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Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) hatte schon bessere Zeiten.

© Jörg Carstensen/dpa

Pop-up-Radwege und Klimapaket: Der Stil von Günther ähnelt dem einer Aktivistin

Berlins Verkehrssenatorin gilt schon länger als Wackelkandidatin innerhalb des Senats. Die Verschiebung ihres Klimapakets schwächt sie weiter. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Kiesel

Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) hatte schon bessere Zeiten, so viel ist sicher. Einen Tag nachdem das Verwaltungsgericht die Hälfte der sogenannten Pop-up-Radwege für rechtswidrig erklärt und ihrer Behörde schlampige Arbeit attestiert hatte, kassierte Günther am Dienstag den nächsten Wirkungstreffer.

Ausgeholt hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) höchstpersönlich. In Abstimmung mit seiner Partei und dem designierten Nachfolger auf dem Posten des SPD-Landeschefs, Raed Saleh, blockierte Müller im Senat die geplante Verabschiedung eines von Günther geschnürten Klimapakets. Aus deren Sicht ein Affront: Müller hatte das am Abend zuvor bereits im SPD-Landesvorstand angekündigt. In der Runde der Staatssekretäre, für die Vorbereitung der Senatssitzung zuständig, fiel dazu kein Wort.

Allerdings: Die sich selbst „überrascht“ gebende Günther hätte es wissen können, ja müssen. Denn tatsächlich gehen den Genossen viele ihrer Vorhaben in Sachen Klimaschutz zu weit, das ist spätestens seit der SPD-Fraktionsklausur im Frühjahr bekannt.

Der Widerstand gegen Projekte wie die City-Maut, eine autofreie Straße Unter den Linden oder gar die „Zero Emission Zone“ wird sich nicht einfach so in Luft auflösen. Die Linie der Sozialdemokraten – erst die Alternativen verbessern, dann die Autos aussperren – ist klar. Die Senatorin konzentriert sich vor allem auf letzteres und vergisst dabei nach Ansicht vieler diejenigen, die außerhalb des S-Bahnrings leben.

Günthers Politikansatz ist, das belegt das Urteil zu den Pop-up-Radwegen, erstens unprofessionell und lädt zweitens zu „Attacken unter Freunden“ nur so ein – erst recht im Vorwahljahr. Koalitionäre wie Parteifreunde Günthers kritisieren, dass diese zu oft allein und mit dem Kopf durch die Wand handele. Ihr Stil ähnelt dem einer Aktivistin eher als dem einer Politikerin, die Partner und manchmal sogar Gegner für die eigenen Ziele gewinnt. Abstimmungen oder Zugeständnisse sind Günthers Sache nicht – zum Schaden der eigentlichen Ziele.

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Erschwerend kommt hinzu: Das Veto Müllers hat eine oder sogar mehrere Vorgeschichten. Die Koalition und allen voran das Verhältnis zwischen Grünen und SPD ist in keinem guten Zustand – von Prima-Klima keine Spur. Während offizielle Verlautbarungen im Ton den Anschein einer Koalition der gemeinsamen Ziele aufrechterhalten, wird es im Hintergrund deutlich rauer.

Vorwürfe wie „Foulspiel“, „Wahlkampfmodus“ oder „Retourkutsche“ werden da fleißig gegeneinander erhoben. Wer angefangen hat und wer in diesem Streit eigentlich der Klügere ist, lässt sich angesichts der Dauer der Auseinandersetzung kaum noch aufklären. Dem gemeinsamen Ziel, der Fortsetzung der Koalition über das Jahr 2021 hinaus, schadet das Vorgehen jedoch ungemein.

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