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Pumpak soll gerettet werden: Tausende haben bereits eine Online-Petition unterschrieben.

© Lupus Institut

Proteste in Brandenburg: Der Wolf "Pumpak" soll getötet werden

An der Grenze zu Brandenburg kommt ein Tier den Menschen zu nahe. Deshalb soll der Wolf zum Abschuss freigegeben werden - obwohl er wohl Vegetarier ist. Naturschützer sind empört.

Von Sandra Dassler

In Polen haben sie dem jungen Wolf den Namen Pumpak gegeben. Seit einigen Monaten humpelt er – manchmal sogar am helllichten Tag – durch sächsische Dörfer unweit der Landesgrenze zu Brandenburg. Der Rüde zeigt wenig Scheu vor Menschen und kommt ziemlich nah an Häuser heran. Auf den Grundstücken wühlt er in Komposthaufen und soll sogar Äpfel fressen. Das alles wird ihm jetzt zum Verhängnis.

Am Donnerstag teilte das sächsische Umweltministerium mit, dass Pumpak erschossen wird. Von einem Jäger waidgerecht getötet oder - wie es im Behördendeutsch heißt: "letal aus der Natur entnommen". Das Landratsamt Görlitz erteilte für die Aktion eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung, denn Wölfe sind in Deutschland normalerweise streng geschützt. Ein Tier darf nur getötet werden, wenn von ihm eine Gefahr für Menschen ausgeht oder ein großer wirtschaftlicher Schaden zu erwarten ist.

Wolf wurde als Welpe angefüttert

Ob das auf Pumpak zutrifft, ist umstritten. Tierfreunde und Naturschützer sind empört. Denn der aus dem Rudel Ruszow im nahegelegenen Polen stammende Jungwolf hat bislang weder ein Huhn noch ein Lamm gerissen und auch keinen Menschen bedroht. Pumpak bedeutet so viel wie "der Fette", die polnischen Wolfs-Experten gehen davon aus, dass er als Welpe von einem Menschen angefüttert wurde und so die Scheu verlor.

Deshalb verhält er sich nicht wie ein wildes Tier und lässt sich auch nicht von Hundegebell vertreiben. Immerhin hat er bislang direkte Begegnungen mit den Dörflern vermieden. Die sind nicht gerade glücklich über den grauen Dauergast, der bereits im Juni letzten Jahres die Schwarte eines frisch erlegten Wildschweins von einem Grundstück in den nahe gelegenen Wald schleppte.

In Brandenburg gibt es die meisten Rudel

"Wölfe sind wie fast alle Wildtiere Nahrungsopportunisten", sagt der Sprecher des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, Jens-Uwe Schade. Zwar wechselt der im Mai 2015 geborene Pumpak bislang nur zwischen Polen und Sachsen, er könnte aber auch nach Brandenburg kommen. Schließlich gibt es hier ohnehin schon die meisten Wolfsrudel – etwa 22 von deutschlandweit 46, in Sachsen sind es 15. Kein Wunder, dass auch Sprecher Schade in den vergangenen Jahren in Sachen Wölfe einiges hinzulernen musste: "Am Anfang hieß es, Wölfe seien so scheu, dass es kaum zu Begegnungen mit Menschen kommen würde", sagt er. "Aber wir hatten ja gerade erst vor Weihnachten auch einen sogenannten Problemwolf in der Nähe von Rathenow. Der wurde sogar auf dem Gelände einer Kindertagesstätte gesichtet – allerdings hielt sich da kein Kind draußen auf."

Im Fall des Rathenower Wolfs war daher auch eine Sondergenehmigung erteilt worden, allerdings wollte man vor der Tötung versuchen, ihn anders zu vertreiben – "vergrämen" heißt das im Fachjargon. Er verschwand allerdings von allein, während "Problemwolf Kurti", auch MT6 genannt, im Mai letzten Jahres in Niedersachsen getötet wurde, weil er sich ebenfalls immer wieder ohne Scheu Menschen genähert hatte.

143 Schafe wurden 2016 gerissen

Das blieben bislang aber absolute Ausnahmefälle, denn natürlich ernähren sich die meisten Wölfe von Tieren. 2016 wurden 128 Nutztierrisse über die sogenante Risshotline des Landes Brandenburg gemeldet: 143 Schafe, 19 Kälber, 12 Stück Damwild in Gattern und eine Ziege fielen den Wölfen zum Opfer.

Man sei dabei, das Wolfsmanagement weiterzuentwickeln, sagt Ministeriumssprecher Schade. Dazu gehört möglicherweise auch eine genauere Definition von "Problemwölfen". Bei Pumpak sei das durchaus fraglich, meint Markus Bathen, der für den Nabu-Bundesverband das Wolfsbüro in Spremberg unweit von Rietschen leitet. „Bislang gibt es keine Hinweise, dass der Wolf sich direkt Menschen genähert hat. Jedenfalls nicht im sicherheitsrelevanten Bereich.“

In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisierten die Naturschutzverbände IFAW, Nabu und WWF am Freitag die Abschussfreigabe aufs Schärfste. Sie sprechen von einer "politisch motivierten" Entscheidung, der es an jeder naturschutzfachlichen Grundlage mangele und prüfen rechtliche Schritte dagegen. Frank Meyer vom sächsischen Landwirtschaftsministerium verteidigt die Entscheidung: "Der Wolf kommt auf die Grundstücke und sucht nach Futter. Wir können nicht ausschließen, dass er früher oder später auf Menschen trifft, die sich vielleicht nicht so zurückhaltend verhalten wie er das gewohnt ist – Kinder etwa. Dann kann es zu einer Eskalation kommen, das muss verhindert werden."

Pumpak in ein Tiergehege zu geben, sei schwierig, sagen Experten. Dort würde er wahrscheinlich eingehen, weil er an Freiheit gewöhnt ist. Ein Zusammenleben mit anderen Wölfen in einem Tierpark sei auch unmöglich, sie würden ihn nicht akzeptieren und verbeißen, sprich: töten.

Soll man das Tier quälen?

Bliebe noch, Pumpak die Zutraulichkeit zu Menschen auszutreiben und ihn zu überwachen. Das könne man tun, in dem man ihn mit einem Sender versieht und noch ein wenig quält, also ihn beispielsweise mit Gummikugeln beschießt. Ob er dann Abstand zu den Menschen hält, ob ein einmalig schlechtes Erlebnis ausreicht, sei allerdings auch fraglich.

So kamen die Behörden zu dem Schluss, dass der Abschuss die "am wenigsten quälende Methode" für Pumpak ist. Kritiker fragen sich allerdings, warum das Landratsamt vor der Abschussgenehmigung nicht die Meinung des im vergangenen Jahr gegründeten "Kompetenzzentrums Wolf" in Görlitz erfragt hat.

Schuld sind unvernünftige Menschen

Auch für Ilka Reinhardt vom Lupus Institut für Wolfsmonitoring und -forschung ist die aktuelle Entwicklung mehr als tragisch. "Normalerweise interessieren sich Wildtiere nicht für Menschen", sagt sie. "Wenn es doch vorkommt, liegt dem immer ein Fehlverhalten der Menschen zugrunde. Viele begreifen das nicht, füttern in Berlin die Wildschweine und anderswo eben manchmal Wölfe. Aber den Tieren tun sie damit jedenfalls definitiv nichts Gutes."

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