zum Hauptinhalt
Immer wieder kommt es an Silvester zu Bränden und Schwerverletzten.

© Ole Spata/dpa

Privates Zündeln: Ein Verbot der Silvester-Böllerei wäre genau richtig!

Der Berliner Senat erwägt ein Böllerverbot an Silvester – für Privatpersonen. Klar, wie da die Reaktionen ausfallen: Verbotshuberei, Spaßbremse, Realitätsferne! Dabei geht es um nichts weniger als die Freiheit der anderen.

Jeder nach seiner Façon. Vor allem, wenn’s Spaß macht. Hunderttausenden, Millionen. Jedes Jahr aufs Neue. Da wird geschossen, geknallt, gefeuert, was der Böller hergibt, an jeder Straßenecke, in jedem Hinterhof, allüberall und uneingeschränkt. An Silvester zieht der Deutsche in den Krieg, der Berliner allzumal. Und auch an immer mehr Tagen davor und danach. Trotz Schwerverletzten, Bränden, Smogalarm. Das war schon immer so und muss immer so bleiben. Die Politik geht das nix an, die hat sich ja schließlich um Wichtigeres zu kümmern. Schultoiletten zum Beispiel. Debatte beendet.

Von wegen. Die Debatte sollte erst richtig beginnen. Was genau hat denn die Politik Wichtigeres zu tun, als sich um die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Bürger zu kümmern? Warum wird der dreiste Rat klaglos akzeptiert, dass es in der Silvesternacht eben besser sei, in bestimmten Gegenden Berlins nicht auf die Straße zu gehen? Die Autos sicherheitshalber außerhalb der Innenstadt zu parken? Warum gilt, dass es angeblich keinerlei Möglichkeit gibt, zumindest die Böllerei mit wirklich gefährlichen Raketen und anderen Knallern in den Griff zu bekommen – wenn doch immerhin diese schon verboten sind?

Es reicht! Andere Städte machen es vor

Feuerwerk, soweit ein alter Aberglaube, vertreibt die bösen Geister. Das war einmal. Inzwischen scheinen die unbegrenzten Böllermöglichkeiten mehr und mehr böse Geister auf den Plan zu rufen.

Ehrlich: Es reicht. Andere Städte, selbst ähnlich coole, große wie die deutsche Hauptstadt, machen vor, wie sich Silvester so feiern lässt, dass am Ende alle Spaß haben. Zum Beispiel Sydney, das mit einem offiziellen Feuerwerk an der Harbour Bridge als eine der ersten Städte der Welt das Neue Jahr begrüßt – und alles private Zündeln mit Blick auf die Waldbrandgefahr untersagt. Oder Paris, das ein zentrales Feuerwerk am Triumphbogen organisiert und dafür ebenfalls das individuelle verbietet. Selbst in New York wird ausschließlich am Central Park geballert.

Auch einige deutsche Städte haben schon länger genug von der uneingeschränkten Ballerei – und in den vergangenen Jahren bestimmte Ecken als Verbotszonen, oder besser: Sicherheitszonen eingerichtet. Das ist richtig. Und könnte Vorbild sein. Wenn Berlin sich denn ein Vorbild nehmen will.

Hauptsache, der Mythos lebt

Aber Berlin soll weiter von seinem wilden Mythos leben, dass hier alles geht, was gehen soll. Und mit dem Eingeständnis, dass die staatliche Gewalt nicht nur am 1. Mai und beim Drogenhandel im Görlitzer Park letztlich kaum Chancen hat, sich durchzusetzen. Doch dahinter steht ein großer Irrtum. Es braucht keine gepanzerten Hundertschaften, um den fröhlich Feiernden ihr unschuldiges Spielzeug aus den Händen zu reißen. Man kann einfach den Verkauf regulieren, da eingreifen, wo Verbotenes und Gefährliches trotzdem gehandelt und gezündet wird. Nicht überall, sofort und hundertachtzigprozentig konsequent, wie das in Deutschland zu sein hat. Aber man kann ja mal anfangen.

Das würde auch dem Ansehen Berlins helfen. Dass sich eine Stadt und ihre Bürger nicht immer in vermeintlich Unabänderliches fügen. Dass sich Dinge ändern, Probleme lösen, Gefahren beseitigen lassen. Dass neue Ideen eine Chance haben. Und dass Berlin und seine Einwohner Rücksicht nehmen – oder es notfalls lernen können.

Denn jede Freiheit endet da, wo sie an die Freiheit der anderen stößt – wo der private Spaß vieler dazu führt, dass sich viele andere bedrängt, bedroht, beeinträchtigt fühlen. So wie ich. Es gibt kein Recht auf unbegrenztes Böllern. Es gibt allenfalls die Unfähigkeit oder den Unwillen, Regeln so zu ziehen, dass sich auch die Schwächeren beschützt fühlen.

Silvester soll Spaß machen. Aber allen

Demokratie bedeutet, dass sich eine Gesellschaft darüber verständigt, wie sie zusammenleben möchte. Für eine Verständigung ist eine Debatte unerlässlich. Daher: Lasst uns streiten, debattieren, die Argumente wägen. Und dann darauf verständigen, wie wir es gemeinsam hinkriegen können. Das kann Spaß machen – auch und gerade an Silvester. Es geht nicht um Verbote, es geht um das rücksichtsvolle Miteinander. Und das ist erst der Anfang der Debatte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false