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Prügel auf dem Schulhof. Auch an Berlins Schulen gab es im Jahr 2016 etwas mehr Rohheitsdelikte.

© Foto: dpa/Oliver Berg

Präventionsstelle veröffentlicht Studie: An Berlins Rändern nimmt die Jugendgewalt zu

Die Jugendgewalt in der Hauptstadt ist gestiegen. Besonders belastet sind Großsiedlungen. In den Blick geraten Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus.

Seit 2013 nahm die Jugendgewalt in Berlin kontinuierlich ab – doch im Jahr 2016 gab es erstmal wieder einen leichten Anstieg um 2,4 Prozentpunkte. Das geht aus dem „Vierten Monitoring zur Jugendgewaltdelinquenz in Berlin“ hervor. Die Studie wurde von der Landesarbeitsstelle Jugendgewaltprävention erarbeitet und am Dienstag vorgestellt. Die geringfügige Zunahme verursachen offenbar vor allem junge, meist geflüchtete Tatverdächtige mit unsicherem Aufenthaltsstatus.

Die Zahl der Tatverdächtigen, denen Rohheitsdelikte wie leichte Körperverletzung zur Last gelegt werden, hat sich bei dieser Gruppe mehr als verdoppelt. Dieser Gruppe wurden 2016 rund 40 Prozent mehr Rohheitsdelikte wie vorsätzliche leichte Körperverletzung zur Last gelegt als im Jahr zuvor. Bei den deutschen Tatverdächtigen mit und ohne Migrationshintergrund waren solche Delikte auch im Jahr 2016 weiter rückläufig.

Die Autoren der Studie weisen jedoch darauf hin, dass der Vergleich nach Herkunft der Tatverdächtigen methodisch schwierig ist. Insbesondere muss die Zunahme bei den Tatverdächtigen mit unsicherem Aufenthaltsstatus demnach vor dem Hintergrund der im selben Zeitraum ebenfalls gestiegenen Zahl Geflüchteter insgesamt gesehen werden. Wegen unterschiedlicher Erfassungssysteme und fehlender aktueller Daten lasse sich diese Entwicklung nicht zuverlässig einordnen. Allerdings sei die Schlussfolgerung möglich, dass in der Gewaltprävention ein besonderer Bedarf an Handlungsstrategien für diese Gruppe bestehe.

Die Studie warnt vor einer Dramatisierung

Trotz des insgesamt leichten Anstiegs ist Berlin aber keineswegs auf dem Weg zu einer Metropole der Jugendgewalt. Einen „Anlass zur Dramatisierung“ sieht die Studie nicht, es sei auch noch unklar, ob sich überhaupt eine Trendwende abzeichne. Eindeutig erkennbar und offenbar schwer aufzuhalten ist hingegen die Tendenz zur Gewaltverschiebung in die Großsiedlungen am Stadtrand sowie in citynahe Wohngebiete mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Menschen und Migrantenfamilien. Fazit der Studie: „Die Polarisierung nimmt in Berlin zu.“

Vergleichsweise stark belastet mit Jugendgewalt waren im Jahr 2016 demnach die Bezirke Mitte, Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf und Spandau. Im Mittelfeld lagen Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg. In Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick, Steglitz-Zehlendorf und Pankow verüben Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende zwischen 8 und 21 Jahren hingegen deutlich weniger Gewalttaten.

Auch in den Schulen gab es einen Anstieg der Gewalt

Den auffälligsten Kontrast dazu findet man in den Gewaltstatistiken von Mitte und Marzahn-Hellersdorf. Beide Bezirke sind schon seit 2012 gemäß dem Monitoring weitaus überdurchschnittlich belastet. Insbesondere die von Großsiedlungen geprägten Regionen Hellersdorf-Nord, Marzahn-Nord, Hellersdorf-Ost und Marzahn-Mitte liegen im obersten Bereich aller Berliner Bezirksregionen. Andere Ortsteile von Marzahn-Hellersdorf mit vielen Einfamilien- und Reihenhäusern wie Biesdorf, Mahlsdorf oder Kaulsdorf sind – gemessen an der polizeilichen Gewaltstatistik – hingegen erheblich sicherer.

Ein ähnliches Bild wie in den Bezirken zeichnet sich bei Jugendgewaltdelikten auch in Berlins Schulen ab. Dort gab es gleichfalls einen Anstieg. Den negativen Spitzenplatz hält hier seit einigen Jahren ebenfalls Marzahn-Hellersdorf. Blickt man in die „Schulgewaltstatistik“ der Berliner Polizei des Jahres 2016, so wurden von insgesamt 1489 Rohheitsdelikten auf Schulgeländen allein im Marzahn-Hellersdorf 285 Delikte verübt. Es folgten der Bezirk Mitte mit 240 und Neukölln mit 159 solcher Fälle.

Unter „Rohheitsdelikten“ fasst die Polizei Körperverletzung und Raub sowie „Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ zusammen. Deutlich zugenommen haben gemäß dem Monitoring besonders die Fälle von Körperverletzung in Schulen. Hier gab es zwischen 2015 und 2016 einen Anstieg von zehn Prozent.

Die Zahlen für 2017 werden noch zurückgehalten

Ob sich der Trend zu mehr Gewalt auch 2017 fortgesetzt hat, lässt sich zurzeit nicht sagen, denn die Bildungsverwaltung gibt die aktuellen Zahlen vom zweiten Schulhalbjahr 2016/17 noch nicht heraus. Die Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), Beate Stoffers, begründet das Zurückhalten der Daten damit, dass „die Meldungen der Schulen erst evaluiert und wissenschaftlich untersucht werden“. Denn es habe sich herausgestellt hat, dass manche Schulen wichtige Vorkommnisse gar nicht melden, während andere Schulen selbst über Lappalien Bericht erstatten.

Dieses Vorgehen ist neu: Bislang war die Gewaltstatistik halbjährig erhoben und vom SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck erfragt und publiziert worden. Noch im September dieses Jahres hatte Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) dem Abgeordneten mitgeteilt, dass die Daten „voraussichtlich Ende Oktober zur Verfügung stehen werden“.

Mehr Geld für Prävention gegen Jugendgewalt

Um Jugendgewalt präventiv einzudämmen, erhielt jeder Bezirk bisher 135.000 Euro pro Jahr für entsprechende soziale Initiativen. Ab 2018 soll dieser Zuschuss auf 150.000 Euro erhöht werden. Wichtig für diese Arbeit seien „sozialraumbezogene, kiezgenaue Kenntnisse über Jugendgewalt“, teilte Berlins Senatsinnenverwaltung anlässlich der Präsentation des neuen Monitorings mit. Die Studie wird seit 2013 alljährlich erstellt.

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