zum Hauptinhalt
Ehrensache. In diesem Jahr waren besonders viele Berliner Unternehmerinnen nominiert für den „Bold Woman Award“. Gewonnen hat am Ende Saskia Bruysten, die Gründerin und Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Yunus Social Business.

© Promo

Preis für mutige Businessfrauen: Gewinnerin unterstützt mit ihrer Firma Entwicklungsländer

Beim „Bold Women Award“ werden Geschäftsfrauen geehrt, die auch die Gesellschaft besser machen. Eine französische Witwe ist das historische Vorbild des Preises.

Ein neuer Anzug muss her? Das wäre ja nicht so schlimm, wenn Klamottenshoppen für manchen Mann nicht so ein furchtbarer Graus wäre.

Erst kriegt man Klaustrophobieattacken beim Betreten eines Kaufhauses, dann muss man sich mitten am Tag in einer engen Kabine aus- und wieder anziehen.

Und das womöglich mehrmals hintereinander. Dass Männer nicht gern einkaufen, mag wie ein Klischee klingen. Aber es lässt sich mit Zahlen belegen.

80 Millionen Euro Umsatz macht Julia Bösch, die Gründerin der „Outfittery“ jährlich. Über eine Million Männer macht sie mit ihrer Geschäftsidee glücklicher.

Die Kunden von Europas größtem Personal Shopping Onlineportal für Männer müssen am Computer nur ein paar Fragen beantworten.

Ein persönlicher Stylist stellt sodann eine Auswahl an Kleidungsstücken zusammen, die zur Anprobe nach Hause geschickt werden. Mit dieser Geschäftsidee beschäftigt Julia Bösch inzwischen 400 Mitarbeiter und ist derzeit in acht Ländern unterwegs.

Julia Bösch war eine von drei Nominierten für den diesjährigen „Bold Women Award“, der dieser Tage in der französischen Botschaft verliehen wurde.

Es geht darum, Frauen auszuzeichnen, die mutig und visionär und durchsetzungsstark und dabei auch sozial eingestellt sind.

Der Preis soll auch an Madame Clicquot erinnern

Botschafterin Anne-Marie Descôtes ist stolz darauf, wie präsent das Thema ist in ihrem Land. „Gleichstellung hat eine hohe Priorität für Präsident Macron“, sagte sie am Rande der Preisverleihung.

Auch sie selbst lädt immer wieder zu Veranstaltungen ein, in denen es um Frauen und deren Förderung geht, ob im Filmbereich oder in der künstlichen Intelligenz oder beim Netzwerken afrikanischer Frauen.

In ihrer Rede erinnerte sie auch an den Ursprung des Preises, der vom Champagnerhaus Veuve Clicquot ausgelobt wird und an Madame Clicquot erinnern soll, die im Alter von 27 Jahren ihren Mann verlor.

Das war 1805, als Frauen noch nicht arbeiten oder gar ein Bankkonto besitzen durften. Gegen alle Konventionen und Widerstände setzte sie sich durch und führte ihr Champagnerhaus schließlich sogar zu internationalem Erfolg. Ihr ist auch der rosa Champagner zu verdanken, den es heute auch von anderen Marken gibt. Seit 1972, als das Unternehmen 200. Geburtstag feierte, wurden mit dem Preis schon 350 Frauen in 27 Ländern ausgezeichnet.

In Deutschland gibt es ihn seit 1984. Der Begriff „Bold“ steht für einen neuen Typ von Unternehmerinnen, die stark, selbstbewusst und sozial agieren.

Neben der Berlinerin Julia Bösch waren noch zwei weitere Frauen nominiert. Auch Lea Lange hat eine Marktlücke entdeckt, die sich in der digitalen Welt bestens umsetzen ließ.

Hochwertige und außergewöhnlich Kunst wollte sie mit ihrem Unternehmen „Junique“ breiteren Schichten erschwinglich und zugänglich machen. Gemeinsam mit zwei Partnern setzte sie ihre Geschäftsidee 2014 um und zählt inzwischen weltweit schon 600 Kreative zu ihrer Community.

Seit der Gründung konnte ihr Unternehmen 55.000 Jobs unterstützen

Gewonnen hat am Ende Saskia Bruysten, die Gründerin und Geschäftsführerin von Yunus Social Business.

Bei einem Vortrag in London begegnete sie dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der in Bangladesch die Idee entwickelte, sehr armen Menschen mit Mikrokrediten eine Existenzgrundlage zu verschaffen. Gemeinsam mit ihm und einer Partnerin gründete Saskia Bruysten 2011 das Beratungsunternehmen und außerdem einen Social Business Venture Capital Fonds. Inzwischen hat das Unternehmen über 70 Mitarbeiter und neben dem Büro in Berlin auch Sitze in Sao Paolo, Bogota, Kampala, Nairobi, Mumbai und Bangalore. Seit der Gründung konnte das Unternehmen über 55 000 Arbeitsplätze unterstützen und mehr als neun Millionen Menschen mit Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Ausbildung weiterhelfen. Außerdem beraten ihre Mitarbeiter auch große Unternehmen, wie sie über ihr eigentliches Geschäft hinaus dazu beitragen können, soziale Probleme zu lösen und die Umwelt besser zu schützen.

Der Preis, der als Pioniertat im Bereich der Ehrungen für erfolgreiche Geschäftsfrauen gilt, wurde in diesem Jahr erweitert um den „Bold Future Award“ für junge Start-up-Gründerinnen, die noch nicht so erfolgreich und erfahren sein mögen, aber Neues und Ungewöhnliches gewagt haben. Unter den Nominierten war Varena Junge, die mit ihrem Unternehmen Enyway einen Online-Marktplatz für Strom geschaffen hat, der ohne den Umweg über einen großen Energiekonzern verkauft wird. Ein Forschungsprojekt an der TU Berlin hat Johanna Schulz dazu gebracht „Akvola Technologies“ zu gründen. Ihr Unternehmen konzipiert kostengünstige und umweltfreundliche Lösungen, um Schadstoffe aus ölhaltigen Industrieabwässsern herauszufiltern.

Auch sie gründete mit zwei Partnern und zählt unter anderem die Bundesregierung zu ihren Kunden. Gewonnen hat Antonia Albert, die Gründerin von „Careship“ einem ebenfalls digital agierenden Unternehmen, das Alltagshelfer einsetzt, um Familien zu unterstützen, die einen pflegebedürftigen Angehörigen versorgen müssen. Sie setzt dabei nicht nur Pflegekräfte ein, sondern auch Menschen, die durch Empathie und eine gute Persönlichkeit für die Arbeit geeignet sind. Neben Berlin ist sie in sechs weiteren deutschen Großstädten tätig.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Neun prominente Jurymitglieder, darunter die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), die Berliner Unternehmerin Verena Pausder und SAP-Personalchef Cawa Younosi, hatten über die Preisvergabe entschieden.

So wie einst die Witwe Clicquot weit in die Zukunft reichte, indem sie in ihrer Welt zeigte, wie gut Frauen als Unternehmerinnen sind, nutzen die hier ausgezeichneten Frauen ungebremst die Möglichkeiten, die ihnen die digitale Welt und neue Technologien bieten. Auch das mag manchem Klischee widersprechen, muss ihnen aber nicht die Lust daran verderben, die eigene Kleidung auf entspannenden Streifzügen selber zu finden. Die Kunden der „Outfittery“ bekommen derweil jede erdenkliche Unterstützung aus dem Netz. Den perfekten Anzug finden nämlich nicht die Stylisten allein. Sie werden dabei unterstützt von Algorithmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false