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Otfried Laur, Judy Winter und Reni Laur bei bei der Abschiedsgala im Renaissance-Theater Berlin.

© imago/Agentur Baganz

Kultur in Berlin: Theaterclub-Präsident Otfried Laur mit Gala verabschiedet

Nach mehr als 50 Jahren wurde Otfried Laur mit einer Gala als Präsident des Berliner Theaterclubs verabschiedet.

Wenn an einem einzigen Theaterabend so oft Ausdrücke wie „Servus“, „Du gehst fort“ oder auch „Dankeschön“ gesungen werden, muss es wohl ernst gemeint sein mit dem Abschied. Tatsächlich versicherte Otfried Lauer, Gründer des Berliner Theaterclubs und mehr als 50 Jahre dessen Präsident, bei einer Gala am Sonnabend zu seinen Ehren im Renaissance-Theater dass von nun an er und seine Frau Reni nur noch als Privatleute unterwegs sein wollen – wenn die letzten vier Arbeitstage in dieser Woche auch vorüber sind.

Mit 80 Mitgliedern wurde die immer noch größte Besucherorganisation der Stadt im September 1967 von Laur und seiner Frau Renate gegründet. Mit über 50.000 Mitgliedern war sie später mitgliederstärkster Verein der Stadt. Heute hat der Berliner Theaterclub e.V. immer noch 22.585 Mitglieder.

In Talkshow-Blöcken, die in die szenischen Darbietungen eingefügt waren, führte der 75-jährige Laur den Rückgang im Gespräch mit Regisseur Hans-Jürgen Schatz auch auf den Niedergang der Operette und aktuell des Boulevard-Theaters am Beispiel der Kudamm-Bühnen zurück.

„Der ist nie griesgrämig wie andere, immer sehr freundlich“

An so einem Abend geht es aber natürlich überwiegend um glückliche Zeiten, in denen das Leben sich reimt. „Ohne Trauer“ etwa passt wunderbar zu „Otfried Laur“. Bert Beel weinte in bester Schlager-Manier den Abschiedsschmerz in die Kissen. Dem ließ Gaby Decker ein vielsagend geschmettertes „You’re Simply the Best“ folgen.

Mit „I’m your Private Dancer“ sang sie Laur sogar direkt an, was der mit einiger Routine wegsteckte. Solange ist man nicht im Theatergeschäft, als dass dies die erste Ehrung dieser Art gewesen wäre. Oder, wie es Klaus Wowereit in Begleitung seines Partners Jörn Kubicki, dezent formulierte: „Wir waren ja schon bei manchem Jubiläum.“ Und vermutete: „Das nächste Mal wird es dann vielleicht der 80. Geburtstag sein.“ Der Ex-Regierende Bürgermeister hatte auch eine Erklärung parat für die Popularität Laurs: „Der ist nie griesgrämig wie andere, immer sehr freundlich.“

Viele Weggefährten waren gekommen ins pickepacke volle Theater, darunter Anita Kupsch, Marion Kracht und Georg „Mary“ Preusse. In der ersten Reihe saßen unter anderem der Vorsitzende des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon, und der Intendant des Renaissance Theaters, Horst Filohn. In der Talkshow-Ecke auf der Bühne lag gewichtig auf dem Tisch das rotsamten eingebundene Werk zum 50. Jubiläum.

Natürlich war viel die Rede vom Erfolgskonzept des Clubs: Freie Wahl der Vorstellungen, ermäßigte Preise und Karten frei Haus. Aber auch an die Heerscharen westdeutscher Schulklassen, die bei ihren Pflichtbesuchen vor dem Mauerfall dank der sogenannten „Laur-Tüten“ auf freie Theaterplätze katapultiert wurden, wurde erinnert.

Abwesende Weggefährten fanden ebenfalls Erwähnung, Harald Juhnke, Edith Hancke, Max Raabe, der von seiner US-Tournee aus Minneapolis grüßen ließ. Dass Frau Reni am Ende zum finalen Abschiedsbild zunächst gar nicht mitkommen wollte auf die Bühne, erzählte wohl ein bisschen vom Selbstverständnis der Frauen ihrer Generation.

„Für ihn kam immer zuerst der Club, dann erst er selber“

Warum der Abschied Laurs, der mit schwarzer Glitzerfliege und einem von silbernen Streifen durchwirkten Smoking-Jackett ebenfalls in der ersten Reihe saß, nicht gleich bei der Gala zum 50-jährigen Bestehen des Clubs mitgefeiert wurde, erklärte Hans-Jürgen Schatz plausibel so: „Für ihn kam immer zuerst der Club, dann erst er selber.“

Dem Augenschein nach mochten manche der Zuschauer, die am Samstagabend das Theater dem Biergarten vorzogen, sicher auch schon seit 50 Jahren dabei sein. Dagmar Biener sang „Als Hausfrau ist man ständig auf Wanderschaft“, wie aus einer anderen Zeit. Sehr stimmgewaltig füllte Felix Martin den sich ins „Weiße Rössl“verwandelnden Raum.

Dass seine Frau mal Dirndlkönigin am Wolfgangsee war, erwähnt Laur voller Stolz. Es sitzen hier Eingeweihte, die wissen, was für eine große Rolle Frau Reni spielte, die man wunderbar mit dem alten Heintje-Hit anschmachten kann, wenn man nur „Mama“ durch „Reni“ ersetzt.

Demnächst wollen die beiden viel auf Reisen gehen. Mehr Zeit für die Briefmarkensammlung bleibt auch, denn jede Marke erzählt ja ihre eigene Geschichte. Wie vielleicht auch Otfried Laur eine ganz neue Geschichte erzählen will. Schon flackern in seinem Kopf die ersten Ideen zu einem Kriminalroman auf.

Katharine Mehrling hatte schon zum Abschied seiner Rolle als Konzertveranstalter vor vier Jahren „Milord“ und „Je ne regrette rien“ gesungen, und das kommt, quirlig und charmant, auch hier sehr gut an. Judy Winter, von Kopf bis Fuß Grande Dame, leitete dann ins Finale über mit Variationen von „Lili Marlen“ und „Sag’ mir wo die Blumen sind“ und schließlich der alten Marlene-Dietrich- Nummer „The Boys in the Backroom“, weil so ein Abend ja schwungvoll und mit guter Laune enden muss.

Nachfolger Dirk Streich soll neue Impulse setzen

Die an diesem Abend öfter erwähnten Berliner Kammerspiele und das Hansa-Theater in Moabit sind Geschichte. Schon am Tag nach der Gala präsentierte sich das aktuelle Berliner Theaterprogramm freilich mit neuen, aufgelockerten Formen. Alexandra Kamp und Dietmar Horcicka hatten für einen Auftritt im Hotel O! einen Theaterdialog unter dem Titel „Love Letters“ einstudiert, und das Ensemble „Puccini’s Toaster“ lockte zur Pop-up-Oper mit „La Traviata“ und der libertinären Erlaubnis, Bier zur Oper zu trinken, ins alte Stummfilmkino nach Weißensee.

Neue Impulse erwartet Otfried Laur nun auch von seinem Nachfolger Dirk Streich, der im Parkett saß an diesem großen Abschiedsabend. Nach so vielen Festen und Bällen, die er selbst veranstaltet hat, freut sich Laur ganz glaubhaft darauf, seine Leidenschaft fürs Theater künftig ohne Rücksicht auf den morgendlichen Wecker ausleben zu können.

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