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Rauchmacher. Der Sohn von Theaterchef Dieter Hallervorden spielt sein erstes Solo-Stück in dem Haus, das er von klein auf kennt.

© Derdehmel/Urbschat/Promo

Premiere in Berlin: Paffen und sinnieren mit dem jungen Hallervorden

Johannes Hallervorden ist „Der letzte Raucher“ im Schlosspark Theater. Ein Probenbesuch.

Gerade ist der Klappstuhl unter Johannes Hallervorden zusammengebrochen, und weil’s so schön war, wird die Szene jetzt für die Fotografen wiederholt. Eine Assistentin holt Kabelbinder und präpariert das tückische Requisit erneut, und um die Zeit zu überbrücken, springt der Hauptdarsteller mal eben zurück ins erste Bild seines Monologs. Wettert über den Gastgeber Dirk, diesen miesen, kleinen Spießer, der ihn mit einer Fischbüchse als Aschenbecher zum Rauchen auf den Balkon verbannt hat. Abspülen soll er die Dose danach obendrein, das muss man sich mal vorstellen! Hallervorden zündet sich die erste Zigarette an. Die Kameras beginnen wie verrückt zu klicken, das ist natürlich das Bild, auf das alle gewartet haben. Es gibt ja nicht mehr viele Menschen heute, die sich bei der Ausübung ihrer Sucht freimütig ablichten lassen.

Fotoprobe im Schlosspark Theater. Wenige Tage bevor am heutigen Sonnabend in der sogenannten Champagnerhalle des Hauses, diesem schönen holzgetäfelten Foyer-Saal, der gewöhnlich zum Pausenzeitvertreib beim prickelnden Getränk genutzt wird, „Der letzte Raucher“ Premiere feiert. Die Bühnenfassung von Kai-Uwe Holsten basiert auf dem gleichnamigen Buch von Mark Kuntz, für das Johannes Hallervorden bedingungslos entflammt ist. Nicht nur, weil er sich selbst gern eine ansteckt. Sondern, weil er beim Lesen „sofort lachen musste – kein schlechtes Zeichen für die Qualität eines Textes“.

Liebe, Leben, Tabakkonsum

Story und Setting sind tatsächlich schön absurd. Der titelgebende Laster-Mann wird bei einem Abendessen mit Freunden – sämtlich Nichtraucher, versteht sich – versehentlich auf dem Balkon ausgesperrt und dort vergessen, während die Runde in die nächste Kneipe weiterzieht. In der Kälte bleibt er allein mit sich, einer Kiste teuren französischen Weins sowie 28 Zigaretten – „so viele rauche ich an dem Abend allerdings nicht“, sagt Hallervorden lachend. Um das Beste aus seiner aussichtslosen Lage zu machen, schraubt sich der Protagonist in mal gallig-komische, mal berührend-nachdenkliche Betrachtungen des Leben, der Liebe und des Tabakkonsums. „Das Rauchen ist nur der Aufhänger“, erklärt der Schauspieler, „nicht zuletzt geht es in dem Stück auch um Einsamkeit“.

Es ist das erste Solo, das der 20-jährige Sohn des Schlosspark-Intendanten Dieter Hallervorden spielt. Von einer besonderen Herausforderung will er dabei nichts wissen: „Ob ich vor 30 oder 300 Leuten stehe, der Druck ist der gleiche“, betont er. Einen Kraftakt bedeutet die Performance aber gleichwohl, nicht zuletzt, weil 44 eng bedruckte Textseiten erstmal gestemmt werden wollen. Bei den Testvorführungen auf Tour, die Hallervorden schon im Mai in Niedersachsen und jüngst in Wörlitz bei Dessau absolviert hat, gab es glücklicherweise nur einmal einen Hänger: „Ich wusste, in welchem Bild ich bin, worum die Szene sich dreht und wie sie endet. Nur der erste Satz fiel mir partout nicht ein“, erzählt er amüsiert. Der Techniker half dann mit dem Textbuch aus, alles kein Drama.

Dass er das Stück mittlerweile vorwärts und rückwärts drauf hat, beweist Hallervorden bei der Fotoprobe. Angeleitet von Regisseurin Irene Christ springt er unchronologisch durch den Monolog, zwängt sich in einen scheußlichen Weihnachtsmann-Pullover, der als Balkontür-Vorleger diente, spielt „Blowin’ in the Wind“ auf der Akustikgitarre, trinkt Wasser aus Weinflaschen, sinniert über eine „gigantische Menschenkette der Raucher, quer durch die Republik“. Er schwitzt, lässt sich neu abpudern, scherzt zwischendrin mit den Fotografen. Momentan probt er von 11 bis 15 Uhr das Stück „Was zählt, ist die Familie!“, das im Oktober am Schlosspark Theater Premiere feiert, ab 16 Uhr steht der „Raucher“ an, danach gibt er Interviews. Gestresst wirkt er kein bisschen, „ich liebe es zu arbeiten“, sagt er so ernsthaft wie unprätentiös beim anschließenden Gespräch im Garten des Theaters.

Die Lage des Theaters ist nicht rosig

Vor zwei Jahren ist Hallervorden junior hier erstmals prominenter in Erscheinung getreten, mit dem Stück „Harold und Maude“ an der Seite von Anita Kupsch, einer Koproduktion mit der Stuttgarter Komödie im Marquardt. Das Schlosspark Theater kennt er freilich schon von klein auf, „ich bin hier immer mitgelaufen“, erzählt der junge Schauspieler, der an der französischen Atlantikküste und in Berlin aufgewachsen ist und 2009 schließlich vollständig nach Deutschland übersiedelte. Schon mit zwölf Jahren stand er bei einer Gala in Steglitz auf der Bühne, mit einer selbst geschriebenen Geschichte über eine gründlich aus dem Ruder laufende Geburtstagsfeier, später dreht er die Disney-Serie „Binny und der Geist“. Er ist in seinen Beruf ziemlich natürlich hineingewachsen. Es liegt ihm auch am Herzen zu betonen, dass er ihn nicht ausschließlich am Haus des Vaters ausübt, sondern eigene Projekte verfolgt. Gleichwohl lässt er seine Verbundenheit mit dem Schlosspark Theater durchklingen.

Das hatte ja zuletzt immer wieder finanzielle Krisen zu überstehen. Momentan ist die Lage zwar nicht existenzbedrohlich, aber auch nicht rosig. Bei 48 Prozent lag die Auslastung 2017, erst recht zu kämpfen hatten Hallervorden senior und seine Mannschaft im zurückliegenden heißen Sommer. Man hangelt sich gerade von Jahr zu Jahr. Nicht die schlechteste Idee vor diesem Hintergrund, sich mit der Champagnerhalle eine zusätzlich kleine Spielstätte zu erschließen, die 72 Stühle (bei freier Platzwahl!) bietet – statt annähernd fünfhundert Sitze wie im großen Haus.

Den „Letzten Raucher“, sagt Johannes Hallervorden vergnügt, könne er jedenfalls auch in vierzig Jahren noch spielen - ob im Schlosspark Theater oder auf Tour. Es sei denn natürlich, dann gibt es keine Zigaretten mehr. Apropos, die Frage muss natürlich noch sein: Verherrlichung des Tabakkonsums im Theater, geht das überhaupt? Johannes Hallervorden lächelt, für die Konfrontation mit Gesundheitsaposteln ist er gerüstet: „Warum nicht? Rauchen ist einfach ein gesellschaftliches Phänomen. Das war immer so und wird immer so sein.“

Die heutige Premiere ist ausverkauft. Nächste Vorstellung am 29. September. Karten und weitere Termine unter www.schlossparktheater.de.

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