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Das Logo der Investitionsbank Berlin (IBB).

© Britta Pedersen/dpa

Update Exklusiv

Untreue-Verdacht bei Vergabe von Corona-Geldern: Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen IBB-Vorstände

Wegen Untreue und Beihilfe zur Untreue wird gegen IBB-Vorstände und Mitarbeiter ermittelt. Das Landeskriminalamt hatte vor laxen Kontrollen bei Corona-Hilfen gewarnt.

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen fünf Vorstände und Mitarbeiter der Berliner Förderbank IBB wegen des Verdachts der Untreue und Beihilfe zur Untreue bei der Vergabe von Corona-Hilfsgeldern. Entsprechende Informationen des Tagesspiegel bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage.

Konkret richtet sich der Verdacht der Untreue gegen vier Vorstände, gegen einen weiteren verantwortlichen Mitarbeiter richtet sich der Verdacht der Beihilfe zur Untreue.

Das Verfahren hat politische Sprengkraft, weil der rot-rot-grüne Senat die Hürden für die Vergabe der Fördermittel aus Steuergeld niedrig halten wollte. Politisch verantwortlich ist Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), in deren Zuständigkeit die IBB fällt. Pop ist in ihrer Funktion als Wirtschaftssenatorin Vorsitzendes des Verwaltungsrats, ebenfalls im Verwaltungsrat sitzt Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).

Die IBB teilte auf Tagesspiegel-Anfrage mit, dass die IBB seit Freitagnachmittag davon Kenntnis habe, dass die Berliner Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfen ein Ermittlungsverfahren gegen die IBB Vorstände, Generalbevollmächtigten und die Leitung Compliance eingeleitet habe.

Die IBB verteidigt sich und betont Gelassenheit

„Der genaue Ansatz der Ermittlungen ist uns bisher nicht bekannt. Wir haben bereits in der Vergangenheit gut mit Staatsanwaltschaft und LKA zusammengearbeitet und werden dies weiterhin tun, um dazu beizutragen, den Sachverhalt zügig aufzuklären“, heißt es außerdem in dem IBB-Statement.

Und weiter: „Die IBB habe in enger Abstimmung mit dem Senat die Corona-Soforthilfe-Programme aufgesetzt und bearbeitet – unter Beachtung der Vorgaben von Bund und Land Berlin.“

Laut Staatsanwaltschaft habe sich aus den bislang 2200 Ermittlungsverfahren gegen Empfänger der Corona-Hilfen die Erkenntnis ergeben, dass bei der IBB keine ausreichenden Kontrollmechanismen aufgebaut worden seien.

Berlin hatte im April für die besonders schnelle und unbürokratische Auszahlung der Sofortzuschüsse viel Lob eingefahren. Die Prüfung, ob ein Antrag berechtigt war, erfolgte dabei IT-basiert. Nur Stichproben wurden von Beamten kontrolliert.

LKA wies darauf hin, dass die IBB Antragssteller nicht ausreichend durchleuchtete

Selbst das Landeskriminalamt (LKA) hatte vor den laxen Kontrollen gewarnt. Aufgrund des politischen Willens habe es anfangs keine großartigen Prüfungen gegeben, hieß es. Das habe Betrügern genügend Tatgelegenheiten verschafft.

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Bereits Anfang April hatte das LKA darauf hingewiesen, dass die Investitionsbank die Antragssteller nicht ausreichend durchleuchte. „Um den eintretenden Betrugsschaden zu minimieren, bitte ich um Prüfung, ob nicht zumindest einfache Prüfmaßnahmen eingeführt werden können, um missbräuchliche Antragsstellungen zu erkennen", hatte der Chefermittler für Wirtschaftskriminalität beim LKA in einem internen Schreiben erklärt.

Erst nach den Warnungen wurde ein Prüfmechanismus eingeführt

Einige Tage danach ging vom LKA ein Schreiben an alle Kundenfilialen der Banken in Berlin. Wegen „fehlender Prüfungen“ lade das Antragsverfahren „zu betrügerischen Antragsstellungen“ geradezu ein. Erst nach den Warnungen hatte die IBB einen Prüfmechanismus anhand von Steuernummern eingeführt.

Gerade anfangs hatten die Mitarbeiter der IBB bei den Corona-Soforthilfen lediglich auf die Bankverbindungen geschaut und ob Konto und Kontoinhaber deckungsgleich sind. Erst später wurden auch die Steuernummern der Antragssteller erfasst. Die Landesbank hatte auf dieses digitale Verfahren gesetzt, Prüfungen sollten bewusst erst nachgelagert erfolgen.

ILB in Brandenburg verließ sich nicht auf digitale Prüfung – Sachbearbeiter legten Sonderschichten ein

Bereits im Juni hatte IBB-Vorstandschef Jürgen Allerkamp erklärt, die Förderbank habe angesichts der bestehenden Zahl an Mitarbeitern nicht anders handeln können. Die Bank habe nur ein digitalisiertes Verfahren nutzen können mit technischen Kontrollmechanismen, Einzelfallprüfungen und späteren Nachkontrollen, hatte Allenkamp dem RBB gesagt.

In anderen Bundesländern wurden die Corona-Hilfen zwar langsamer ausgezahlt, doch die Förderbanken haben die Anträge sorgfältiger geprüft. In Brandenburg etwa hat die ILB (Investitionsbank des Landes Brandenburg) Plausibilitätsprüfungen vorgenommen und so schneller Betrugsversuche erkannt.

So verlangte die ILB bei den Anträgen sogleich eine Ausweiskopie, andere Nachweise wie Gewerbescheine wurden verlangt. Die ILB verließ sich nicht auf die digitale Prüfung der Anträge, die Sachbearbeiter mussten stattdessen Sonderschichten einlegen.

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Auch andere Bundesländer vermelden teils vierstellige Zahlen von Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bei den Corona-Soforthilfen. Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen etwa meldete Ende Juli 3800 Verfahren von Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona. Allerdings hatte es in Nordrhein-Westfalen auch etwa doppelt so viele Antragssteller wie in Berlin gegeben.

Kollatz: „Es ist uns gelungen, ein Förderprogramm mit sehr guten Ergebnissen umzusetzen – ich würde das wieder tun“

In der Senatssitzung am Dienstag waren die Ermittlungen dem Vernehmen nach noch kein Thema. Finanzsenator Matthias Kollatz äußerte sich am Dienstag jedoch auf Nachfrage in der Senatspressekonferenz. Trotz der Ermittlungen wegen Untreue hielt er an der Einschätzung fest, dass die schnellen Corona-Soforthilfen ein Berliner Erfolgsmodell waren.

„Wir haben in kürzester Zeit eine Größenordnung rund 250.000 Anträgen bearbeitet“, sagte Kollatz in der Pressekonferenz. „Es gibt jetzt 1600 Betrugsfälle. Das ist weit unter einem Prozent.“

Kollatz betonte, das Berliner Modell der sehr schnellen Auszahlungen sei im Senat, mit dem Parlament und auch mit mit der Bundesregierung diskutiert worden. „Die beiden zuständigen Minister, Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmeier, hatten die Überschrift ausgegeben: Erst auszahlen, dann kontrollieren.“ Diese Überschrift hätte der Senat mit seinem Konzept umgesetzt.

„Bewilligungspraxis der IBB ist durch Beschlüsse gedeckt“

Hätte der Senat sich für „sehr aufwendige Verfahren“ entschieden, sagte Kollatz, hätten das viele kleine Betriebe und Selbstständige nicht überstanden. „Es ist uns gelungen, in dieser Situation ein Förderprogramm mit sehr guten Ergebnissen umzusetzen – ich würde das wieder tun.“ Den Ermittlungen wegen Untreue gegen die Vorstände der IBB sehe er „sehr gelassen“ entgegen, sagte Kollatz noch.

Auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) verteidigte das Vorgehen der IBB und des rot-rot-grünen Senats. „Bund und Länder haben in einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu Beginn der Krise das Augenmerk darauf gelegt, schnell und unbürokratisch zu helfen.“

Damit habe man allein in Berlin 360.000 Arbeitsplätze gesichert. „Die Bewilligungspraxis der IBB ist durch Beschlüsse von Senat und Abgeordnetenhaus gedeckt“, teilte Pop mit.

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Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte, „eine saubere und sicherer Identitätsprüfung der Antragsteller wie in anderen Bundesländern wäre angebracht gewesen“. Der Senat müsse alles aufklären – gerade wie Anträge und Bewilligung entwickelt wurden und was Wirtschaftssenatorin Pop davon wusste.

Inzwischen wurden laut Auskunft der IBB 18.751 Rückzahlungen in Höhe von 125,5 Mio. Euro veranlasst. Insgesamt wurden 213.462 Anträge in Höhe von 1,805 Mrd. EUR ausbezahlt - auch Kleinstbeträge.

Einmal wurde ein beantragter Betrag von einem Euro und zehn Mal fünf Euro bewilligt. Etwa 30.000 Anträge in Höhe von rund 270 Mio. EUR wurden abgelehnt, das habe einer Ablehnungsquote von knapp 15 Prozent entsprochen, teilte die IBB mit.

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