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Ein Bus der BVG (Symbolfoto).

© dpa

Nahverkehr in Berlin: Das Konzept der Piraten: Nie mehr Fahrscheinkontrolle!

Eine Studie der Piraten ergab: Ticketfreier Nahverkehr ist machbar. Aber er würde eine Zwangsabgabe für alle Berliner über 18 bedeuten, auch für Autofahrer und Radler.

Die Piraten haben Wort gehalten. Vor eineinhalb Jahren kündigten sie an, wissenschaftlich untersuchen zu lassen, ob Fahrausweise in Berliner Bussen und Bahnen abgeschafft werden können. Nun ist die Studie fertig. Und die Antwort lautet: Ja, es ist möglich. Einen Nulltarif soll es allerdings nicht geben. Im Parteiauftrag hat das Hamburg Institut Research (HIR) untersucht, ob und wie ein fahrscheinloser öffentlicher Personennahverkehr in Berlin realisierbar ist. „Einfach einsteigen und losfahren, ohne Tarifdschungel, ohne Fahrkartenkontrollen, in der ganzen Stadt, für alle – das ist unsere Vorstellung“, sagte Andreas Baum, verkehrspolitischer Sprecher der Piratenfraktion, bei der Vorstellung der Studie.

Funktionieren soll das so: Alle über 18 Jahre müssen zahlen, ob sie Bus und Bahn benutzen oder nicht. Also auch Autofahrer und Radler. Die Studie nennt einen monatlichen Beitrag von 50 bis 69 Euro. Billiger wird es also nicht für Kunden von BVG und S-Bahn. Derzeit kostet eine Monatskarte fürs Stadtgebiet 79,50 Euro. Beim Kauf einer Jahreskarte werden monatlich nur 62 Euro fällig.

Dafür fahren Schüler gratis, Arbeitslose, Behinderte und Flüchtlinge sollen nur 15 bis 20 Euro zahlen, so die Studie. Wie das Geld eingezogen werden soll, ist noch nicht untersucht. Rechtlich wäre diese Zwangsabgabe aus Sicht der Piraten möglich. Nahverkehr sei eine „Daseinsvorsorge“ des Staates wie die Müllabfuhr – und die muss auch jeder zahlen. Die Piraten nennen es „solidarisches Finanzierungsmodell“. So funktioniert auch das „Semesterticket“, das es an fast allen Universitäten gibt.

Dass die Kosten für den einzelnen Berliner so vage sind, liegt an der BVG, heißt es bei den Piraten. Da das Unternehmen viele Zahlen nicht veröffentliche, mussten die Hamburger Statistiker auf ungenauere Angaben aus anderer Quelle zurückgreifen. Sparen würden BVG und S-Bahn etwa 50 Millionen Euro, denn Kontrolle und Vertrieb von Fahrausweisen kosten. Zuviel Zulauf, wie Kritiker befürchten, würde das Piratenmodell dem Nahverkehr nicht bescheren, heißt es. Der Zuwachs wäre „beherrschbar“, denn mitfahren dürfe ja niemand gratis. Vorteile würde es für alle Berliner geben: Weniger Autoverkehr bedeuteten weniger Krach, Abgase und Unfälle.

Die Studie rechnet damit, dass sich die Zahl der Autofahrten verringern würde, was von Nutzen für den Radfahrer und Fußgänger wäre. Letztlich würden auch Autofahrer, die bei dem Modell ebenfalls zur Kasse gebeten werden, profitieren, es gebe ja dann weniger Staus. Erst kürzlich hatte der Staatssekretär der Verkehrsverwaltung, Christian Gaebler (SPD) angekündigt, dass Autofahrer künftig mit weniger Platz auskommen müssen, da vor allem Radfahrer mehr Platz benötigen.
Alle drei Oppositionsparteien sind für den Verzicht auf Einzelfahrausweise. Zuletzt hatte sich die Linkspartei im Mai für einen solidarisch finanzierten Nahverkehr ausgesprochen, die Grünen bereits im Dezember 2013.

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