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Trickreich. Besonders Touristen fallen auf die Betrüger herein.

© imago/Werner Schmitt

Polizeigewerkschaft sieht andere Prioritäten: Berliner Einheit gegen Hütchenspieler aufgelöst

Statt der eigens gegründeten Ermittlungsgruppe sollen nun die einzelnen Polizeiabschnitte in Eigenregie gegen die Hütchenspieler-Banden vorgehen.

Die Ermittlungsgruppe war eigens gegründet worden, um gegen Hütchenspieler vorzugehen. Damit ist nun Schluss. Die im Jahr 2013 mit vier Polizeibeamten in den Direktionen 2 und 3 – in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau – aufgestellte Einheit „Hütchenspielbetrug“ ist aufgelöst worden. Statt der Spezialisten sollen nun die einzelnen Polizeiabschnitte unter eigener Regie gegen die Hütchenspieler-Banden vorgehen. Einen entsprechenden „B.Z.“-Bericht bestätigte ein Polizeisprecher am Dienstag auf Tagesspiegel-Anfrage.

Die repressiv ausgerichtete Einheit war bereits von vier auf zwei Beamte geschrumpft worden, die Beamten kamen trotz Erfolgen und beschlagnahmter Gewinne von mehreren zehntausend Euro nicht mehr hinterher. Schließlich gab es intern Streit, weil die Einheit Hilfe anforderte, was aber nicht alle Abschnitte mitgemacht haben sollen. Zum Jahreswechsel dann wurde die Ermittlungsgruppe auf Geheiß der Polizeispitze aufgelöst.

Touristen sollen zukünftig mit einem Piktogramm gewarnt werden

Die Behördenleitung habe entschieden, dass die Hütchenspieler-Banden nicht mehr zentral, sondern dezentral „unter eigener Priorisierung“ der Polizeiabschnitte vor Ort bekämpft werden sollen, hieß es. Das betrifft neben den bisherigen Direktionen auch die Direktionen 4 und 5, also Zehlendorf-Steglitz und Tempelhof-Schöneberg sowie Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Gesteuert werde das Vorgehen durch das Lagebild des Landeskriminalamtes (LKA).

Im Klartext: Wenn Experten im LKA ein Problem mit Hütchenspielern sehen, müssen die Direktionen dem nachgehen – je nach Personallage neben vielen anderen Problemen. Parallel gibt es die Idee, Touristen künftig mit einem Piktogramm vor Hütchenspielern zu warnen. Es zeigt drei Streichholzschachteln und soll an den zentralen Anlaufstellen der Banden, etwa am Alexanderplatz, in der Friedrichstraße rund um den Checkpoint Charlie, an der East Side Gallery und rund um den Ku’damm angebracht werden.

Die meisten sind „reisende Täter aus Mazedonien“

Fraglich ist, ob das ausreicht. Die Aufgaben in den Banden sind klar verteilt, meist sind es acht bis zehn Personen. Einige locken Passanten an, bilden eine Traube um den Spieler, es gibt Aufpasser, die nach Polizei Ausschau halten. Nach Angaben der Senatsinnenverwaltung vom Juli 2017 auf eine Anfrage des SPD- Abgeordneten Joschka Langenbrinck umfasst die Szene rund 200 Personen, 60 sind in Berlin gemeldet. Die meisten sind „reisende Täter aus Mazedonien“.

Sie kommen für drei, vier Monate nach Berlin. Es handelt sich um organisierte Betrugskriminalität. 2016 registrierte die Polizei im Vergleich zu 2015 einen deutlichen Anstieg: Mehr Strafanzeigen, Ordnungswidrigkeiten, mehr Platzverweise, Hütchenspieler wurden häufiger gesucht. Und es wurden mehr Aufenthaltsverbotsverfügungen erlassen: Damit durften sich Hütchenspieler nicht mehr in bestimmte Bereiche der Stadt begeben.

„Die Tischdecke ist zu kurz“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigt aber Verständnis dafür, die Einheit aufzulösen. Sprecher Benjamin Jendro sagte, die Einheit mit nur vier Beamten sei von Beginn an „nicht der Bereich gewesen, in den massiv Personal reingebuttert wurde“. Es sei auch nicht das größte Problem für das Sicherheitsgefühl der Berliner. „Dieser Betrug auf Berlins Straßen ist nicht gut, aber es gibt Sachen, die auf der Prioritätenliste höher anzusiedeln sind.“ Als Beispiel nannte er die Gewalt von Jugendgruppen auf dem Alexanderplatz. Hier zeige sich ein Grundproblem der Berliner Polizei: „Die Tischdecke ist zu kurz.“

Irritiert zeigte sich der SPD-Abgeordnete Langenbrinck. Zum Aus der Einheit sagte er: „Das überrascht mich.“ Er werde mit Innensenator Andreas Geisel (SPD) darüber reden.

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