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Das Landgericht Potsdam muss erneut prüfen, ob bei Silvio S. ein Hang zur Begehung weiterer schwerer Straftaten vorliegt.

© Ralf Hirschberger/dpa

Prozess gegen Kindermörder in Potsdam: Ankläger von Silvio S. gehen in die Offensive

Im zweiten Prozess gegen Silvio S. sollen weitere Zeugen beweisen, dass der Kindermörder gefährlich ist. Dieser äußert sich zu seinen Taten weiterhin nicht.

Der Prozess gegen den Kindermörder Silvio S. wird länger dauern als eigentlich geplant. Grund sind am Freitag gestellte Beweisanträge der Nebenkläger und von Staatsanwalt Peter Petersen, die damit nachweisen wollen, dass der Mörder des sechsjährigen Elias aus Potsdam und des vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed aus Berlin einen sogenannten Hang zur Begehung weiterer Straftaten besitzt – und er deswegen zum Schutz der Allgemeinheit auch nach der Haft nicht auf freien Fuß kommen soll.

Diesen Beweisanträgen gab Richter Klaus Feldmann am Freitag teilweise statt, was nun mindestens einen weiterer Verhandlungstag nötig macht.

Demnach soll am kommenden Freitag, an dem eigentlich das Urteil gesprochen werden sollte, noch eine an den damaligen Ermittlungen beteiligte Kriminalkommissarin gehört werden. Sie soll unter anderem noch einmal erklären, wie sich S. ab 2014 zum Zwecke der sexuellen Stimulanz mit einer Kinderpuppe filmte, nachdem er zuvor schon immer mehr Kinderkleidung und Sadomaso- sowie Fessel-Utensilien bei Ebay ersteigert hatte. Mit ihrem Vorgehen will die Kläger-Seite belegen, dass S. zu weiteren Kindesentführungen bereit wäre. Die Verteidiger von S. hatten den Antrag abgelehnt.

Ferner stellten die Ankläger am Freitag kurz vor Verhandlungsende noch einen weiteren Beweisantrag, über den das Gericht nächste Woche entscheiden will. So sollen die Krankenakten von S. aus dem Gefängnis im Prozess einbezogen werden. Nebenklage-Anwalt Khubaib-Ali Mohammed begründete das mit einem Detail aus dem Befund des psychologischen Gutachters Matthias Lammel.

Demnach habe S. nach seiner Festnahme 2015 sein andauerndes Schweigen über die Taten an einer Stelle gebrochen und erklärt, vor den beiden Morden hätten die Kinder jeweils von sich aus den Kontakt zu ihm gesucht – er selbst sei dafür zu schüchtern gewesen.

Er habe "einfach nicht aufhören können" soll S. gesagt haben

Am 8. Juli 2015 hatte er Elias im Wohngebiet am Schlaatz in seine Gewalt gebracht, später missbraucht und getötet und in seinem Kleingarten in Luckenwalde vergraben. Den vierjährigen Mohamed nahm S. am 1. Oktober 2015 vom Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales mit. Er fuhr mit dem bosnischen Flüchtlingsjungen zu seiner Wohnung im Obergeschoss seines Elternhauses im Dörfchen Kaltenborn bei Jüterbog, missbrauchte ihn dort und filmte dies auch noch. Später tötete er auch ihn.

Im Prozess hatte S. dazu geschwiegen. Allerdings soll er laut dem Lammel-Gutachten nach der Festnahme auch gesagt habe, die Entwicklung bei den Taten sei „fast zwangsläufig verlaufen“, wie auch bereits das Magazin „Der Stern“ aus dem Gutachten zitiert hat. So habe S. dem Vergleich mit „einer Lawine“ zugestimmt, die „die sich langsam löst und dann immer unbeherrschbarer wird“.

Dem Unrecht seiner Handlungen sei er sich immer bewusst gewesen, zitierte Nebenkläger Mohammed aus dem Gutachten. S. soll demnach gesagt haben, er habe „dann einfach nicht aufhören können.“

S. habe keinen "Hang" solche Taten zu wiederhohlen

Auch die damals anwesenden Mitarbeiter müssten gegebenenfalls noch einmal befragt werden, forderte der Nebenkläger – um eben zu klären, ob ein krimineller Hang vorliegt. Im ersten Prozess 2016 hatte das Landgericht bei Silvio S. zwar die strafverschärfende besondere Schwere der Schuld festgestellt, sich allerdings gegen eine anschließende Sicherungsverwahrung ausgesprochen.

Der Richter folgte zum damaligen Zeitpunkt dem Lammel-Gutachten, wonach Silvio S. kein „Hang“ nachzuweisen sei, solche Taten zu wiederholen. Gegen das Urteil von 2016 legte Staatsanwalt Petersen, der S. im Prozess eine „Bestie in Menschengestalt“ genannt hatte, jedoch Revision ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil dann auch teilweise auf : So habe das Landgericht etwa die rasche Folge der beiden Morde nicht ausreichend gewichtet.

Für die Hinterbliebenen ist der erneute Prozess eine Belastung

Das Thema Rückfallgefahr ist also der Dreh- und Angelpunkt: Die dafür nötige Analyse wird aber dadurch erschwert, dass sich S. – wie auch im ersten Prozess – nicht zu seinen Taten äußert. Zum Prozessauftakt am Freitag vor einer Woche hatte gleichwohl ein Psychologe der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg/Havel ausgesagt und die aktuelle Rückfallgefahr von S. als hoch eingestuft. Allerdings hat S. auch schon eine Therapie begonnen.

Für die Hinterbliebenen der getöteten Kinder ist der erneute Prozess eine besondere Belastung. So war am ersten Verhandlungstag bereits bekannt geworden, dass der Mutter von Mohamed das Sorgerecht für ihre anderen Kinder entzogen worden ist, weil sie unter Angstzuständen leidet. Die Mutter von Elias, die selbst den Prozess nicht besucht und umgezogen ist, hat derweil dem Sender RTL ein Interview gegeben.

Darin sagte sie, sie wolle nicht verzweifeln, den Mörder „nicht gewinnen lassen“. Vielmehr wolle sie ihren Sohn in guter Erinnerung bewahren und ihn nicht mit Trauer oder Leid verbinden, zitiert sie der Sender: „Elias ist viel mehr damit geehrt, wenn man gut an ihn denkt und freudige Erinnerungen hat und lächelt, als wenn man nur traurig ist und leidet.“

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