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Georgine Krüger ist seit fast 13 Jahren vermisst.

© Polizei Berlin/dpa

Prozess am Berliner Landgericht: Georgines Mutter tritt dem Angeklagten gegenüber

Fast 13 Jahre nach dem Verschwinden ihrer Tochter sagte Vesna Krüger im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder ihres Kindes aus.

Sie sah kurz zu dem Mann auf der Anklagebank hinter Panzerglas, atmete tief durch und begann leise. „Es war ein Schock, ich habe sie gesucht.“ Ihre Tochter Georgine blieb verschwunden. Nach fast 13 Jahren, in denen sie zwischen Hoffnung und Verzweiflung lebte, sagte die 55-jährige Mutter am Freitag im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder ihres damals 14 Jahre alten Kindes aus. Bedrückt, aber gefasst.

Georgine Krüger verschwand an einem Montag. „Den Sonntag zuvor haben wir noch gemeinsam verbracht“, schilderte die Mutter vor dem Landgericht. Ihre Tochter sei guter Stimmung gewesen. Auch, weil sie von einer Casting-Agentur eine Einladung bekommen habe.

Dann aber der Albtraum. „Als ich von der Spätschicht kam, erfuhr ich von meiner Mutter, dass Georgine von der Schule nicht nach Hause gekommen war.“ Sie habe Lehrer, Freunde, Bekannte ihrer Tochter angerufen. „Die ganze Nacht saßen wir da und warteten voller Sorge.“ Am Morgen gingen sie und ihr Sohn zur Polizei und meldeten Georgine als vermisst.

Die Ermittlungen ergaben: Das Mädchen stieg am 25. September 2006 um 13.50 Uhr in Moabit aus dem Bus. Um 14.06 Uhr wurde das Handy von Georgine Krüger ausgeschaltet. Nicht weit von ihrem Wohnhaus entfernt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie Opfer eines Mannes aus der Nachbarschaft wurde.

Der 44-jährige Ali K. soll die gutaussehende Schülerin unter dem Vorwand, er benötige Hilfe beim Tragen von Tüten, in den Keller seiner Wohnung in der Stendaler Straße gelockt haben. Mit einem Metallgegenstand habe er das Mädchen geschlagen, es vergewaltigt und aus Angst vor einer Anzeige erwürgt. Die Leiche wurde nie gefunden.

„Ein Teenager, ganz normal“

Die Mutter hat die Hoffnung, dass ihre Tochter lebt und wiederkommt, nicht aufgegeben. Nachdem Suchaktionen ohne Erfolg blieben, hielt sie kontinuierlich Kontakt zur Polizei. Was ihr an Informationen zugetragen wurde, gab sie weiter. Gab es einen sachlichen Grund, der das Gefühl, Georgine lebt irgendwo, trägt? „Nein“, sagte die Mutter leise und erschöpft.

Die Familie lebt in einem schwer zu ertragenden Ausnahmezustand. „Durch den Schock bin ich krank geworden, körperlich und psychisch“, schilderte die Mutter. Auch ihr Sohn habe sich stark verändert. „Auch er ist seelisch kaputt.“ Die Großmutter habe sich zurückgezogen. Nichts sei mehr, wie es war. Wie die Mutter sind der heute 35-jährige Halbbruder von Georgine sowie ihre jüngere Halbschwester als Nebenkläger am Prozess beteiligt.

Wie war Georgine damals? Die Mutter überlebte. „Ein Teenager, ganz normal.“ Ob es familiäre Auseinandersetzungen gegeben habe? „Es gab natürlich Reibereien. Wie überall.“ Die Art, wie sich Georgine kleidete, habe ihr als Mutter nicht immer gefallen. Auch mit manchen Vorstellungen und Träumen ihrer Tochter sei sie nicht so glücklich gewesen. „Sie wollte Model oder Schauspielerin werde.“

„Sie sagten, dass sie tot ist, dass es jetzt feststehe“

Bereits bei der Befragung des 35-jährigen Halbbruders hatten die Anwälte von K. in ihren Fragen die teilweise nicht einfachen Familienverhältnisse angesprochen. So soll Georgine einem Jugendamtsbericht zufolge im Jahr 2005 um Hilfe gebeten und ein ständiges Schreien zu Hause beklagt haben.

Die Mutter sagte nun, dass die mit im Haushalt lebende Großmutter oft eine „andere Auffassung von Erziehung hatte“. Sie als Mutter habe zu Georgine ein gutes Verhältnis gehabt. Ihre Tochter sei „mal fröhlich, mal auch bedrückt“ gewesen. „Wie ein Teenager eben.“ Einen Grund für ein Weglaufen habe es nicht gegeben.

Am 4. Dezember 2018 kam erneut die Polizei. Mit einem Psychologen. „Sie sagten, dass sie tot ist, dass es jetzt feststehe“, schilderte die Mutter. „Es war ein Schock.“ Ali K. kenne sie nur vom Sehen. Ob sie den Mann für den Täter hält, sagte die Frau nicht.

Ali K. schweigt

Es ist ein schwieriger Indizienprozess. Erst 2016 war K. im Fall Georgine unter Verdacht geraten. Eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung einer Jugendlichen in seinem Keller und Hinweise, dass er sich auch weiteren Mädchen genähert habe, brachte die Mordermittler auf seine Spur.

Funkzellenauswertungen und verdeckte Ermittlungen erhärteten den Verdacht. Gegenüber einem V-Mann, der angeblich einen Killer für eine Frau suchte, soll Ali K. detailliert die Ermordung der Schülerin geschildert haben. Die Leiche habe er im Müllcontainer „entsorgt“, das Handy des Mädchens die Toilette hinuntergespült.

Der Keller als mutmaßlicher Tatort wurde unter die Lupe genommen. Doch es wurde kein objektiver Beweis gefunden – kein Haar, keine Faserspuren, sagte ein Hauptkommissar als Zeuge. Ali K. hatte nach seiner Festnahme im Dezember 2018 bestritten. Im Prozess schweigt er. Die Verhandlung geht am 14. August weiter.

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