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Die Zustände in den Berliner Bürgerämtern zeigen, dass bei der Berliner Verwaltung etwas nicht stimmt.

© Kai-Uwe Heinrich

Probleme in der Verwaltung: Berlin endlich regierbar machen!

Überpolitisierung der Verwaltung beenden, Bezirke effizient aufstellen – das fordert der BWL-Professor und frühere CDU-Abgeordnete Michael Garmer in seinem Debattenbeitrag.

Seit Langem fragen sich Einheimische und Zugezogene, warum ausgerechnet in Berlin die Verwaltung nicht funktioniert. Die Zustände in den öffentlichen Parks, die Bürgerämter, die Kfz-Zulassung, BER, Schulbau, Verkehrslenkung, etc.: Überall, wo der Bürger der Berliner Verwaltung begegnet, merkt er, dass etwas nicht stimmt.

Die Ursache liegt in der Verwaltungsstruktur: In Berlin verderben zu viele Köche den Brei. Zwölf Bezirke, die jeweils machen, was sie wollen und schlimmer noch: Zwölf Bezirke, die oft nicht wissen, was sie wollen, denn die jeweilige Bezirksamtsmehrheit arbeitet gegen die Bezirksamtsminderheit, die Bezirksamtsminderheit arbeitet gegen die Bezirksverordnetenmehrheit und alle zusammen arbeiten gegen den Senat. Dabei kann nicht viel Sinnvolles herauskommen. Bei wichtigen Zukunftsaufgaben wie Wohnungsbau und Gewerbeansiedlungen blockieren sich Senat und Bezirke gegenseitig aufgrund unterschiedlicher politischer Auffassungen.

Die Doppelstruktur mit ihrer nervigen Überpolitisierung besteht seit Gründung der Stadt Berlin in ihrer heutigen Struktur 1920 und ist bis heute vor allem durch quälend langsame, ineffiziente Verwaltungsabläufe gekennzeichnet. Die Bezirke verfügen kaum über Gestaltungsmöglichkeiten, da ihnen eigene Geldquellen fehlen. Und da wo sie selbst entscheiden, macht es oft keinen Sinn. Die dezentrale Beschaffung von IT-Ausstattung hat z.B. zu einem inakzeptablen Chaos geführt.

Intransparente Personalauswahl

Die Strukturen nützen heute nur noch den Parteiorganisationen, denn diese können über eine Vielzahl von Posten in den Bezirken verfügen und so die parteiinternen Machtstrukturen zementieren. Auch landespolitische Personal- und Sachentscheidungen werden so vornehmlich aus Bezirksperspektive entschieden.

Die intransparente und fragwürdige Personalauswahl in den Hinterzimmern setzt sich in die Verwaltung fort und führt dort zusätzlich zum beschriebenen strukturellen Problem zu einem flächendeckenden Führungsversagen: Staatssekretäre und Stadträte, die jeweils Hunderte von Mitarbeitern zu führen haben, sind zu oft nicht ausreichend qualifiziert und verfügen nicht über die erforderliche (Führungs-)Erfahrung. (In der vergangenen Wahlperiode musste fast die Hälfte der Staatssekretäre zwischenzeitlich ausgetauscht werden.)

Und eine über Jahre schlecht geführte Organisation verliert an Effizienz, an Effektivität, an Motivation, an Arbeitsmoral. Am intensivsten zeigt sich dieses Führungsversagen naturgemäß bei den „harten“ Themen Organisation und IT.

Das Führungsversagen an der Spitze kann zwar nicht den jeweiligen Mitarbeitern angelastet werden, aber auch deren Verhaltensweisen und Arbeitsmoral verändern sich in einer schlecht geführten Organisation nachhaltig. Ein Insider aus einer Bezirksverwaltung berichtet, die Mitarbeiter dort seien „systematisch der Arbeit entwöhnt“ worden.

Hoher Krankenstand spricht Bände

Aus einer Senatsverwaltung wird von Abteilungsleitern berichtet, die morgens um sechs Uhr mit der Arbeit beginnen, um sich am möglichst frühen Nachmittag in den Feierabend verabschieden zu können. Deutlicher kann eine innere Kündigung nicht angezeigt werden. Der hohe Krankenstand von deutlich über zehn Prozent, vor allem der hohe Anteil an Dauerkranken, spricht ebenfalls Bände.

Was ist zu tun? Die aufgeblähte politische Doppelstruktur auf Landes- und Bezirksebene muss gestrafft werden, um Berlin im Interesse der Bürger endlich regierbar zu machen: effiziente und schlanke Bezirksrathäuser, die von der Hauptverwaltung zentral geführt werden. Die Bezirksverordnetenversammlungen wählen weiterhin den Bezirksbürgermeister, als Abteilungsleiter werden aber anders als heute professionelle Laufbahnbeamte von der Hauptverwaltung eingesetzt. Eine eigene bezirkliche politische Willensdurchsetzung unabhängig von der Hauptverwaltung oder gar gegen diese ist nicht mehr möglich.

Am schlimmsten ist derzeit, dass auch die politische Verantwortung für die Missstände durch eingespielte gegenseitige Schuldzuweisungen nicht mehr erkennbar ist. Hierdurch leidet das Vertrauen der Bürger in den Staat insgesamt. In Frankreich, in Italien, z.T. in Österreich ist das durch Volksparteien gekennzeichnete politische System insgesamt abgewählt worden, weil diese Volksparteien für jeden sichtbar nur noch für sich selbst gewirtschaftet haben. Auch in Berlin wird der Souverän den bisherigen Volksparteien nur noch begrenzte Zeit geben, die Missstände zu beseitigen und ansonsten andere politische Kräfte beauftragen. Eine Verfassungsreform ist unumgänglich!

Michael Garmer ist BWL-Professor und ehemaliger CDU-Abgeordneter.

Michael Garmer

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