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Oh Gott, wollen die jetzt alle was sagen? Die Darsteller der Vox-Serie "Club der roten Bänder" bei der Verleihung der Jupiter Awards 2017.

© dpa

Preisverleihungen und kein Ende: Liebe Organisatoren, warum quält ihr eure Gäste?

„Ich danke meiner Großtante, ohne deren Inspiration ich niemals...“ Wer Preisverleihungen besucht, kennt solche Sätze. Nicht nur ihretwegen ziehen sich die Zeremonien oft unnötig in die Länge - ein Rant.

Als ich die Wasserflasche auf dem harten Stuhl sah, geriet ich schon leicht in Panik. Der Beutel Studentenfutter daneben löste dann Alarmstufe Rot aus in meinem Kopf. Das wird ein langer Abend, ahnte ich – ein sehr, sehr langer. Nicht, dass es mir vorher an Problembewusstsein gefehlt hätte. Ich bin ein häufiger und entsprechend gestählter Gast bei Preisverleihungen. Gerade bei den U-Musik-Preisen hatte ich aber auf Gnade gehofft, denn dahinter steckt ein supercooler, netter Manager, der Hemden mit gestickten Monogrammen zu Turnschuhen trägt. Total stilsicher.

Außer beim Timing. Da unterscheidet er sich nicht vom Chef der Künstler-Gewerkschaft und vom trendbewussten Verleger, deren Devise lautet: Es muss so lange dauern, bis es quietscht. Das hat mit Kreativität zu tun und einer im Ansatz durchaus positiven Haltung, die niemanden außen vor lassen will. Weshalb sich Preiskategorien schneller vermehren als Kaninchen. Bei den E-Musik-Preisen wird es hart, wenn die TV-Übertragung schon vorbei ist. Dann gibt es Exoten-Preise für die bruchsicherste CD-Hülle oder das fusselfreiste Schäferlied. Oder so ähnlich.

Wo das Gute ist, da ist der Teufel nie fern

Natürlich ist es richtig, wenn das Gute Schlagzeilen macht. Aber wo das Gute ist, da ist der Teufel niemals fern. Der tarnt sich als Spitzen-Idee, und schon ist die Veranstaltung wieder länger und der Beelzebub seinem Ziel näher: Er will, dass die Leute irgendwann schreiend fliehen, wenn das Wort Preisverleihung auch nur fällt. Oft genug arten solche Veranstaltungen nämlich in verschärfte Geiselhaft aus, und jeder, wirklich jeder kann zum Opfer werden. Schließlich gibt es Preise für fast alles im Leben, für Schulen und Parfüms, für Musicals und Computerspiele, für Blogger und Mittelständler, Unternehmerinnen und Hausfrauen. Wer nicht bei drei auf dem Baum ist, läuft immer Gefahr, einen Freund, eine Bekannte oder Verwandte zu ihrem großen Moment begleiten zu müssen.

Nehmen wir nur mal die berühmten Medienpreise, die in aller Regel zur besten Sendezeit im Fernsehen übertragen werden. Wer da zu Hause gemütlich im Jogging-Anzug mit halbem Ohr hinhört, macht sich keinen Begriff davon, wie sehr die Leute leiden, die schwitzend im Saal ausharren müssen. Furchtbar beengt sitzen sie dort, meist in unbequemer Abendkleidung. Es ist heiß von den Scheinwerfern, sie bekommen stundenlang nichts zu trinken, und an eine kleine Flucht auf die Toilette ist vor laufender Kamera natürlich auch nicht zu denken. Gut, die meisten im Saal sind Prominente, die von den veranstaltenden Zeitschriften gut behandelt werden wollen, um dadurch ihren Ruhm zu mehren. Da ist so ein Disziplin-Marathon wohl nur ein angemessener Preis.

Die beste Rede hielt die Cutterin

Unvergessen ist der Coup einer Event-Unternehmerin, die einen nicht uneitlen Unternehmer darauf verpflichtete, die von ihm initiierte Preisverleihung auf eine Stunde zu begrenzen. Das ließ ihre ärgsten Kritiker in Ehrfurcht verstummen und brachte ihr den Ruf einer Löwenbändigerin ein. Denn man kann Preisträger dreimal bitten, ihre Danksagungen kurzzuhalten. Kommt dann ihr Moment des Ruhmes, soll es trotzdem ein nicht endender Moment sein, bei dem alle berücksichtigt werden müssen, die in der eigenen Biografie auch nur den kleinsten Platz haben („Ich danke meinem Hundefriseur, ohne den ich niemals...“). Es ist auch keineswegs so, dass erfahrene Stars interessantere Reden halten als weniger bühnenerprobte Preisträger. Beim Filmpreis kürzlich kam eine der besten Danksagungen von einer Cutterin, die für ihr Lebenswerk geehrt wurde.

Im Grunde ist das Problem einfach zu lösen. Es müsste ein Gesetz geben, das Preisverleihungen auf eine Stunde begrenzt. Zudem dürfte jede Kategorie allerhöchstens alle zwei Jahre vorkommen. Ein Hauptpreis plus drei jährlich wechselnde Nebenpreise, das reicht. Und statt komische Giveaways zu verteilen, spenden die Sponsoren, die ihren Namen mit der guten Sache adeln wollen, für Broschüren, in denen die Namen aller sonstigen verdienten Protagonisten aufgeführt sind, nebst Beschreibung ihrer Verdienste. Die dürfen dann ruhig richtig dick sein.

Dieser Text erschien als Rant im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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