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Demonstration gegen die Impfpflicht in der Pflege und dem Gesundheitswesen in Chemnitz.

© imago images/HärtelPRESS

„Praktisch-politisch problematisch“: Berliner Amtsärzte halten berufsbezogene Impfpflicht für kaum umsetzbar

Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen müssen bald komplett gegen Corona geimpft sein – doch in Berlin wird das kaum durchführbar sein.

Die berufsbezogene Impfpflicht in Medizin und Pflege droht in der Praxis zu scheitern. In Berlin werden die zuständigen Gesundheitsämter ungeimpften Beschäftigten auch ab dem Stichtag 16. März nicht wie geplant untersagen können, ihre Arbeitsplätze in Krankenhäusern, Heimen und Praxen zu betreten.

„Diese Impfpflicht ist kaum umzusetzen. Erstens haben die Gesundheitsämter nicht genug Personal, um jeden Einzelfall in jeder Klinik, jedem Pflegeheim, jeder Arztpraxis zu prüfen“, sagte Amtsarzt Patrick Larscheid aus Berlin-Reinickendorf dem Tagesspiegel. In Berlins zwölf Gesundheitsämtern fehlen seit Jahren 500 Fachkräfte. „Es drohen zudem zig Klagen von Betroffenen.“

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Weiter sagte Larscheid: „Zweitens, erst nachdem die Ämter die Auswirkung auf die jeweilige Einrichtung geprüft haben, könnten sie ein Betretungsverbot aussprechen – doch auf wie viel Personal kann eine Klinik im Alltag verzichten? Wir Amtsärzte bewerten diese Impfpflicht als fachlich korrekt, aber praktisch-politisch problematisch.“

Er sehe die Rolle der Ämter als zu weit ausgelegt: „Denn drittens betreiben wir Amtsärzte so letztlich Strukturpolitik, träfen also indirekt weitreichende Personalentscheidungen für eine ganze Branche – was uns gesetzlich nicht zusteht.“

Nach dem Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht muss Personal im Gesundheitswesen bis Mitte März eine vollständige Corona-Impfung nachweisen. In Berlin beträfe dies mindestens 180.000 Beschäftigte – und noch weit mehr, wenn Labore und Pharmafirmen dazu zählten.
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Die Impfquote im Gesundheitswesen liegt laut Robert Koch-Institut im Schnitt bei 80 Prozent – je nach Arbeitsstätte fällt das aber sehr unterschiedlich aus. In Berlins landeseigenen Vivantes-Krankenhäusern sind bereits mindestens 85 Prozent geimpft – täglich kämen jetzt noch Mitarbeiter hinzu, sagte ein Konzernsprecher. In der Charité sind 90 Prozent geimpft, bestätigte die Universitätsklinik, auch dort wachse die Quote noch.

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Berlins fast 90 Einzelkliniken melden den individuellen Impfstatus an die Ämter, nur sie können „Betretungsverbote“ bis Jahresende aussprechen – so sieht es das Gesetz vor. Das gilt auch für hunderte ambulante Dienste und Pflegeheime sowie tausende Praxen in Berlin.

Senatsverwaltungen erarbeiten „Berliner Modell“ für Impfpflicht

Berlins Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) will an der von Bund und Ländern beschlossenen Impfpflicht festhalten. Sie kritisierte die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geplante Aussetzung des Gesetzes. Am Mittwoch sagte Berlins Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz (Grüne), man berate mit den Senatsverwaltungen für Arbeit und Inneres angesichts der Umsetzungsprobleme über ein „Berliner Modell“.

Die Bundesärztekammer verteidigt die einrichtungsbezogene Impfpflicht – verwies aber wie der Deutsche Berufsverbandes für Pflegeberufe darauf, dass man sich kein Abwandern von Personal aus Kliniken und Heimen leiste könne.

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