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Gar nicht sonnenklar. 1951 wurde die FDJ in Westdeutschland verboten. Die FDJ Ost ist laut Einigungsvertrag von 1990 eine legale Organisation. Was für ein Symbol trägt nun dieser Mann, ein verbotenes oder ein legales? Im Fall einer Ostalgiepartie wäre das ganz egal, bei einer politischen Kundgebung nicht. Über so etwas müssen sich dann Gerichte den Kopf zerbrechen. Foto: dpa/Paul Zinken

© dpa

Protest in FDJ-Kleidung: Geschmacklos, aber unschuldig

Am Mauergedenktag 2012 demonstrierten zwei Männer in FDJ-Hemden, am Dienstag wurden Sie vor Gericht freigesprochen. Die Frage, ob sie Symbole einer verbotenen Organisation getragen hatten, gestaltete sich kompliziert.

Von David Ensikat

„Geschmacklosigkeit ist kein Straftatbestand“, das war wohl der entscheidende Satz dieser drei Stunden am Amtsgericht zu Moabit. Er fiel zum Schluss, und wie es sich für einen guten Prozess gehört, sprach ihn der Richter.

Freigesprochen wurden zwei Männer, die man schon länger nicht mehr als Jugendliche bezeichnen kann, die aber Wert darauf legen, einem Jugendverband anzugehören, der „Freien Deutschen Jugend“. Wie berichtet, trugen sie am 13. August 2012 ihre blauen Hemden mit dem FDJ-Emblem und ein Transparent mit dem Losungsreim „Erst DDR kassieren – Heute Europa diktieren – Morgen gegen die Welt marschieren“. Da sie wussten, dass man ihnen anderswo kaum Aufmerksamkeit schenken würde, taten sie das am Rand der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Mauerbaus. Es wurde Strafbefehl erlassen, nicht weil sie provozierten, sondern weil sie mit dem FDJ-Emblem angeblich das Symbol einer verfassungsfeindlichen Organisation trugen und mit ihrer Uniformierung gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hätten.

Debatte über Unwichtigkeiten

Am Dienstag war der zweite Prozesstag, und es ging noch einmal um die verquere Frage, ob die zwei das Symbol der (1951 verbotenen) West-FDJ trugen oder das identische der (nach wie vor legalen) Ost-FDJ. Beide Angeklagten leben in West-Deutschland, standen jedoch zum Tatzeitpunkt auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Über derlei Unwichtigkeiten wurde debattiert, und dem Richter war das am Ende ganz egal. Er fand, dass man bei dem Symbol in aller Regel auf die DDR-FDJ rückschließe, womit zum einen die Geschmacklosigkeit der Aktion an diesem Tag an diesem Ort begründet sei. Zum anderen heißt das: Es war das Symbol einer nicht verbotenen Organisation.

Dass es der verbotenen gleicht, mache die Angelegenheit nun kompliziert, sagte der Richter, und wenn man dem Gesetz buchstabengenau folgt, könne man zu einer Verurteilung kommen. Der Staatsanwalt hatte Geldstrafen gefordert: 1200 Euro für den einen, 1400 für den anderen Angeklagten.

Es gebe aber Situationen, in denen hiervon abzuweichen sei, „Sozialadäquanz“ ist der juristische Terminus; danach können eigentlich strafbare Handlungen, die sich „innerhalb der üblichen, geschichtlich entwickelten Ordnung“ abspielen, straflos bleiben.

Staatsanwalt gesteht Angeklagten edle Motive zu

Der Staatsanwalt war hier natürlich ganz anderer Ansicht. Er sprach weder von Provokation, noch von Geschmacklosigkeit, er gestand den Angeklagten sogar edle Motive zu: einen friedlichen Protest gegen Kriegspolitik. Aber wenn nach dem Gesetz das Emblem verboten sei, dann müssen man dem folgen, ganz egal, wie das Gesetz zustande kam und egal, wie man das heute sieht. Außerdem, fand er, solle man die Angeklagten verurteilen, weil bei ihnen kein bisschen Reue festzustellen sei. Der ältere der beiden, ein grauhaariger Bayer, saß ihm im FDJ-Hemd gegenüber.

Der Richter, Andreas Rische mit einem Ring im linken Ohr, lächelte mild, sprach die nicht mehr Jugendlichen frei und fand, dass man die Sache mit der FDJ vielleicht einmal ein höheres Gericht entscheiden lassen sollte.

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