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Viele Mieter standen vor ihrem Haus und wussten nicht, wohin sie gehen sollen.

© Anima Müller

Update

Nach Brand in Neuköllner Mietshaus: 120 Bewohner können nicht in ihre Wohnungen zurück

Wegen Einsturzgefahr hat die Polizei das Haus, in dem 120 Menschen wohnen, geräumt. Viele von ihnen sind verärgert, haben weder Wechselkleidung noch Bleibe.

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An der Jahnstraße in Neukölln hatten sich am Freitagnachmittag etwa 60 Menschen versammelt: Kinder, junge Erwachsene und Ältere. Sie wollten gern in ihre Wohnungen zurück – und durften nicht. Nach dem Brand in einer Garage des Wohnhauses mussten 120 Bewohner ihre Wohnungen verlassen und die Nacht zu Freitag im Neuköllner Estrel Hotel verbringen. Wegen Einsturzgefahr musste das Haus am Donnerstag geräumt werden. Die Evakuierung des Hauses sei ruhig und geordnet verlaufen, sagte das Bezirksamt dem Tagesspiegel.

Am Freitagnachmittag kamen einige Mieter zu ihrem Haus zurück und standen vor verschlossener Tür. Polizisten schirmten das Gebäude ab, vor dem Eingang waren Absperrgitter aufgestellt. Die Schlösser wurden ausgetauscht. „Wir stehen mit den Mietern in Kontakt und haben Ihnen heute bei der weiteren Unterbringung geholfen", so ein Bezirkssprecher am Freitag.

Vor dem Estrel Hotel hätten Vertreter des Bezirksamts ihre Handynummern aufgenommen, erzählt ein Bewohner vor dem Haus. Im Laufe des Tages sollte ihnen mitgeteilt werden, wo sie bleiben können. „Ich bleibe hier, bis wir alle eine Unterkunft haben", sagte er. Er ist verärgert. Die Familien – zum Teil mit jungen Kindern – hätten keine Wechselkleidung und keine Pullover. Alle ihre persönlichen Gegenstände seien noch in den Wohnungen. Auf absehbare Zeit seien sie obdachlos. Auch ist den Bewohnern nicht klar, warum sie noch vier Tage nach dem Brand im Haus bleiben durften, obwohl sie sich offenbar in Lebensgefahr befanden.

Die Polizei unterstützt derweil einen Postboten auf der Straße dabei, Briefe an die Bewohner zu verteilen. Ihre Namen werden aufgerufen.

Einige Mieter seien bei Freunden und Verwandten untergekommen, andere haben sich in Hotels oder Hostels einquartiert, sagte der Bezirksamtssprecher. In der überwiegenden Zahl der Fälle sollten die Kosten dafür vom Jobcenter bzw. vom Sozialamt übernommen werden. Am Nachmittag wussten viele Mieter noch nicht, wo sie übernachten sollten.

Acht Personen, ein Zimmer

Am Abend berichtete ein Mieter, dass die Bewohner in einem Hostel untergebracht worden seien. Ihm und seiner achtköpfigen Familie sei dabei nur ein Zimmer zur Verfügung gestellt worden. „Um unsere privaten Gegenstände zurück zu bekommen, müssen wir einen Antrag bei der Polizei stellen", sagte er dem Tagesspiegel.

Wie lange das Haus unbewohnbar bleibt, war am Freitag noch unklar. „In der nächsten Woche werden wir weitere Dinge wie rechtliche Fragen miteinander klären. Die Untersuchungen laufen derzeit. Wir hoffen, in der nächsten Woche mehr dazu sagen zu können", sagte das Bezirksamt. Die Polizei ging am Nachmittag davon aus, dass das Gebäude für mindestens vier Wochen unbewohnbar bleibe.

Unter den Betroffenen sind auch viele Kinder.
Unter den Betroffenen sind auch viele Kinder.

© Anima Müller

Ein Vertreter der Anwaltskanzlei Rufolf Bauer, dessen Anwälte das Restaurant im Erdgeschoss vertreten, äußerte heftige Kritik: „Es ist eine Schande, wie die rot-rot-grüne Regierung mit diesen Menschen umgeht", sagte er dem Tagesspiegel. Er wisse davon, dass Betroffene für die Kosten der Unterbringung zum Teil selbst aufkommen müssten. Seine Kanzlei böte den Betroffenen juristische Beratung an.

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Die Flammen griffen auf das Gebäude über

Wie ein Sprecher der Feuerwehr mitteilte, habe das Bezirksamt die Räumung angeordnet, nachdem ein Statiker das Gebäude auf Schäden durch das Feuer geprüft hatte. Das Haus sei derzeit einsturzgefährdet, sagte ein Sprecher der Polizei. In der Nacht zu Montag hatten in einer offenen Garage sechs Autos gebrannt, wobei die Flammen auf das Gebäude übergriffen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

Es sei nicht das erste Mal, berichteten die Bewohner. Bereits im Dezember 2019 sei im Haus Feuer gelegt worden. Sie äußerten vor allem Kritik an ihrer Hausverwaltung: Drei Monate hätten sie damals ohne Strom und Wasser gelebt und trotzdem ihre Miete gezahlt. Die Rußspuren von damals seien bis heute nicht beseitigt worden. Ein Bewohner klagt, dass seine Familie seitdem unter chronischen Lungenbeschwerden leide. Für ihre Mieter sei die Hausverwaltung kaum zu erreichen. Auch jetzt sind die Bewohner nicht zuversichtlich, bald wieder zurück zu dürfen.

Die Polizei geht bislang nicht von einem politischen Motiv aus. Ob es sich dabei um einen Serientäter handeln könnte, ist weiter unklar. In der Hauptstadt werden durch nächtliche Brände immer wieder Fahrzeuge beschädigt oder zerstört. In der Nacht zu Montag brannte in der Karl-Marx-Straße in Neukölln ein weiteres Auto, verletzt wurde dabei niemand. 

Auch am vergangenen Wochenende brannte schon ein Auto in Neukölln. In allen Fällen ermittelt das Branddezernat des Landeskriminalamtes. Von linken Aktivisten und Betroffenen wurden die Brände in Zusammenhang mit einer jahrelangen Serie rechtsextremistischer Brandanschläge gebracht.

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