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Zum ersten Mal wurde der Preis für die Sichtbarkeit lesbischen Lebens in Berlin verliehen.

© picture alliance / dpa

Preis für die Sichtbarkeit lesbischen Lebens: Aktivistin Ilse Kokula in Berlin ausgezeichnet

3000 Euro für mehr Sichtbarkeit lesbischen Lebens – ausgelobt vom Senat. Doch schon vor der ersten Preisverleihung am Montagabend gab es Kritik.

Eine Wissenschaftlerin, eine Musikproduzentin, eine Kabarettistin – auf den ersten Blick haben die drei Frauen nicht viel miteinander gemeinsam. Sie alle setzen sich dafür ein, dass lesbisches Lebens als solches benannt und sichtbar gemacht wird. Dafür gibt es nun einen Preis, ausgelobt vom Senat, der am Montagabend im Neuköllner Schwuz zum ersten Mal verliehen wurde. 3000 Euro hat der Senat dafür locker gemacht, verteilt auf die drei Nominierten.

Ilse Kokula wurde von der Jury zur Siegerin gekürt. Aus gesundheitlichen Gründe konnte sie zwar nicht an der Preisverleihung teilnehmen, sie habe das aber gelassen gesehen, ließ sie ihre Laudatorin Stephanie Kuhnen ausrichten: „Ich weiß ja, was ich getan habe.“

Die in Schlesien geborene und seit 1971 in Berlin lebende Pädagogin, setzt sich sowohl in Forschung und Lehre, als auch im Lesbischen Aktionszentrum für die Rechte und gesellschaftliche Anerkennung von Lesben ein. Zudem regte sie als erste Gleichstellungsbeauftragte des Referats für gleichgeschlechtliche Lebensweisen des Senats wichtige Diskussionen wie die zum Gedenken homosexueller NS-Opfer oder über die Förderung der Integration von Homosexuellen an. Für ihren Einsatz erhielt sie 2007 das Bundesverdienstkreuz, geriet allerdings ein wenig in Vergessenheit. Der Preis soll auch dazu beitragen, ihre Verdienste wieder ins Gedächtnis zu rufen.

"Respektvoll und unermüdlich" für die Sichtbarkeit von Lesben

Die beiden weiteren Nominierten sind Kabarettistin und Schauspielerin Sigrid Grajek und DJ Ipek. „Erinnerungskultur pflegend und Geschichte lebendig haltend“ sei Sigrid Grajek in ganz Deutschland unterwegs, sagte Laudatorin Ute Hiller. Grajek ist seit vielen Jahren als Claire Waldoff, die als lesbische Sängerin in Krawatte und Anzug während der Zwischenkriegszeit in Berlin für Furore sorgte, oder als ihr Alter Ego Coco Lorès auf den Bühnen der Stadt unterwegs. Als lesbische Aktivistin sorge sie „respektvoll und unermüdlich“ für die Sichtbarkeit von Lesben, sagte Hiller.

Viele Kämpfe ausgefochten. Ipek Ipekcioglu, Musikproduzentin und Autorin, legt als DJ Ipek im SO 36 auf.
Viele Kämpfe ausgefochten. Ipek Ipekcioglu, Musikproduzentin und Autorin, legt als DJ Ipek im SO 36 auf.

© Gerhard Lebe/Imago

Die Siegerin Ilse Kokula habe den Preis DJ Ipek gewünscht, „weil wir gerade jetzt die stärken müssen, die angegriffen werden“, sagte Laudatorin Kuhnen. DJ Ipek, die eigentlich Ipek Ipekcioglu heißt, legt unter anderem im SO36 auf, ist Musikproduzentin und freie Autorin. Ipekcioglu schaffe weltweit Begegnungen durch ihre Musik und habe als lesbische Frau mit türkischen Wurzeln „viele Kämpfe ausgefochten und Türen geöffnet“, begründete die Jury ihre Nominierung.

Kritik am "Zielgruppenranking"

Mit 3000 Euro ist der Preis genauso hoch dotiert wie vergleichbare durch das Land vergebene Preise. Kritik kam im Vorfeld ausgerechnet von der Berliner Schwulenberatung. Diese konkurriert seit einiger Zeit auch schon mit einer lesbischen Initiative wegen eines Grundstücks für ein Wohnprojekt. Jetzt schrieb der Geschäftsführer in einem Brief an Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), mit dem Preis werde „ein ,Zielgruppenranking‘ betrieben, welches doch sehr zu kritisieren ist“. Aus der Gruppe der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen „eine Teilgruppe durch einen Preis besonders hervorzuheben ist kontraproduktiv“.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der auch für Antidiskriminierung und damit für den Preis verantwortlich ist, kann die Kritik nicht nachvollziehen. Es liege kein Widerspruch darin, verschiedenen Zielgruppen mit vielfältigen Maßnahmen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen und dabei die eine oder andere verstärkt in den Fokus zu rücken, sagte Behrendt auf Anfrage: „Als schwuler Mann fühle ich mich jedenfalls von der geäußerten Kritik am Preis für lesbische Sichtbarkeit nicht repräsentiert.“ Lesbische Menschen hätten Berlin positiv und nachhaltig verändert und unverzichtbare Spuren hinterlassen. Das sei jedoch bisher nicht ausreichend gewürdigt worden.

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