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Sie bringen Glanz nach Berlin. 38.000 Beschäftigte arbeiten allein in Berlin in der Branche der Gebäudereiniger.

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Protest der Gebäudereiniger: Putzkräfte fordern ihren Anteil von glänzenden Geschäften

Seit Monaten streitet die Branche mit den Gewerkschaften über bessere Arbeitsbedingungen. Viele der 38.000 Beschäftigten haben Migrationshintergrund.

"Hey Boss, ich brauch mehr Geld!": Aus den Boxen des Lautsprecherwagens dröhnt der altbekannte Countryhit von Gunter Gabriel, als die Demonstranten über die Schönhauser Allee ziehen. Mit Trillerpfeifen machen die Protestierenden auf sich aufmerksam.

Einer von ihnen ist Frank Meier. Er arbeite in zwei Reinigungsunternehmen, sagt er, weil das Geld ansonsten nicht reichen würde. An vielen Tagen sei er vormittags für den einen Chef unterwegs und in der Spätschicht für den anderen. So komme er auf bis zu zwölf Stunden pro Tag. Und am Monatsende reiche es dann doch oft nicht ganz.

Sprachbarrieren erschweren die gewerkschaftliche Mobilisierung

Laut Polizei sind 70 Teilnehmer zur Demonstration gekommen, die von der Gewerkschaft IG BAU organisiert wurde. Viele hätten ganz einfach keine Zeit, weil sie bei der Arbeit seien, sagt Jens Korsten von der Gewerkschaft. Außerdem würden Sprachbarrieren die gewerkschaftliche Mobilisierung erschweren. Viele Beschäftigte hätte einen Migrationshintergrund. Die Gewerkschaft gibt deshalb Flugblätter auch in Türkisch, Bulgarisch und Russisch heraus.

Geführt wurden die Verhandlungen am Donnerstag indes 400 Kilometer weiter südwestlich der Hauptstadt – in Frankfurt am Main. Dorthin war auch der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite am Morgen geflogen, um den Gewerkschaftlern „ein faires Angebot“ vorzulegen. Er werde „in vielen Punkten“ auf die Forderung der IG BAU eingehen, ließ Christian Kloevekorn vor Beginn der Tarifgespräche für rund 650.000 Gebäudereiniger mitteilen.

Kloevekorn ist Vorstand beim Berliner Gebäudedienstleister Gegenbauer und führt im Ehrenamt die Tarifkommission der Arbeitgeber an, die am Donnerstag zum fünften Mal mit den Gewerkschaftern verhandelte. Auf dem Tisch lagen einige Forderungen: Mehr Geld für langjährig Beschäftigte sowie für Industriedienstleister, Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte sowie die Einführung eines Weihnachtsgeldes.

Weihnachtsgeld wollen die Arbeitgeber frühestens 2021 zahlen

Bei den ersten Punkten sind die Arbeitgeber kompromissbereit, beim letzten nicht. Über das Weihnachtsgeld werde man erste im Rahmen der normalen Entgeltrunde reden, die im nächsten Jahr ansteht. Da es jedoch in der Branche einen Lohntarif gibt, der bis Ende 2020 gilt, gibt es Weihnachtsgeld frühestens 2021 - so jedenfalls die Vorstellung der Arbeitgeber.

In den Verhandlungen, die bereits im April 2018 begannen, geht es um den Rahmentarifvertrag und dabei vorrangig um Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte. Nach Angaben der Gewerkschaft arbeiten von den 650.000 Gebäudereinigern rund 500.000 Teilzeit. Diese Beschäftigten bekommen auf Grundlage des vor acht Jahren abgeschlossenen Rahmentarifs keine Überstundenzuschläge von 25 Prozent.

Zuschläge werden erst ab 39 Wochenstunden gezahlt

Das will die IG BAU nun ändern - und hat dafür Rückenwind vom Bundesarbeitsgericht bekommen, das vor ein paar Monaten entschieden hatte, dass Überstundenzuschläge auch Teilzeitkräften zustehen. Das würde teuer für die Arbeitgeber, die sich aber eine Änderung des Rahmentarifs vorstellen können: Bislang werden Zuschläge nur gezahlt, wenn die Beschäftigten eine Wochenarbeitszeit von mindestens 39 Stunden haben.

Denkbar ist nun, diese Stundenzahl tariflich zu reduzieren, sodass auch Teilzeitkräfte bereits mit einer regulären Wochenarbeitszeit von vielleicht 30 oder 25 Stunden künftig Überstundenzuschläge bekämen.

Nach Angaben der Gewerkschaft sind Überstunden die Regel, weil „die Beschäftigten die Tariferhöhungen in den letzten Jahren selbst bezahlt haben“, wie IG BAU-Sprecher Ruprecht Hammerschmidt formuliert. Die Leute haben zwar mehr Geld bekommen, mussten dafür aber ihn kürzerer Zeit auch mehr reinigen. „Wo früher sechs Arbeitskräfte eine Schule geputzt haben, sind es heute nur noch drei“, beschreibt Hammerschmidt die Arbeitsverdichtung.

Derzeit liegt der Mindestlohn, auf den sich die Tarifparteien verständigt haben, bei 10,56 Euro im Westen und 10,05 Euro im Osten. Bis Ende nächsten Jahres steigt diese Untergrenze auf 10,80 Euro - die dann für die Bundesrepublik insgesamt gilt. Der bundesweite gesetzliche Mindestlohn beträgt 9,19 Euro und steigt im kommenden Jahr auf 9,35 Euro.

38.000 Gebäudereiniger sind allein in Berlin beschäftigt

In der Gebäudereinigung sind bundesweit rund 23.000 Betriebe mit gut 650.000 Mitarbeitern tätig, davon 38.000 in Berlin. „Der Branche geht es gut“, sagt Christopher Lück vom Bundesinnungsverband des Gebäudereiner-Handwerks. In diesem Jahr werde erstmals ein Umsatz von mehr als 18 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Vor diesem Hintergrund und mit der Überstundenentscheidung des BAG im Rücken will die IG BAU mehr Geld für ihre Leute erreichen, zur Not auch mit Warnstreiks wie am Donnerstag in Berlin. Den Rahmentarifvertrag betreffend ist die Friedenspflicht bereits am 1. August ausgelaufen.

Die Gebäudereiniger sind das Handwerk mit den meisten Beschäftigten. Das Spektrum der Dienstleistungen umfasst neben der Reinigung sämtliche Serviceleistungen in und an Gebäuden.

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