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Blick in den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Protest gegen Rodungspläne in Prenzlauer Berg: Anwohner wollen Bäume im Jahn-Sportpark retten

Der Senat will den Jahn-Park umbauen und für den Sport hunderte Bäume fällen. Anwohner protestieren und verweisen auf die historische Erholungsfunktion.

Von Christian Hönicke

Anwohner in Prenzlauer Berg und Mitte protestieren gegen die Rodungspläne des Senats im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Beim Umbau der Anlage ist vorgesehen, „240 Bäume zu entfernen“ – so steht es in der gültigen Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2014 vor, die derzeit aktualisiert wird.

Viele Kommentatoren auf der offiziellen Beteiligungsplattform kritisieren die Abholzungspläne, da Anwohner die Grünanlage nicht nur zum Sport, sondern auch zur Erholung nutzen würden. Inzwischen wurden auch die Viertel rund um den Sportpark mit Protestaufrufen plakatiert. Sie verweisen auf eine Online-Petition mit dem Ziel, die Fällung zu verhindern.

Auf seiner Facebook-Seite ruft auch der Schriftsteller Wladimir Kaminer dazu auf, die Petition zum Erhalt der Bäume zu unterstützen: „Bei uns wird der Sportpark zu einem riesigen Event Ort umgebaut, hunderte von Bäumen müssen gefällt werden“, schreibt er dort. „Die Stadtverwaltung weiß nicht Bescheid, dass man so etwas nicht tut. Menschen aus aller Welt, unterstützt diese Petition.“

Zwar sollen die Fällungen „1:1 mit Neupflanzungen“ ersetzt werden, wie es in der Machbarkeitsstudie heißt. Doch Anwohner verweisen auf den Bestand vieler großer und alter Bäume und fürchten, eine Fällung würde den Parkcharakter zerstören. Die Frage, ob das Gelände ein reiner Sportpark ist oder auch ein Erholungspark, ist dabei der Kern des Streits.

Die Sicht der Senatssportverwaltung ist klar. „Beim Jahn-Sportpark geht es um die Entwicklung und Modernisierung einer zentralen Sportanlage in unserer Stadt; und nicht eines (Freizeit- und Erholungs-) Parks im Sinne einer reinen Grünfläche“, teilt ein Sprecher der Sportverwaltung auf Nachfrage mit. Um die Bedarfe des Sports zu decken, soll eine „größtmögliche Verdichtung“ erfolgen – in mehreren Bauabschnitten ab 2021 für insgesamt 195 Millionen Euro.

Unter anderem sind ein Turmhallenturm und ein Parkhaus geplant

Neben einem Stadionneubau sind auch Verwaltungs- und Bürogebäude für Verbände und Vereine, ein 30 Meter hoher Turnhallenturm und ein Autoparkhaus geplant. Dafür sollen Bäume weichen und Wiesen bebaut werden. Der Einordnung als reiner Sportpark wiederspricht allerdings das Ansinnen der Sport- und Innenverwaltung, auch noch ein neues Dienstgebäude für die Polizei auf dem Gelände unterzubringen.

„Der Sportpark war niemals nur eine Sportanlage, sondern schon immer auch eine Parkanlage“, sagt Holger Siemann. Der Berliner Schriftsteller hat umfangreiche Recherchen zur Geschichte des Geländes angestellt. Die Doppelfunktion aus Sport und Erholung sei von Beginn an offiziell gewollt gewesen: Der Berliner Magistrat habe den ehemaligen Militär-Exerzierplatz 1912 explizit mit dem Ansinnen gekauft, den Grünmangel im Norden Berlins zu beheben.

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Bei der Planung der Umgestaltung des „Exers“ sollten in der Tat Sport, Gesundheit und Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung unter einen Hut gebracht werden. Der Stadtgartendirektor Brodersen konzipierte daher einen „Sport-Park“, in dem Besucher nicht nur Sport treiben, sondern im Grünen wandern konnten – unter Pappeln und Platanen wie in einem langgestreckten Wald entlang der Sportstätten und Stadien.

Es wurden eine große Volks- und Spielwiese, öffentliche Plätze für Sport- und Turnverbände sowie Erholungs-, Spiel- und Betätigungsflächen für die Anwohner angelegt. Auf den Wiesen fanden auch sportferne Veranstaltungen statt, darunter Sonnenwendfeiern und Feiern des Bezirksamts. Auch für den Nachwuchs erfüllte das Gelände eine wichtige Funktion, bis zum Ende der DDR gingen Kiezkinder noch „auf’m Exer“ spielen.

Bei der nun angedachten Umgestaltung des Sportparks ließ die federführende Senatssportverwaltung diese Mehrfachfunktion weitgehend außer Acht. Man konzentrierte sich auf die Sportnutzung und fragte entsprechende Bedarfe bei Sportvereinen und -verbänden ab, dazu konnten die Bezirksämter Pankow und Mitte und andere Senatsverwaltungen Wünsche äußern.

Anwohner fürchten, dass ihre Wünsche aus Zeitmangel nicht berücksichtigt werden

Obwohl die umfangreichen Umbaupläne bereits seit 2014 offiziell schriftlich existieren, beteiligte die Sportverwaltung die Bürger erst im Februar dieses Jahres mit einem eilig durchgeführten Online-Befragung und der Information weniger Anwohnerinitiativen.

Der Hintergrund: Eine Anwohnerbeteiligung ist für einen Bebauungsplan zwingend notwendig. Den braucht die Senatsverwaltung, um das alte Stadion ab Ende 2020 abzureißen und den geplanten Neubau für 120 Millionen Euro rechtssicher zu errichten. Dafür muss das Abgeordnetenhaus die Mittel freigeben – und diesem soll dafür die aktualisierte Machbarkeitsstudie zum gesamten Sportpark im Juni 2020 vorgelegt werden.

Anwohner sehen die inzwischen abgeschlossene Beteiligung daher als Alibiveranstaltung und fürchten, dass ihre Wünsche schon aus Zeitmangel nicht berücksichtigt werden. Ein Indiz dafür ist, dass die neue Machbarkeitsstudie demnächst von einem Planungsgremium beschlossen werden soll. Darin sind diverse Senatsverwaltungen, die Bezirksämter, der Landessportbund (LSB) und weitere Sportverbände vertreten – nicht jedoch Vertreter der Zivilgesellschaft.

Anwohner Alexander Puell vom Verein „Freunde des Mauerparks“ kritisiert die ungenügende Beteiligung der Anwohner. Die Planung für dieses so bedeutende Areal mitten in Berlin dürfe nicht per „Hinterzimmerpolitik“ durch Verwaltungen und Verbände erfolgen.

Kaminer: „Park ohne Bäume ist wie Berliner ohne Schnauze“

Sport und Verwaltung bemühen sich nun, den Eindruck zu entkräften, man würde die Anwohner übergehen. LSB-Präsident Thomas Härtel bezeichnet den Jahn-Sportpark als „Ort der Bewegung für alle“ und die Umbaupläne als „Bereicherung für den Kiez und für die Sportmetropole Berlin insgesamt“.

Und die Sportverwaltung versucht, die Baumliebhaber zu beschwichtigen. „Der Baumbestand auf der Anlage ist von zentraler Bedeutung“, teilt ein Verwaltungssprecher auf Nachfrage mit. Ein ökologisches Gutachten werde derzeit erstellt. Die Zahl von bis zu 240 Fällungen dementierte die Verwaltung auf Nachfrage jedoch nicht.

Die Rodung ihres Sport-Parks wollen viele Anwohner nicht einfach hinnehmen. „Die Bäume, nicht die Events sind die Visitenkarte des Parks“, schreibt Wladimir Kaminer. „Park ohne Bäume ist wie Berliner ohne Schnauze.“ Holger Siemann verweist darauf, dass die Besonderheit des Sport- und Erholungsparks „mit seiner Mischung von waldartigen Baumstreifen und Sportplätzen heute noch erkennbar“ sei: „Die Spuren gehören eher unter Denkmalschutz als abgeholzt.“

Auch die Politik reagiert nun auf die Proteste. Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto nennt sie "berechtigt" und fordert: Die Modernisierung des Jahn-Sportparkes müsse "ohne Kahlschlag des Baumbestandes erfolgen. Ich setze mich dafür ein, dass bei der Planung dringend der vorhandene Baumbestand berücksichtigt wird. Neue Gebäude müssen nach den Bäumen ausgerichtet werden, nicht umgekehrt." Falls doch einzelne Bäume gefällt werden müssten, "sind sie gleichwertig zu ersetzen, das heißt gleiches Kronenvolumen und gleiche Wuchshöhe. Berlin hat die Klimanotlage erklärt: Deshalb brauchen wir im Jahnsportpark hohe Bäume für heiße Sommer."

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