zum Hauptinhalt
"Farbe reicht nicht", klagen Fahrradaktivisten. Denn Autos stellen sich überall auf die Radspuren.

© Jörn Hasselmann

Verkehrspolitik in Berlin: "Noch kein Kilometer Radweg gebaut“

Fahrradaktivisten vermissen Fortschritte in der Verkehrspolitik. Jeder kleinste Fortschritt wird gefeiert - wie jetzt an der Blücherstraße.

„Es weht ein neuer Wind“, hatte der grüne Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar im März den Berliner Radfahrern versprochen. Verkehrssenatorin Regine Günther hatte gerade 20 Millionen Euro locker gemacht für 90 Projekte. Passiert ist in der Wahrnehmung von Radfahrern jedoch kaum etwas. Vor zwei Wochen twitterte Denis Petri, Aktivist beim Volksentscheid Fahrrad, frustriert: „Noch kein Kilometer Radweg gebaut“.

Tatsächlich sind in dem März-Paket überwiegend Flickereien oder Ministücke verpackt. Beispiel Oderstraße in Neukölln: Ein durch 15 Zentimeter hohe Wurzelaufbrüche lebensgefährlicher Pflasterradweg wurde an den schlimmsten Stellen repariert. Unübersichtlich und eng bleibt der Zweirichtungsweg, der als Hauptzubringer zum Tempelhofer Flughafen stark frequentiert wird. In Schulnoten: Statt einer „6“ verdient die Oderstraße jetzt maximal eine 4 minus. Ein deutlicher Sprung nach vorne – die Asphaltierung der Kopfsteinpflasterstraße soll noch drei Jahre auf sich warten lassen – finanziert und geplant vom Bezirk, nicht der grünen Senatorin.

Schutzstreifen werden kritisiert - weil sie ständig zugeparkt sind

Derweil werden kleinste Verbesserungen gefeiert. In Kreuzberg eröffnete der grüne Baustadtrat Florian Schmidt den „radfreundlichen Umbau“ der Kreuzung Blücher- und Zossener Straße – hier gab es Farbe auf der Straße und 100 Meter neuen Asphalt.

Eine Kurve für sich. An Blücher- und Zossener Straße in Kreuzberg haben Radfahrer jetzt eine eigene Bahn.
Eine Kurve für sich. An Blücher- und Zossener Straße in Kreuzberg haben Radfahrer jetzt eine eigene Bahn.

© Jörn Hasselmann

Auch vom 20-Millionen-Euro-Programm der Verkehrssenatorin wird viel in sogenannte Schutzstreifen gesteckt – weiße Markierungen auf der Fahrbahn. Seit Jahren kritisieren nicht nur Fahrradexperten, dass diese nutzlos sind, weil sie ständig zugeparkt sind. Aus Sicht von Aktivisten fehlt in Berlin weiter eine koordinierende Stelle, die Überblick über die von Bezirken oder Senat geplanten Projekte hat. Der frühere Fahrradbeauftrage des Senats, Benno Koch, schimpfte neulich über den neuen Radweg an der Pappelallee in Prenzlauer Berg: viel zu schmal, an Haltestellen besteht Gefahr für Fußgänger, kurzum: „Neubau-Pest“. 

Am Freitagabend verabschiedete die Initiative, die den Rad-Entscheid angestoßen hatte, ihren Gründer Heinrich Strößenreuther. Anschließend forderten 3500 Radler bei der „Critical Mass“ – seit 20 Jahren eine unangemeldete Demo einmal pro Monat – mehr Recht und Platz auf der Straße.

Zur Startseite