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Ein Polizeibeamter zeigt am nach einer Razzia in Berlin-Neukölln einen Koffer mit Reisepässen.

© dpa

Update

Razzia in Berlin-Neukölln: Bestatter verkaufte auch Pässe von deutschen Toten

Ein Bestatter soll Schleusern die Pässe Verstorbener angeboten haben. Insgesamt wurden 50 Reisepässe und Ausweise sichergestellt - aus Marokko, Ägypten, Libanon und Deutschland. Preis pro Schleusung: bis zu 5000 Euro.

Die Polizei hat bei einer stadtweiten Razzia 50 Reisepässe und Ausweise sichergestellt. Mehr als 100 Beamte durchsuchten am Donnerstagmorgen 26 Wohn- und Geschäftsräume, wie ein Bundespolizeisprecher sagte. Hauptverdächtiger sei der Besitzer eines Unternehmens für islamische Bestattungen in der in der Blaschkoallee im Neuköllner Ortsteil Britz.

Es bestehe der Verdacht der Urkundenfälschung sowie der gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusung von Ausländern, sagte der Sprecher. Die Bestatter sollen seit 2010 die Pässe Verstorbener den Schleusern angeboten haben, um Ausländern eine Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Die Menschen hätten so einen berechtigen Aufenthalt im Land vortäuschen können, sagte Bundespolizeisprecher Meik Gauer. „Die Interessierten konnten Pässe auswählen, die mit Ihren Merkmalen oder denen Verwandter die größtmögliche Übereinstimmung hatten.“ Es gebe bisher neun nachgewiesene Fälle. Dabei handele es sich vor allem um Syrer. Festnahmen gab es zunächst nicht.

„Uns ist nicht bekannt, dass es so einen Fall schon mal gab“

Laut Polizei wird in dem Verfahren der organisierten Kriminalität auch gegen eine Berliner Behördenmitarbeiterin ermittelt. Sie steht im Verdacht, eingereiste ausländische Personen im Melderegister eingetragen zu haben. Sie sei durch abgehörte Telefonate in den Fokus geraten.

Bei den Durchsuchungen wurden Dokumente und Computer beschlagnahmt; bei dem Bestatter in der Blaschkoallee in Neukölln seien Pässe „in größerem Umfang“ gefunden worden, unter anderem lagerten sie in Aktenkoffern. Deutsche Reisepässe wurden ebenso beschlagnahmt wie Dokumente aus Marokko, Ägypten und dem Libanon. Zwischen 2000 und 5000 Euro sollen pro Schleusung geflossen sein, sagte der Leiter der Ermittlungsgruppe „Schleuser“ von Berliner Polizei und Bundespolizei, Frank Worm. Wo Komplizen im Ausland sitzen, sei noch unklar

Ermittler sprechen von einer bundesweit neuen und ausgeklügelten Masche. „Uns ist nicht bekannt, dass es so einen Fall schon mal gab“, betonte Mario Wukasch von der Ermittlungsgruppe. Das Dunkelfeld werde aber deutschlandweit als weit größer eingeschätzt als die neun Fälle, von denen die Berliner Ermittler bislang sicher wissen.

Der Bestatter warb mit einem "Extra Service für Sie"

Diese Menschen sollen über Syrien, Griechenland und die Türkei in die Bundesrepublik gekommen sein - mit echten Papieren und falscher Identität. Teilweise klebte darin auch eine Aufenthaltsgenehmigung. Doch wo die Geschleusten geblieben sind und ob sie inzwischen wieder als andere Personen unterwegs sind, ist noch unklar.

Ob auf diesem Wege auch Terroristen eingeschleust worden sein könnten? Es sei bislang nichts dergleichen bekannt, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. „Alle bekannt gewordenen Personalien werden jetzt in alle Richtungen durchgeprüft.“

Der selbst aus Syrien stammende Bestatter hatte anscheinend simple Schlupflöcher entdeckt. Auf seiner Internetseite wird mit einem „Extra Service für Sie“ geworben. Dazu gehört auch die „Erledigung sämtlicher Formalitäten“. Ermittler Worm sagte, Angehörige hätten auch die Pässe ihrer Verstorbenen abgegeben - im Glauben, der Bestatter lasse bei der Meldebehörde den deutschen Pass wie vorgeschrieben entwerten oder schicke ausländische Dokumente an die zuständige Botschaft.

Muss denn niemand die Pässe irgendwo abgeben?

Doch der Bestatter sei nicht verpflichtet gewesen, die Ausländer-Pässe abzugeben, so Ermittler. Und wenn deutsche Behörden einen Reisepass mit einem Locher ungültig machten, könne dies leicht kaschiert werden. Die Angehörigen seien nicht involviert, stellte Worm klar.

„Das hat mit Bestattung nichts zu tun, das sind kriminelle Machenschaften“, hieß es beim Bundesverband Deutscher Bestatter. Die Pässe müssten den Angehörigen zurückgegeben werden. „Dafür gibt es klare Regeln.“ Zudem sei der Pass zur Abmeldung eines Toten oft gar nicht notwendig, so Sprecher Oliver Wirthmann. Dafür reiche ein Totenschein.

Eine Rentnerin, die im Hochhaus neben dem Büro des verdächtigen Bestatters wohnt, kennt den bärtigen Mann nur vom Sehen. Ins Gespräch sei man nie gekommen, sagte die 72-Jährige. Sie habe es immer komisch gefunden, dass in dem Bestattungsladen auch gefeiert worden sei. „Und unten im Keller liegen Leichen.“ (mit AFP, dpa)

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