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Der Schirm des Springers öffnete sich, warum er trotzdem abstürzte ist noch unklar.

© Polizei

Fallschirmsprung: "Basejumper" springt vom Waldorf Astoria und verletzt sich lebensgefährlich

Ein so genannter Basejumper ist vom Rohbau des Waldorf-Astoria-Hochhauses gesprungen. Bei dem illegalen Sprung mit Fallschirm verletzte sich der 30-Jährige lebensgefährlich.

Ein Basejumper ist am frühen Mittwochmorgen vom Rohbau des Waldorf-Astoria-Hotels am Hardenbergplatz in Charlottenburg gesprungen und hat sich dabei lebensgefährlich verletzt. Der 30-Jährige verlor beim illegalen Sprung vom Dach des 118 Meter hohen Gebäudes die Kontrolle über seinen Fallschirm, prallte gegen das gegenüberliegende „Hutmacherhaus“ und stürzte aus der Höhe der sechsten Etage ab. Dabei beschädigte er eine Telefonzelle und schlug schließlich hart auf dem Gehweg auf. Der Springer wurde am Mittwoch stundenlang operiert und schwebt weiterhin in Lebensgefahr. Basejumping ist eine Extremsportart bei der Springer, häufig illegal, mit einem Fallschirm von festen Objekten wie Hochhäusern, Windrädern oder Brücken springen. Ein gutes Duzend solcher Springer soll nachts durch Berlin ziehen. Bisher allerdings gab es keine schlimmeren Unfälle.

Das änderte sich in der Nacht zum Mittwoch. Ein 43-jähriger Wachmann, der die Baustelle des entstehenden Luxus-Hotels am Hardenbergplatz in der Nacht sichert, hörte den lauten Knall des sich öffnenden Fallschirms und fand den schwerverletzten Springer auf dem Gehweg. Neben ihm kauerte ein 32-jähriger Mann, in dem die Polizei einen Begleiter des Basejumpers vermutet, da er eine kleine Kamera am Helm des Schwerverletzten entfernt hatte. Mit dieser Kamera hatte der Springer seinen Flug aufgezeichnet. Die Polizei hat die Aufnahmen aus der Helmkamera inzwischen gesichtet. "Es ist, als wäre man dabei gewesen", sagte ein Sprecher. Auf dem Film sei deutlich zu sehen, wie der Springer auf dem Dach mehrfach Anlauf nimmt und dann um 3.35 Uhr in der Nacht in die Tiefe springt. Der gesamte Unfall sei genauestens dokumentiert.

Der Basejumper wurde in ein Krankenhaus gebracht. Nach bisherigen Erkenntnissen erlitt er eine Oberschenkelfraktur und schwere innere Verletzungen.

Die meisten Basejumps in Deutschland sind illegal

Außerdem wird gegen den Springer wegen Hausfriedensbruch ermittelt. Denn Basejumping ist in Deutschland vor allem im Innenstadtbereich normalerweise verboten. Der Deutsche Fallschirmsportverband (DFV) erteilt Genehmigungen für einzelne Veranstaltungen, dafür muss jedoch sowohl der Besitzer des Gebäudes als auch der Eigentümer der Fläche, auf der gelandet wird, zustimmen und der Springer braucht eine Haftpflichtversicherung. In Berlin sind solche genehmigten Veranstaltungen beispielsweise schon vom Fernsehturm und dem Forum Hotel auf dem Alexanderplatz durchgeführt worden, außerdem gab es Aktionen vom Fernsehturm in Stuttgart und Hochhäusern in Frankfurt am Main.

Im „Tropical Island“ in Brandenburg fand 2008 die Basejump-WM statt. Doch die Möglichkeiten für Springer sind gering. In Deutschland gibt es nur eine Handvoll Dauergenehmigungen, beispielsweise an Windrädern. In Berlin kann vom Schornstein eines stillgelegten Kraftwerks in Ludwigsfelde das gesamte Jahr gesprungen werden. Im Verein Deutscher Objektspringer (VDO) sind rund 100 Mitglieder gelistet, die legal springen. Torsten Ritter, Vorsitzender des VDO geht aber davon aus, dass noch mindestens 50 deutschlandweit hinzukommen, die illegal unterwegs sind. "Das ist schwer zu kontrollieren", sagt er. Die Mitglieder des Vereins suchen ihren Kick größtenteils in Reisen zu entlegenen Orten, an denen sie ungestört springen können, beispielsweise in den Alpen. "Wir werden aber auch als Programmpunkte bei Eröffnungen von Windparks oder Hochhäusern gebucht", sagt er.

Die Baustelle des Hochhauses Zoofenster in Berlin Charlottenburg.
Die Baustelle des Hochhauses Zoofenster in Berlin Charlottenburg.

© dapd

Vielen Basejumpern aber geht es gerade um den Kick des Illegalen, weshalb sie nachts von Dächern oder Brücken springen. „Die große Masse der Sprünge ist illegal“, sagt Helmut Bastuck, Geschäftsführer des DVF. „Von Gebäuden und Türmen in der Stadt gibt es gar keine dauerhaften Genehmigungen.“

Basejumper springen außerhalb des gesetzlich Erlaubten gern von Eisenbahn- oder Autobrücken wie zum Beispiel der Sauertalbrücke an der Grenze zu Luxemburg, der Moseltalbrücke oder der A6-Brücke an der Anschlussstelle Wiesloch-Rauenberg bei Mannheim. „Hierfür würde es niemals eine Genehmigung geben“, sagt Bastuck. Denn auch der Grundstückseigentümer, in diesem Falle das Straßenbauamt, muss zustimmen. „Die Gefährdung für den Verkehr ist viel zu groß.“ Auch weil die vorbeifahrenden Autofahrer meist von einem Selbstmörder ausgingen. "Deswegen sind Eisenbahn- und Autobrücken generell tabu." Bevor ein Gebäude für den Absprung genehmigt wird, prüft der DFV vor allem, wie stark der Wind weht und ob bei Absprung, Flug und Landung ausreichend Platz vorhanden ist. Nach Aussage von Torsten Ritter kann die Vorbereitung auf einen Sprung manchmal mehrere Tage dauern. "Wenn der Wind nicht passt, dann wartet man eben zwei, drei Tage auf den günstigen Moment", sagt er.

Bei nächtlichen Aktionen bleibt dafür keine Zeit. "Wer durch die halbe Republik gereist ist, um von irgendeiner Brücke zu springen, der verschiebt seinen Sprung nur ungern", sagt Ritter. Auch Helmut Bastuk glaubt, dass die illegalen Basejumper oft „sehr schnell, mit mangelnder Vorbereitung und ohne große Sorgfalt“ zu Werke gehen. Die schlechte Sicht in der Dunkelheit der Nacht erhöhe zudem die Risiken.

Über 150 Todesfälle in 30 Jahren

In der Szene geht man von 156 Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren aus. „Die Dunkelziffer ist aber sehr hoch“, sagt Helmut Bastuck. Schließlich wisse niemand so genau wie viele illegale Sprünge tatsächlich durchgeführt werden und wurden. In Berlin sind zumindest der Polizei keine illegalen Aktivitäten in jüngster Vergangenheit bekannt. So lange alles gut geht, bleiben die jedoch meist unentdeckt.

Mit einer Helmkamera hatte der Basejumper den Flug gefilmt. Die Polizei beschlagnahmte das Bildmaterial. Gegen den Springer wird wegen Hausfriedensbruch ermittelt.
Mit einer Helmkamera hatte der Basejumper den Flug gefilmt. Die Polizei beschlagnahmte das Bildmaterial. Gegen den Springer wird wegen Hausfriedensbruch ermittelt.

© Polizei

Warum der 30-Jährige in Berlin kurz nach dem Absprung vom Hoteldach die Kontrolle über den Flug verlor, ist bislang nicht klar. Der Wachmann sagte aus, er habe das Öffnen des Fallschirms deutlich gehört. Helmut Bastuck glaubt, dass der Abstand zum gegenüberliegenden Bürogebäude womöglich zu gering war. „Das ist die Hauptgefahr“, sagt Bastuck. „Es passiert schnell, dass der Schirm in sich verdreht ist und beim Öffnen nicht in die gewünschte Richtung fliegt.“ Dies sei sehr schwierig zu steuern. Es könne auch passieren, dass der Schirm bis zu 180 Grad verdreht sei und er Springer dann sogar gegen das Objekt, von dem er gesprungen ist, prallt.

Deswegen sieht der DFV das Basejumping, das als Ableger des Fallschirmspringens seit den 80er Jahren verstärkt durchgeführt wird, mit gemischten Gefühlen. Die meisten Springer kommen zwar vom Fallschirmspringen, es gibt jedoch auch solche, die ausschließlich von festen Objekten springen. „Uns geht es vorwiegend um den Fallschirmsport und mit dem hat Basejumping nicht viel zu tun“, sagt der Geschäftsführer.

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