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„Das Grundstück ist noch nicht auf dem Ladentisch“, heißt es beim landeseigenen Liegenschaftsfonds

© Kai-Uwe Heinrich

Prinzessinnengärten: Kreuzberger Gärtner hoffen auf den Kater-Holzig-Effekt

Die Prinzessinnengärten erhalten Unterstützung von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die will das Projekt zumindest teilweise erhalten – und beruft sich auf die neue Liegenschaftspolitik.

Die Prinzessinnengärten am Moritzplatz werden zum Prüfstein für die Neue Liegenschaftspolitik des Senats. Das Grundstück in der Verfügungsgewalt des landeseigenen Liegenschaftsfonds, sollte ursprünglich meistbietend verkauft werden. Zuletzt hatten zwei Investoren beim Fonds vorgesprochen, deren Pläne wurden auch dem Bezirk vorgestellt. Doch Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) bevorzugt ein „breit angelegtes Bürgerbeteiligungsverfahren“ für diese „bedeutungsvolle Fläche“ im Herzen des Kreuzberger Kiezes – und erhält nun Rückendeckung von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Deren Staatssekretär Ephraim Gothe (SPD) schlägt in einem Brief an die Senatsverwaltung für Finanzen vor, zusammen mit den „momentanen Nutzern“ ein „Konzeptverfahren“ durchzuführen, das den „hohen Erwartungen in die neue Liegenschaftspolitik gerecht wird“. Konkret heißt das: Die Kreuzberger Gärtner sollen zwei Drittel des 6000 Quadratmeter großen Grundstückes dauerhaft in ein blühendes Biotop verwandeln dürfen – und müssten dann nicht, wie bisher geplant, schon im kommenden Sommer die Brache verlassen. Auf der verbleibenden Fläche könnten dann ein Wohnhaus und eine Gewerbeimmobilie entstehen. Damit, so das Kalkül von Gothe, hätten alle ein Stück vom Filetgrundstück: der Finanzsenator Einnahmen, die Wirtschaftssenatorin Handelsflächen und das Quartier seine Prinzessinnengärten.

„Jetzt haben sie alle die Lippen gespitzt, jetzt müssen sie auch pfeifen“, kommentiert Bezirksbürgermeister Franz Schulz die noch offene Frage, ob auch die Senatsverwaltung für Finanzen einem solchen Konzeptverfahren im Geiste der neuen Liegenschaftspolitik zustimmen wird. Schulz sieht sich bestätigt durch die Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Allerdings fordert er ein „ergebnisoffenes Verfahren“, das auch einen vollständigen Verzicht auf Neubauten nicht ausschließt – falls das Quorum der Bürger das so fordert.

Die gemeinnützige Gesellschaft Prinzessinnengärten hat nach Angaben eines ihrer Gründer, Marco Clausen, 26 000 Unterschriften von Förderern gesammelt. Mit dreizehn Arbeitsplätzen im Sommer, fünf im Winter, mehr als 100 Freiwilligen im Jahr treibt das Provisorium auch zarte wirtschaftliche Blüten. Vor allem aber spricht der grüne Teppich, den die Initiative über die Stadt legt, für sie: 16 Ablegergärten gibt es bereits an Kitas, Schulen und Unis, auf Hinterhöfen und Brachen.

Kaufwillige Investoren: Sonnenbrillen-Hersteller und Werbeagentur

Clausen sagt von sich und seinen Mitstreitern, sie lebten in den für Berlin „typischen prekären Verhältnissen: gut ausgebildet, am Rande des Existenzminimums“. Aber mit der Initiative kam der Erfolg: Der Rat für Nachhaltigkeit, den die Bundesregierung berufen hat, zeichnete die Gärten aus, aus dem In- und Ausland wollen viele wissen, wie die Berliner Saat aufgeht. Längst sind Forschungsanträge bei Bundesministerien und Bundesumweltstiftung eingereicht: Denn für die Kooperationen mit Schulen wollen die Aktivisten Lehrmittel herstellen – die Einrichtung von Kompostiersystemen in dicht bewohnten Quartieren will gut geplant sein. Dasselbe gilt für die Einbindung der Nachbarschaft, der türkischstämmigen Kreuzberger, aber auch der neueren Migranten aus Spanien oder Italien zum Beispiel. „Wir brauchen fünf Jahre Zeit für die Erhaltung unseres sozialen Unternehmens“, sagt Clausen. Deshalb fordern sie den Verkaufsstopp.

„Das Grundstück ist noch nicht auf dem Ladentisch“, heißt es beim landeseigenen Liegenschaftsfonds. Ohne eine „politische Entscheidung“ werde das Areal auch nicht verkauft. Brisante Entscheidungen wie diese werden im „Steuerungsausschuss“ des Fonds getroffen. In dem Gremium sitzen Vertreter des betreffenden Bezirks und des Senats. Den größten Einfluss hat aber die Senatsverwaltung für Finanzen, weil sie mit zwei Stimmen votiert und deren Sprecher sagte auf Anfrage: „Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat das Grundstück dem Liegenschaftsfonds zum Verkauf übertragen. Wenn dieser jetzt einen anderen Umgang mit dem Grundstück wünscht, muss er einen Rückübertragungsantrag stellen“.

Noch laufen allerdings Gespräche zwischen dem Fonds mit zwei kaufwilligen Investoren. Um einen Berliner Sonnenbrillen-Hersteller soll es sich handeln und um eine Werbeagentur. Sogar Pläne über die denkbaren „Baumassen“ sollen in Vorbereitung sein. Der gemeinsame Vorschlag der Aktivisten und Bezirksbürgermeister Schulz, ein Verfahren unter Beteiligung der Bürger durchzuführen, lehnte der Fonds Clausen zufolge ab. Man wolle „schneller verwerten“, vermutet er.

Die Prinzessinnengärten oder auch die provisorischen Gärten auf dem Flugfeld Tempelhof sind Beispiele für eine Besinnung auf die landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung von Stadtbrachen, die oft auch als „Urban Gardening“ bezeichnet wird. Zu dessen bekanntesten Beispielen zählt die Umwandlung einer stillgelegten Hochbahntrasse in New York City zum „High Line Park“. Die Idee, Grünflächen in der Stadt zur Versorgung ihrer Bewohner zu nutzen, greift auch die Holzmarktgenossenschaft auf, zu der die Betreiber des Kater Holzig gehören: Auf Dachgärten und im geplanten Mörchenpark soll das Gemüse wachsen, das später im Restaurant verarbeitet wird. Die ehemaligen Betreiber der Bar 25 haben sich gerade mit ihrem Konzept für die Holzmarktstraße in Friedrichshain mit ihrer Genossenschaft gegen eine klassische Immobilienentwicklung durchgesetzt.

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