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Zu den Szenen wie in einem Mafia-Streifen war es am Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages 2020 in der Stresemannstraße gekommen.

© Paul Zinken/dpa

Prozess in Berlin: Fast fünf Jahre Haft nach Schüssen auf Clan-Männer in Kreuzberg

13 Mal feuerte Oliviero V. auf drei Kontrahenten und verletzte sie schwer. Die Richter sahen allerdings nur in einem Fall ein versuchtes Tötungsdelikt.

Die 13 Schüsse, mit denen Oliviero V. auf einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg drei Männer aus dem Clan-Milieu verletzte, brachten ihn wegen versuchten Mordes in drei Fällen auf die Anklagebank.

Doch die Richter entschieden anders. Erst trennten sie zwei der Fälle zur gesonderten Verhandlung ab und begründeten, bei diesen sieben Schüssen könnte V. mit „entschuldigendem Notstand“ gehandelt haben, dann entschieden sie auf versuchten Totschlag bei den letzten vier Schüssen. Als er auf Abas C. schoss, sei dieser ohne Schusswaffe gewesen und weggelaufen, begründete das Landgericht am Donnerstag. Gegen V. ergingen vier Jahre und neun Monate Gefängnis.

Zu den Szenen wie in einem Mafia-Streifen war es am frühen Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertages 2020 in der Stresemannstraße gekommen. Ein Hinterhof mit einem illegalen Pokerkeller war der Tatort.

Hintergrund sollen angebliche Schulden aus einer früheren Spielrunde gewesen sein. Erst 4000 Euro, dann 10.000 Euro habe ein Bruder von Clan-Chef Arafat Abou-Chaker gefordert, sagte der 30-jährige Angeklagte. Es sei eine unberechtigte Forderung gewesen. V. berief sich auf Notwehr.

Der Mann aus dem Abou-Chaker-Clan war mit dem 41-jährige Abas C. aus einem anderen Clan und dem 39-jährigen Veysel Kilic, der im kriminellen Milieu arabischer Großfamilien als „Mann fürs Grobe“ galt, unterwegs. Intensivstraftäter Kilic ist inzwischen in die Türkei abgeschoben worden. Alle drei waren bei dem Geschehen in und vor der Spielhalle bewaffnet – der Abou-Chaker-Bruder mit Machete, Kilic mit einer Pistole, Abas C. mit Reizgas.

„Der kommt in den Kofferraum, wir nehmen ihn mit“

Der Angeklagte sei „mit bösen Absichten“ in eine Falle gelockt worden, hieß es weiter im Urteil. Erst sei er in der Spielhalle bedroht und attackiert worden. Dann verlagerte sich das Geschehen in den Innenhof – eine Schießerei vor laufenden Überwachungskameras.

„Man sieht, wie Veysel Kilic mit Pistole und Herr Abou-Chaker mit Machete aus dem Keller kommen“, erklärte das Gericht. Im Hof sei V. erneut bedroht worden.

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Der Abou-Chaker-Mann soll angekündigt haben: „Der kommt in den Kofferraum, wir nehmen ihn mit.“ Kilic soll nachgeschoben haben: „Er kriegt eine Kugel zur Strafe.“ Da habe der Angeklagte aus Angst um sein Leben seine Pistole gezogen.

Immer wieder drückte der seit Jahren in Berlin lebende Italiener ab. Auch noch, als Kilic und der Abou-Chaker-Mann bereits verletzt am Boden lagen. Abas C. stand etwas weiter weg. Er hatte laut Aussagen im Prozess mit einem Begleiter von V. gesprochen, dieser habe das Geld am nächsten Tag zahlen wollen.

Gericht geht von minderschwerem Fall des versuchten Totschlags aus

Der Angeklagte sei auf C. zugelaufen und habe „alles getan, um ihn auszuschalten“. Danach sei V. zur Tür gelaufen, um zu fliehen. Doch als er auf C. zulief, habe ihm durch diesen Mann keine Gefahr gedroht, hieß es weiter im Urteil.

C. sei zu einem Unterstand für Mülltonnen gelaufen, er sei ohne Pistole gewesen. „Weder Notwehr noch ein entschuldigender Notstand lagen vor“, erklärte das Gericht. Die Verletzungen waren gravierend.

Wegen der Vorgeschichte ging das Gericht allerdings von einem minderschweren Fall des versuchten Totschlags aus. Zudem wurde V. des Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen.

Die Staatsanwältin hatte fünfeinhalb Jahre Haft verlangt. Der Verteidiger plädierte auf einen Schuldspruch lediglich wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.

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