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Laut Anklage soll der101-Jährige Mann zwischen 1942 und 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen Hilfe zur Ermordung von Lagerinsassen geleistet haben.

© Fabian Sommer/dpa

Prozess in Brandenburg/Havel: Überlebender von KZ-Sachsenhausen schildert unmenschlichen Lageralltag

Ein 98-jähriger Franzose hat vor Gericht die grausamen Umstände im KZ Sachsenhausen geschildert. Angeklagt ist ein 101-Jähriger.

Im Prozess gegen einen mutmaßlichen ehemaligen SS-Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen hat ein Überlebender aus Frankreich den unmenschlichen Lageralltag geschildert. Der 98-jährige Marcel Suillerot aus der Nähe von Dijon schilderte am Freitag dem Gericht in einer Videovernehmung, dass er im Jahr 1943 als 20-Jähriger mit vielen weiteren französischen Gefangenen in das KZ gekommen sei, nachdem er in Frankreich Flugblätter gegen die deutschen Besatzer verteilt habe. "Die SS-Männer sagten uns: "Ihr geht durch das Tor in das Lager hinein und durch den Schornstein wieder hinaus", sagte der 98-Jährige.

Suillerot berichtete, dass er anfangs gemeinsam mit anderen Häftlingen Zementsäcke schleppen musste. "Wer einen Sack fallen ließ, wurde wegen Sabotage von den Wachleuten tot geschlagen", sagte der 98-Jährige. Bei stundenlangen Appellen in extremer Kälte seien Kameraden erfroren. In den Baracken hätten sehr schlechte hygienische Bedingungen geherrscht. Wegen geringer Anlässe seien Mithäftlinge grausam misshandelt und erhängt worden, berichtete der Überlebende.

Im April 1945 wurde Suillerot mit Tausenden anderen Häftlingen von der SS auf den Todesmarsch in Richtung Norden geschickt. Wer nicht mehr weiterlaufen konnte, sei von den Wachleuten getötet worden. Von 32.000 Häftlingen hätten nur 18.000 den Marsch überlebt, sagte der 98-Jährige. In der Nähe von Schwerin seien die Überlebenden von sowjetischen Soldaten befreit worden. 

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In dem Prozess vor dem Landgericht Neuruppin ist ein 101-Jähriger aus Brandenburg/Havel angeklagt, als damaliger Wachmann in dem KZ von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an mindestens 3518 Häftlingen geleistet zu haben. Das Verfahren wird aus organisatorischen Gründen in einer Sporthalle in Brandenburg/Havel geführt.

Die Tätigkeit des SS-Wachmanns ist durch Dokumente belegt

Der Angeklagte hat in dem Verfahren bislang bestritten, überhaupt in dem Lager gewesen zu sein. Die Tätigkeit eines SS-Wachmanns mit seinem Namen, Geburtsdatum und Geburtsort ist aber durch zahlreiche Dokumente belegt. Auch seine Mutter und sein Vater hatten in Briefen an deutsche Behörden angegeben, dass ihr Sohn bei der SS in Oranienburg diene.

Der seit Oktober laufende Prozess steuert nach Angaben von Gerichtssprecherin Iris le Claire auf einen Abschluss zu. Die Beweisaufnahme könne möglicherweise in der kommenden Woche abgeschlossen werden. In diesem Fall könnten am 24. März die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und den fünf Nebenkläger-Vertretern beginnen. Ein Urteil sei dann im April zu erwarten. (dpa)

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