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Viele Nutzer, viel Ärger. Die Bäderbetriebe leiden unter Geld- und Personalmangel. Und sie müssen vielen verschiedenen Gruppen gleichzeitig gerecht werden.

© Kai-Uwe Heinrich

Probleme in den Bäderbetrieben: Schwimmen fällt öfter mal ins Wasser

Seit in Berlin die Freibäder offen sind, müssen Schwimmhallen früher geschlossen werden. Kunden der Bäderbetriebe ärgert noch viel mehr. Zu Recht? Ein Faktencheck.

Jetzt ist der Mann wieder in Hochform. „Ja wer hat den gebräuntesten Luxuskörper? – Der Bademeister, der Bademeister“, sangen die Schauspieler des Grips-Theaters im Musical „Baden gehen“, das 2003 uraufgeführt wurde. Ganz zeitgemäß war das nicht, denn heutzutage gibt es auch viele weibliche „Fachangestellte für Bäderbetriebe“ , wie der Job offiziell heißt. Seit Anfang Mai haben Berlins Bademeister/innen jedenfalls besonders viel zu tun, denn seither öffneten fast alle 26 Strand- und Sommerbäder der Stadt. „Da kannste wassererleben“ werben die Berliner Bäderbetriebe (BBB) für „Europas größte Bäderlandschaft“. Alles paletti? Von wegen: Die Bäderbetriebe schieben eine Bugwelle von Problemen vor sich her. So machen sie ihren Gästen nicht nur Freude.

Vor allem zu Beginn der Sommersaison gibt es viele Klagen, beispielsweise auf dem „schwimm-blog-berlin“ (siehe Artikel unten). Kritisiert werden besonders teils wenig verlässliche, teils zu kurze Öffnungszeiten in den Sommerbädern und den verbliebenen Schwimmhallen. Eine Folge von Personalmangel und veralteter Techniken, die oft ausfallen.

Unter diesen Bedingungen versuchen die Bäderbetriebe nun, einen komplizierten Spagat hinzubekommen: Sie öffneten schrittweise ihre Freibäder, während sie die meisten Schwimmhallen schlossen – bis auf vier ganzjährig offene Hallen und einige, die noch bis Juli eingeschränkt offen bleiben. Doch viele Probleme sind dauerhaft. Wir haben sie uns angeschaut, Punkt für Punkt, Becken für Becken:

Verkürzte Öffnungszeiten

Kopfüber ins Wasser und so in den frühen Morgen starten. Das ist in diesem Sommer in den Freibädern Am Humboldthain, in Mariendorf, der Wuhlheide und dem Lichterfelder „Spucki“ nicht möglich. Sie öffnen erst um 10 Uhr. Hinzu kommt: Sie schließen bereits um 18 oder 19 Uhr statt um 20 Uhr wie andere Freibäder. Das verärgert berufstätige Schwimmer, die am liebsten vor der Arbeit ab 7.30 Uhr oder 8 Uhr ihren Ausgleichssport betreiben wollen. Oder später am Abend.

Frühschwimmen gibt es beispielsweise in Pankow, Am Insulaner, in Neukölln oder der „Riviera“ der Kreuzberger – dem Prinzenbad. „Unser Personal ist bereits so effizient wie möglich eingesetzt, Reserven gibt’s nicht mehr“, beantwortet das BBB-Kundenzentrum Beschwerden. Mehr sei nicht drin, bestätigt der Sprecher der Bäderbetriebe, Matthias Oloew. Längere Zeiten in Freibädern würden zu Lasten der Hallenbäder gehen. Doch schon jetzt lösen die Schließungen oder eingeschränkten Öffnungszeiten der überdachten Becken beim Saisonwechsel die weitaus meisten Proteste aus. Denn regelmäßige Schwimmer sowie Teilnehmer von Aqua-Fitnesskursen schätzen die wetterunabhängigen Hallen, zumal sie dort ungestörter ihre Bahnen ziehen oder Wassergymnastik machen können.

Bad Finckensteinallee: Ab 14 Uhr geschlossen

Vor manchen Halleneingängen wurde den Badegästen in den vergangenen Wochen mitgeteilt: „Weil wir mithelfen, die Freibäder für die Sommersaison fit zu machen . . . steht ihnen die Schwimmhalle nur mit Einschränkungen zur Verfügung.“ Beispiel: die Finckensteinallee in Lichterfelde. Geöffnet künftig nur noch an vier Werktagen von 6.30 bis 14 Uhr. Dort gibt es im Winter Spätschwimmen bis 22 Uhr. Beispiel: das Stadtbad Märkisches Viertel, geschlossen vom 2. Mai bis 4. September. Im Vorjahr war die Halle noch bis Juli geöffnet. Beispiel: Stadtbad Lankwitz, eine der sterngekrönten Hallen mit 30 Grad Wassertemperatur, deshalb bei Senioren und Aqua-Gymnastikfans besonders beliebt. Geöffnet vom 2. Mai bis 4. September nur noch täglich 10 bis 17.30 Uhr. Frühere oder spätere Fitnesskurse fallen weg. Weitgehend offen bleiben im Sommer nur die Hallen am Ernst-Thälmann-Park und in Tiergarten mit 27 bis 28 Grad Wassertemperatur sowie die Warmbäder in Schöneberg und am Spreewaldplatz (30 Grad).

Wie lässt sich das Dilemma zwischen Open-Air und Halle lösen? Der Senat hat jüngst beschlossen, den Bäderbetrieben 25 zusätzliche Stellen zu finanzieren. „Das bringt uns weiter“, freut sich das Unternehmen. Aber erst ab 2017. Denn Fachkräfte und Lehrlinge für die Bäder seien schwer zu finden. Azubis müssen „rettungsfähig“ sein und etwa einen 100-Kilo- Mann vom Beckengrund hochziehen können. Das schafft nicht jeder Interessent.

Hallenbänder müssen im Sommer schließen? Nicht in Hamburg oder München

Keinesfalls reiche das Geld aber aus, um alle Hallenbäder ganzjährig zu öffnen und überall Früh- und Spätschwimmen zu etablieren, sagt der neue Chef der Bäderbetriebe, Andreas Scholz-Fleischmann. „Dafür bräuchten wir 280 neue Stellen.“ Das hält der Bädermeister für „ausgeschlossen“. Zusätzlich zur Personalverstärkung will er aber die Beschäftigten effektiver einsetzen. „Die Zettelwirtschaft“ bei den Dienstplänen soll durch ein bäderübergreifendes EDV-System ersetzt werden. Sein Ziel sind verlässliche Öffnungszeiten und im Sommer mehr gut erreichbare Schwimmhallen als bisher.

Bei alledem muss Berlin größere Herausforderungen meistern als andere Städte, denn hier stehen ungewöhnlich viele Freibäder. In Hamburg und München gibt es zum Beispiel mehr Schwimmhallen als Sommerbäder, in Berlin liegen beide Typen gleichauf. Das ist betriebswirtschaftlich riskant, weil die Becken unter freiem Himmel größer sind und folglich mehr Aufsichten benötigt werden. Bei Regen gucken dann 30 Bedienstete im Schichtdienst auf leere Becken.

Früher waren alle Hallenbäder im Sommer dicht

Jahrzehntelang löste man das Problem pragmatisch: Um den Open-Air-Betrieb zu gewährleisten, waren im Sommer fast alle Hallen dicht. Inzwischen experimentiert Berlin mit flexibleren Lösungen zugunsten der Hallenbäder. Hamburg und München halten dagegen ihre Hallen ganzjährig offen. Das können sie sich leisten. Sie brauchen ja für ihre Freibäder weniger Personal – und bieten dort auch kaum Frühschwimmen an.

Den Protagonisten im Grips-Stück „Baden gehen“ ist das alles egal. Sie besetzen ein Bad, das aus Geldmangel auf Dauer geschlossen wurde. So weit soll es in Berlin nicht kommen. Das untersagt der Bäderentwicklungsplan. Der Bademeister hat weiter gut zu tun. Ein Zitat aus dem Stück: „Er genießt bei allen Respekt, denn wie sagt Freund Ösgüz? Der Typ ist korrekt!’“

Bad-Technik ist vielerorts veraltet

Viele in die Jahre gekommene Berliner Bäder sind technisch veraltet. „Für manche Wasser-Aufbereitungsanlagen und andere Installationen bekommen wir sogar keine Ersatzteile mehr“, sagt Bädersprecher Matthias Oloew. „Das geht so lange, bis der Tüv uns stoppt.“ Manchmal sei es „ein Gezittere“ bis zum nächsten Ausfall. In der Folge müssen manche Bäder immer öfter kurzfristig schließen. Unterm Strich sind etwa 93 Millionen Euro nötig, um alle Berliner Bäder technisch aufzurüsten. Dafür hat das Land den jährlichen Gesamtzuschuss für die Bäderbetriebe 2016 um 6 Millionen Euro erhöht. Das technische Update für Berlins Bäder wird aber noch lange Zeit dauern.

Tarifdschungel soll gelichtet werden

Zu teuer. Zu unübersichtlich. Was ist dran an Vorwürfen einer falschen Preispolitik? Vergleicht man die Preise mit den Tarifen anderer Städte, so liegt Berlin im mittleren bis unteren Bereich. Die normale Einzelkarte kostet 5,50 Euro, ermäßigt 3,50. Kostengünstiger sind die 3,50 Euro-Tickets des „Basistarifes“ für Früh- und Spätschwimmer. Und in den Freizeitbädern mit 30 Grad warmem Wasser gilt generell ein Aufschlag von zwei Euro.

Mit dieser Tarifstruktur wollen die Bäderbetriebe ihre Becken tagsüber gleichmäßig auslasten. Berufstätige Frühschwimmer sowie Rentner oder Arbeitslose sollen per Basistarif dazu gebracht werden, in den Randzeiten vor oder nach dem großen Nachmittagsandrang ins Wasser zu springen. „Das hat sich bewährt“, heißt es im Unternehmen.

Auf den ersten Blick empfinden viele Badegäste diese Kartenvielfalt aber eher als „Tarifdschungel“. Deshalb hat Bäderchef Scholz-Fleischmann eine Arbeitsgruppe „Tarife“ eingerichtet. Sie soll das Tarifsystem übersichtlicher machen und auch die Preishöhe erneut überprüfen.

Badegäste ärgern sich über Parkgebühren

Nachmittags ab 16 Uhr wird es vor allem in vielen Hallenbädern für Badegäste eng: Dann trainieren die Jugend- und Erwachsenengruppen der Schwimmvereine auf vielen Bahnen. Und zuvor kann es passieren, dass Schulklassen einen Teil der Becken beanspruchen. Fürs öffentliche Schwimmen bleibt dann oft wenig Platz. Badegäste fühlen sich dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt. Doch Chancen, das zu ändern, sieht man bei den Bäderbetrieben kaum. „Das Schul- und Vereinsschwimmen gehört zu unserem Versorgungsauftrag“, heißt es. Um die Konfrontation zu vermindern, wurden drei weniger öffentlich genutzte Schwimmhallen fast komplett Schulen und Vereinen überlassen: am Hüttenweg, an der Holzmarktstraße und am Baumschulenweg.

In 16 Bädern kostet das Parken Geld

„Neue Parkgebühr: Frust vorm Freibad“, titelte der Tagesspiegel am 10. Mai dieses Jahres. Da hatten die Bäderbetriebe gerade zehn weitere Parkplätze vor ihren Bädern an private Betreiber verpachtet. Insgesamt sind nun die Parkflächen von 16 Bädern vergeben, zum Beispiel am Stadtbad Lankwitz oder am Freibad Spandau-Süd. Badegäste müssen je nach Dauer 50 Cent bis drei Euro fürs Parken zahlen. Den Bäderbetrieben spart die Privatisierung Kosten. „Winterdienst und Instandhaltung müssen nun die Pächter tragen“, heißt es. Den Gewinn stecke man lieber in die Modernisierung der Bäder.

Fakten - Fakten - Fakten

Bis 1995 waren die Bezirke für die Schwimmbäder zuständig. Dann wurden die landeseigenen Bäderbetriebe gegründet, um Angebote zu vereinheitlichen und die Hallen wirtschaftlicher zu betreiben. Die Berliner Bäderbetriebe haben 36 Freibäder (inklusive neun verpachtete Strandbäder) und 37 Schwimmhallen. Im Sommer erhalten die rund 700 Mitarbeiter Verstärkung durch 60 Saisonkräfte. Im Schnitt werden jährlich sechs Millionen Badegäste gezählt. In Mariendorf und Pankow sollen zwei neue Multifunktionsbäder entstehen. Ähnlich wie die jetzigen Kombibäder sollen sie Becken in der Halle und im Freien haben. Hinzu kommen besondere Angebote wie 30 Grad warmes Wasser, Rutschen, Whirlpool. Für den Bau beider Bäder sind 60 Millionen Euro bewilligt. Bis zur Eröffnung wird es noch mindestens fünf Jahre dauern.

Um zu verhindern, dass Badegäste bei veränderten Öffnungszeiten vor verschlossenen Türen stehen, bieten die Bäderbetriebe auf ihrer Website einen E-Mail-Service an. Wer sich registriert, wird aktuell über Veränderungen in den Bädern informiert.

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