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Justizsenator Dirk Behrendt bei seinem Besuch in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee.

© imago/Reiner Zensen

Update

Nach Entweichungen aus JVA Plötzensee: Zwei Ausbrecher vom Donnerstag haben sich gestellt

Aufklären will er, aber nicht zurücktreten: Berlins Justizsenator besucht nach den Entweichungen die JVA Plötzensee. Am Abend stellen sich zwei Ausbrecher den Behörden.

Zwei weitere Strafgefangene des Ausbruchs vom 28. Dezember haben sich am Mittwochabend an der Pforte der Justizvollzugsanstalt Plötzensee gestellt. Das teilte die Senatsverwaltung für Justiz mit. Bereits am Vortag hatte sich ein erster entflohener Strafgefangener in der JVA Plötzensee in Anwesenheit seines Anwalts gestellt. Am 28. Dezember 2017 waren vier Gefangene aus dem geschlossenen Vollzug der JVA Plötzensee ausgebrochen. Im Anschluss kam es zu weiteren Entweichungen. Insgesamt waren zeitweise neun Gefangene auf der Flucht.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat eine zu laxe Beaufsichtigung der Häftlinge bestritten. „Der Eindruck, hier könne jeder rein- und rausgehen wie er lustig ist, ist falsch“, sagte Behrendt am Mittwoch bei einem Besuch der Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Persönliche Konsequenzen lehnte er ab und kündigte stattdessen mehr Wachpersonal an. Der Berliner Vollzugsbeirat nahm den Senator gegen die Kritik der Opposition in Schutz.

Im Vordergrund stehe jetzt die Aufklärung der Vorfälle in dem betroffenen Gefängnis, sagte Behrendt. Energisch wies er darauf hin, dass fünf der neun Männer gar nicht zu Haftstrafen verurteilt worden seien, sondern wegen nicht bezahlter Geldstrafen eine Ersatzfreiheitsstrafe im offenen Vollzug antreten mussten. Jedes Jahr entwichen Dutzende aus dem Vollzug – das Gesetz sehe kaum strenge Sicherheitsmaßnahmen vor, da die Inhaftierten im Schnitt allenfalls 40 Tage absitzen müssen. Anders sei die Lage bei den vier Männern, die vergangenen Donnerstag aus der geschlossenen Haft ausgebrochen waren.

Noch in dieser Woche werde eine externe Kommission unter Leitung des Präsidenten vom Amtsgericht Tiergarten, Hans-Michael Borgas, eingesetzt, die die Ursachen der Flucht aufklären soll, kündigte der Grünen-Politiker an. Zudem beginne eine Schwachstellenanalyse durch ein Sicherheitsbüro aus Dresden noch im Januar. „Das steht jetzt im Vordergrund, alles andere bewegt mich momentan nicht zentral“, betonte Behrendt mit Blick auf Forderungen nach seinem Rücktritt.

Die CDU-Opposition hatte die neun Fluchten in fünf Tagen als „einmaligen Skandal in der Rechtsgeschichte“ gewertet. CDU-Fraktionschef Florian Graf kritisierte: „Rot-Rot-Grün feiert Tage der offenen Tür für Gefangene.“ Mit seiner „nachlässigen Politik“ werde der Senator zum „eigentlichen Ausbrecherkönig“. Auch aus den Reihen des SPD-Koalitionspartners war Kritik an Behrendt laut geworden.

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Für die Berliner Justiz sei es „kein schöner Jahresbeginn“ gewesen, gestand Behrendt ein. Die „angespannte Personalsituation“ solle sich binnen zwei Jahren verbessern. Mit der Ausbildung von 200 Justizvollzugsbeamten werde bis Ende 2019 das Stellensoll erfüllt. Behrendt machte seinen Amtsvorgänger Thomas Heilmann (CDU) für die Personalprobleme im Strafvollzug mit verantwortlich. Die über zwei Jahre ruhende Ausbildung habe „eine Lücke gerissen“.

Der Berliner Vollzugsbeirat, ein renommiertes Beratergremium, verteidigte den Senator: „Dem Justizsenator zu unterstellen, er interessiere sich nicht für den Strafvollzug, ist an schlichter Heuchelei kaum zu überbieten. Dirk Behrendt tritt nicht nur – wie es von einem guten Justizsenator zu erwarten ist – für die Rechte von Inhaftierten und so für den demokratischen Rechtsstaat ein, sondern schafft auch neue Stellen in der Justiz“, sagte Rechtsanwältin Annette Linkhorst vom Beiratsvorstand dem Tagesspiegel.

Vier von neun Flüchtigen inzwischen zurück

Von den insgesamt neun flüchtigen Gefangenen sind inzwischen vier wieder zurück. Am Mittwoch teilte der Justizsenator via Twitter mit, dass die Polizei am Mittag einen 21-Jährigen gefasst habe, der an Neujahr aus dem offenen Vollzug entwichen war. Kurz Zuvor hatte er die Rückkehr eines weiteren Gefangenen bekanntgegeben: "Der entwichene Ersatzfreiheitsstrafer aus dem offenen Vollzug vom 30.12. ist inzwischen zurück in der JVA Plötzensee". Zuvor hatte sich bereits ein dritter aus dem offenen Vollzug Entwichener gemeldet.

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Von den vier Ausbrechern hat sich bislang nur einer freiwillig gestellt, und zwar der einzige Gewalttäter in dem Quartett, der noch bis 2020 zu sitzen hat. Die anderen drei Männer saßen wegen Eigentumsdelikten in Plötzensee, sie sollten alle im Jahr 2018 regulär entlassen werden.

So viele Gefangene wie jetzt sind in den vergangenen Jahren nicht aus dem Gefängnis ausgebrochen. Entweichungen aus dem offenen Vollzug sind dagegen relativ häufig. (mit AFP)

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