ein Ordnungsgeld von 200 Euro oder ersatzweise vier Tage Ordnungshaft.

Auch von den weiteren Nebenklägern bekamen die Richter zunächst nichts zu hören. Der 41-jährige Abais C. aus einem anderen Clan machte Gebrauch von seinem Auskunftsverweigerungsrecht — es steht Zeugen zu, wenn sie sich selbst belasten könnten. Der dritte Nebenkläger ist der 39-jährige Veysel Kilic, der im kriminellen Milieu arabischer Großfamilien als „Mann fürs Grobe“ galt. Der Intensivstraftäter ist inzwischen in die Türkei abgeschoben worden. Es war Oliviero V., der die drei Clan-Männer niedergeschossen hatte. 13 Schüsse aus kurzer Distanz seien es gewesen, so die Anklage.

Wegen versuchten Mordes in drei Fällen, gefährlicher Köperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz muss sich der 30-Jährige verantworten. Er allerdings sieht sich als Opfer des Trios auf der Bank der Nebenkläger. Es tue ihm leid, dass er geschossen habe, so der Angeklagte. „Aber die drei Männer haben mir keine andere Wahl gelassen.“ Eine Notwehrlage schilderte der in Berlin lebende Italiener.

Die Schießerei am frühen Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages 2020 in der Stresemannstraße wurde von Überwachungskameras gefilmt. Ein Hinterhof mit einem illegalen Pokerkeller als Tatort. Hintergrund sollen angebliche Schulden aus einer früheren Pokerrunde gewesen sein. 4000 Euro habe ein Bruder von Arafat Abou-Chaker gefordert, so der Angeklagte. Es sei eine unberechtigte Forderung gewesen, betonte der Italiener.

Als beide am Boden lagen, habe Olivero V. noch zweimal auf sie gefeuert

Oliviero V. schilderte Szenen wie aus einem Mafia-Streifen. Mit zwei Freunden sei er zu der Spielhalle gefahren. Er habe im hinteren Bereich an Automaten gespielt, vorn hätten einige Leute am Pokertisch gesessen. Plötzlich sei ein Trio erschienen – nur der Mann aus dem Abou-Chaker-Clan sei ihm bekannt gewesen. Er habe mit einer Machete vor ihm gestanden, Geld gefordert. Veysel Kilic habe mit einer Schusswaffe gedroht, der dritte Mann mit Pfefferspray.

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Der Abou-Chaker-Mann soll nach Version des Italieners massiv gedroht haben – mit Ankündigungen wie „Du kommst in den Kofferraum. Wir werden dich misshandeln und dir die Hände abschneiden“. Oliviero V. will in Todesangst schließlich seine Waffe aus dem Hosenbund gezogen haben. Die Staatsanwaltschaft allerdings geht von Heimtücke aus. Die Schüsse erfolgten laut Anklage aus kurzer Distanz und zu einem Zeitpunkt, als der Abou-Chaker-Mann und Veysel Kilic dem Angeklagten den Rücken zugewandt hatten. Als beide bereits von Kugeln getroffen am Boden lagen, habe V. noch zweimal auf sie gefeuert.

[Lesen Sie hier mehr zum Fall Veysel K.: Warum war er auf freiem Fuß?]

Auf den flüchtenden Abais C. habe er viermal geschossen, so die Anklage. Die Männer wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Einer feuerte zurück und verletzte V.

Mit Veysel Kilic als Zeugen ist nun nicht zu rechnen. Das Gericht verlas die letzten Eintragungen in seiner dicken Ausländerakte - Seiten 1105 bis 1107. Abschiebung des Türken am 12. März 2021. "Wir haben keine ladungsfähige Anschrift im In- oder Ausland", so das Gericht. Im Falle des Zeugen Abou Chaker werde man abwarten, ob noch ein ärztliches Attest eingeht. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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