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Polizisten durchsuchten am Dienstag die Ibrahim-Al-Khalil-Moschee in Berlin-Tempelhof.

© Paul Zinken/dpa

Update

Syrien-Kämpfer in Berlin: Islamistenszene: Polizei ermittelt gegen Imam

Nach Ermittlungen in der Islamistenszene durchsuchten 400 Polizeibeamte seit dem frühen Dienstagmorgen acht Objekte in Berlin. Im Zentrum steht der Imam der Ibrahim-Al-Khalil-Moschee in Tempelhof.

Seit Dienstagfrüh 6.30 Uhr durchsuchten 400 Polizeibeamte acht Objekte in Berlin - im Zentrum stand dabei die Al Khalil Moschee in Tempelhof. Sie ist auch schon im Verfassungsschutzbericht 2014 erwähnt. Der Hauptbeschuldigte der Ermittlungen ist der Imam der Moschee, ein 51-jähriger Marokkaner. Er soll Dritte dazu angestiftet haben soll, sich in Syrien auf Seiten militant-jihadistischer Gruppen am bewaffneten Kampf gegen das Assad-Regime zu beteiligen. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um denselben Mann, der sich seit August vor Gericht wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung im Zuge eines Reinigungsrituals verantworten musste. Er wurde vor knapp zwei Wochen freigesprochen.

Durchsuchungen in sieben Wohnungen

Laut Polizeiangaben trafen die Beamten den Mann in der Moschee an. Er wurde nicht festgenommen, jedoch beschlagnahmten die Beamten Unterlagen und weiteres Beweismaterial. Weitere Durchsuchungen gab es in sieben Privatwohnungen in Tempelhof-Schöneberg, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf, wo sich Kontaktpersonen aufgehalten haben sollen.

Die Ermittlungen werden seit sechs Monaten durch die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der Vorbereitung sowie der Anstiftung zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat geführt, wie die Polizei am Morgen mitteilte. "Wenn Personen in die Kampfgebiete geschickt werden, erhalten sie dort eine terroristische Ausbildung", sagte Polizeisprecher Stefan Redlich.

Wir versuchen alles, damit solche Leute nicht ausreisen. Dort unten sind sie bei Terroristen, und ein Teil von ihnen kommt wieder zurück. Die sind ein Sicherheitsrisiko.“

19-jähriger Mazedonier im Visier

Jetzt müsste das beschlagnahmte Material erst einmal ausgewertet werden. Die Ermittlungen laufen auch gegen einen 19-jährigen Mazedonier, der im Verdacht steht, sich derzeit in Syrien am bewaffneten Kampf militant-jihadistischer Gruppen zu beteiligen. Diesen Mann soll der Imam für den Kampf in Syrien angeworben haben.

Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte zu den Durchsuchungen am Dienstag: "Die heutigen Durchsuchungen zeigen, dass die Behörden die Szene fest im Blick haben und dabei jede Spur verfolgen." Ebenso wichtig seien jedoch auch Programme, die sich um bereits radikalisierte junge Menschen kümmern. "Auch die Prävention soll mit dem kommenden Doppelhaushalt und einem ressortübergreifenden Landesprogramm deutlich gestärkt werden", sagte Henkel.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschuldigten Anschläge in Deutschland geplant haben. Es gebe auch keinen Zusammenhang mit dem Fall des Islamisten Rafik Y., der in der vergangenen Woche in Berlin erschossen worden war, nachdem er mit einem Messer auf eine Polizistin eingestochen hatte.

Kämpfer für den IS

Nach den Anschlägen in Paris zu Beginn des Jahres hatte es auch in Berlin bereits große Razzien in der Islamistenszene gegeben. Bei Durchsuchungen im Januar in Neukölln, Wedding und Gesundbrunnen gingen die Ermittlungen um eine islamistische Logistikzelle, die in einer Koranschule in Moabit Unterstützer für den Islamischen Staat in Syrien angeworben haben soll. Weitere Terrorhelfer sollen von einer Moschee in Moabit aus zum Kampfeinsatz in Syrien aufgerufen haben.

Auch im April hatte es Durchsuchungen in Kreuzberg und in Neukölln gegeben, bei denen die Beamten Medikamente und Schutzwesten in den Wohnungen und Büros mutmaßlicher Islamisten sicherstellten. Sie waren offenbar zur Unterstützung für die Terrororganisation Islamischer Staat gedacht.

Moschee liegt in heruntergekommenem Gebäude

Die Moschee liegt in einem Gewerbegebiet in Tempelhof, ein Areal von vollendeter Trostlosigkeit. Ein Autohändler hat zwei Dutzend Fahrzeuge auf einer Betonfläche stehen, das Gebäude der Moschee ist eine heruntergekommene, langgezogene ehemaligen Fabrikhalle, die aussieht, als würde sie gleich zusammenfallen. Graue, verschmutzte Backsteine, dazwischen Fenster mit verrosteten Gittern, ein Kabel hängt an der Fassade, vor der Halle liegt Bauschutt, daneben sind blaue Plastikfässer abgestellt. Die Treppe zur Moschee besteht aus breiten Metallstufen.

Auf dem ganzen Gelände und in der Moschee sind am Dienstagmorgen Männer und Frauen in schusssicheren Westen, mit ihren Sturmhauben sehen sie aus wie SEK-Leute beim Einsatz. Es sind aber lediglich normale Bereitschaftspolizisten. „Doch weil hier Ermittlungen im islamistischen Bereich laufen, sind die Beamte aus Gründen der Sicherheit maskiert“, sagt Polizeisprecher Redlich. Die Polizisten tragen Computer und Unterlagen aus dem Haus, mögliches Beweismaterial für den Tatvorwurf: Vorbereitung und Anstiftung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Auch den Iman, den 51-jährigen Marokkaner, gegen den sich die Ermittlungen in erster Linie richten, führen die Beamten aus dem Haus zu einem Polizeiauto. Allerdings werden dort nur seine Personalien überprüft. „Wir haben keinen Haftbefehl gegen ih“, sagt Redlich. Die Polizei stelle bei diesem Einsatz lediglich mögliches Beweismaterial sicher. Auch ein Dutzend andere Personen, die sich an diesem Morgen in der Moschee aufgehalten haben, werden überprüft.

Die Moschee ist schon länger im Fokus der Behörden. Bereits im Verfassungsschutzbericht 2014 ist sie als Ort benannt, in dem Salafismus gepredigt werde. Allerdings, das betont Redlich, habe die Polizei aktuell keinen Hinweis darauf, dass Gewalttaten in Berlin geplant gewesen seien. Es gehe nur um den Vorwurf,  der Iman habe versucht, Menschen für den Kampf in Syrien anzuwerben.

Terroristen sind eine Gefahr? Da widerspricht ihm Amthel Al-Nanane auch gar nicht. Der 51-Jährige mit dem pechschwarzen Kinnbart steht in der Cafeteria der Moschee, zwischen Plastiktischen, einem Flachbildschirm an der Wand und einer Verkaufsvitrine, in der Getränkedosen gestapelt sind. „Wir sind gegen solche Sachen in Syrien, wir sind gegen Gewalt“, erklärt er. Al-Anane ist Mitglied des  Verstand der Moschee und ziemlich aufgebracht. Eine Razzia? In seiner Moschee? „Wir predigen hier den ganz normalen Islam. Wir wollen kein Blut, wir predigen Freiheit.“ 2400 Mitglieder hat sein Verein, von Werbung für terroristische Gruppen in Syrien will er noch nie etwas gehört haben, jedenfalls nicht in dieser Moschee. Und zum Vorwurf gegen den Imam kann er nichts sagen, „ich habe ihn heute noch nicht gesehen“. Aber generell, sagt er, werde hier nicht Gewalt propagiert. Wer dies mache, erhielte „sofort Hausverbot“.

Sein Arm vollführt einen Halbkreis, die Finger zeigen auf die Plastiktische. Bitte, „hier haben wir doch jede Woche mit der Kriminalpolizei gesessen, die war jede Woche hier, ich habe ihr immer alles gezeigt, nichts war verborgen.“ Braucht es da eine Razzia? Mit Dutzenden Beamten? „Ich habe mich geschämt“, sagt er dann. Erst ist nicht ganz klar, weshalb er sich geschämt hat, aber dann wird er eine Minute später konkreter. „Die Polizei ist mit Schuhen über unseren Gebetsteppich gelaufen.“ Respektlos, das ist das Gefühl, das er dabei empfinde. Mit Schuhen? „Stimmt nicht“, sagt ein Polizist, der gerade aus dem Gebetsraum kommt. „Wir hatten Überzieher an.“

Der Gebetsraum für die Männer ist langgezogen und mit einem roten Teppich, durchschnitten von Streifen mit Mustern, ausgelegt. Auf der linken Seite, in Höhe der Hallenmitte, steht ebenerdig eine Kanzel, aus der sich ein Mikrofon schlängelt, das aussieht wie eine Kobra bei der Schlangenbeschwörung.

Al-Nanane schimpft zwar über die Polizei, aber zwei Beamte, die kurz nach 10 Uhr den Gebetsraum verlassen, hätte er ausnehmen müssen. Die schlüpfen in ihre Schuhe, die sie vor dem Teppich abgestellt hatten. Über den weichen Untergrund waren sie auf Socken gelaufen.

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