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Voller Einsatz. Polizisten und Autonomen-Sympathisanten am Mittwoch nach der Gerichtsentscheidung.

© Boillot /Davids

Polizeieinsatz in der Rigaer in Berlin-Friedrichshain: „Niemand hat gern ständig die Polizei vor der Tür“

Er wachte am umstrittensten Haus Berlins, ertrug Pöbeleien und Flaschenwürfe: Ein Polizeibeamter über friedliche und weniger friedliche Anwohner, Attacken von Autonomen und den Sinn seines Einsatzes.

Drei Tage pro Woche, zehn Stunden am Tag stand er vor dem umstrittensten Haus der Stadt – bis sich am Donnerstag die Polizei nach dem Gerichtsurteil zugunsten des Hausprojekts Rigaer Straße 94 zurückzog. Im Interview, das vor dem Abzug der Polizei geführt wurde, schildert ein Beamter einer Berliner Einsatzhundertschaft seine Erlebnisse. Das Mitglied der Gewerkschaft der Polizei möchte anonym bleiben.

Sie waren seit zwei Wochen an der Rigaer Straße im Einsatz. Wie reagierten die Bewohner auf die Polizei?
Ganz unterschiedlich. In dem Haus leben ja auch friedliche Leute. Es gibt aber auch einige, die permanent provozieren und beleidigen. Die wohnen hauptsächlich im Hinterhaus. Da fliegen auch mal ein paar Brocken Mörtel, wenn man vorbeigeht.

Und was passierte auf der Straße?
Tagsüber, wenn es hell ist, wird hauptsächlich gepöbelt. Abends gibt es dann ja immer Aktionen wie das 21-Uhr-Topfschlagen. Da fliegen auch Flaschen. Das muss nicht von den Bewohnern des Hauses kommen, das sind meistens Unterstützer. Nach einer halben Stunde ist dann meist wieder Ruhe.

Und die anderen Menschen im Kiez?
Wenn man um den Block geht, kommt man auch mit anderen Anwohnern ins Gespräch. Die machen sich Sorgen: um ihre Kinder, um ihre Autos. Manche waren sehr dankbar, dass wir da sind. Aber natürlich kann ich verstehen, dass niemand gern ständig Polizei vor der Tür hat.

Ein Spätkauf wollte keine Polizisten als Kunden ...
Wir haben uns bei Einsätzen in der Rigaer Straße eigentlich immer in dem Laden verpflegt. Dass der Besitzer die Polizei ausgeschlossen hat, ist meiner Meinung nach nicht auf seinen Mist gewachsen. Ich vermute, dass er unter Druck gesetzt wurde.

Die Anwohner kritisierten die Informationspolitik von Senat und Polizei, selbst die Beamten vor Ort wüssten nicht Bescheid. Wie sehen Sie das?
Was für den Einsatz nötig ist, erfahre ich schon. Was die Anwohner angeht: Der Abschnitt 51 hat den ganzen Tag einen Kontaktbeamten vor Ort. Außerdem soll es ja jetzt die Hotline geben. Wer sich informieren will, kann das also tun.

Am Wochenende gab es schwere Krawalle, mehr als 100 Beamte wurden verletzt. Waren Sie dabei?
Ich hatte Glück, bin vorher aus dem Dienst gegangen. Meine Kollegen erzählten, dass die Gewalt sehr heftig war: Zehn von zehn Punkten auf der Gewaltskala. Da sollen Polizisten mit brennbarer Flüssigkeit begossen und mit Pyrotechnik beschossen worden sein. Von den Dächern wurden Steine auf die Kollegen geworfen.

Linke werfen der Polizei häufig vor, unverhältnismäßig viel Gewalt einzusetzen.
Wir unterscheiden schon zwischen friedfertigen und gewalttätigen Aktivisten. Was Letztere angeht: Was die machen, grenzt an Terror. Von diesen Straftaten müssen wir uns als Gesellschaft distanzieren. Das fehlt mir bei vielen Politikern. Gegen Linksextremisten muss man genauso konsequent vorgehen wie gegen Rechtsextremisten.

Wo sehen Sie da die Unterschiede?
Linke werfen der Polizei oft vor, sie würde die Rechten schützen. Das Gegenteil ist der Fall. Gucken Sie sich an, mit welchen Auflagen linke und rechte Demonstrationen belegt werden! Gucken Sie sich an, wann eine rechtsextreme Demo abgebrochen wird und wann eine linksextreme! Wenn die Demo am Wochenende von Rechtsextremen gekommen wäre, dann wäre sie gar nicht erst losgelaufen.

Die Teilräumung der Kadterschmiede war offenbar nicht rechtmäßig. Ihr Einsatz war umsonst.
Ich möchte das nicht einschätzen, weil ich es auch einfach nicht kann. Innensenator und Polizeipräsident sollten sich fundiert zu den Vorwürfen äußern und die getroffenen Entscheidungen klarstellen. Ich möchte auch nicht darüber debattieren, ob unser Einsatz umsonst war oder ob die Lage erst durch ihn eskaliert ist. Angriffe auf uns und brennende Autos gab es auch vorher schon.

Wie kann die verfahrene Situation in der Rigaer Straße aufgelöst werden?
Die Frage ist, wer dort mit wem reden muss. Aus meiner Sicht fällt das nicht in unseren Bereich. Unser Standpunkt ist klar: Wir sind da, um im Rahmen der Demokratie für Sicherheit zu sorgen. Fliegende Flaschen, Steine und Pyrotechnik auf Beamte dürfen wir als demokratischer Staat nicht akzeptieren. Anwohner und Politiker sollten sich zusammensetzen und darüber sprechen, wie man Straftaten, die aus dem nahen Umfeld dieses Hauses kommen, verhindern kann.

Weitere Artikel zum Konflikt um die Rigaer Straße finden Sie auf unserer Schwerpunktseite.

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