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Der Angriff auf einen Neuköllner Späti war Anlass für Racheaktionen.

© privat

Update

„Es war eine rassistische Tat“: Mitglied des Remmo-Clans wegen Angriffen auf Tschetschenen verurteilt

Mit Eisenstangen, Schlagstöcken und Messern: Nach einer Attacke auf ihren Späti übten Berliner Clan-Mitglieder Rache. Einer soll dafür fast vier Jahre in Haft.

Die elektronische Fußfessel, die der Clan-Kriminelle tragen musste, überführte ihn aus Sicht der Richter: Ein 44-Jähriger aus dem deutsch-arabischen Remmo-Clan ist nach Attacken gegen Tschetschenen zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Amtsgericht Tiergarten sprach den Mann am Mittwoch der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen und des Landfriedensbruchs schuldig. Aus Vergeltung nach Auseinandersetzungen mit anderen Tschetschenen seien gezielt Personen dieser ethnischen Volksgruppe angegriffen worden. „Es ist eine rassistische Tat“, sagte der Vorsitzende Richter.

In seiner Wut sprang der Angeklagte kurz auf, setzte sich dann aber wieder und starrte an die Decke. Mit „Wissen und Wollen“ des Angeklagten sei aus einer Gruppe heraus auf die Personen eingeschlagen worden. Ob er selbst geschlagen habe, sei im Prozess allerdings nicht festgestellt worden.

Erst soll es am 7. November gegen 18.45 Uhr in Neukölln vor einem Spätkauf, der der Familie Remmo zugeordnet wird, eine Schlägerei zwischen gesondert verfolgten Tschetschenen und Familienmitgliedern des 44-Jährigen gegeben haben. Aus Rache für den Vorfall soll sich der Angeklagte mit bis zu neun weiteren Personen auf den Weg gemacht haben – bewaffnet mit Eisenstangen, Schlagstöcken und Messern.

Drei große und dunkle Fahrzeuge stoppten gegen 22 Uhr am Hanne-Sobek-Platz am S-Bahnhof Gesundbrunnen. Die Insassen hätten sich „gesammelt“ und zu einem Parkplatz begeben. Sie seien an ein Auto herangetreten, hätten laut gefragt: „Seid ihr Tschetschenen?“ Und ob sie einen Mann namens Sh. kennen würden. „Dann bekam ich einen Schlag auf den Kopf“, schilderte einer der damals verletzten Männer im Prozess. Sie seien umringt worden. „Alle haben zugeschlagen“, sagte der 24-Jährige. Ein 32-jähriger Zeuge berichtete, er habe schlichten wollen. „Ich bekam einen Schlag auf den Hinterkopf.“

Sie wollten gezielt irgendwelche Tschetschenen verletzen

Am nächsten Abend kam es gegen 17.24 Uhr erneut zu Gewalt am Gesundbrunnen-Center. Wieder sei es dem Angeklagten und mehreren Mittätern darum gegangen, gezielt irgendwelche Tschetschenen zu verletzen, waren die Richter überzeugt. Aus einer Menschenmenge von mindestens 20 Personen heraus seien unvermittelt zwei Männer angegriffen und massiv geschlagen worden.

Einer der Männer erlitt zudem eine Stichverletzung. Das Opfer musste stationär behandelt werden. Drei Tage sei der Mann in einem Krankenhaus gewesen. Opfer, die willkürlich ausgesucht wurden. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Attackierten in Beziehung zum Überfall auf den Spätkauf gestanden hätten, hieß es weiter im Urteil.

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Im Februar wurde der berüchtigte Remmo-Mann, der vielfach vorbestraft ist und insgesamt bereits mehr als 15 Jahre hinter Gittern gesessen haben soll, verhaftet. Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Ermittlungen im Zusammenhang mit groß angelegten Drogengeschäften laufen zudem gegen den Angeklagten. Vor allem eine Fußfessel führte nach den Attacken gegen Tschetschenen auf seine Spur. Das Ortungsgerät am Fußgelenk geht auf ein Verfahren wegen Drogenhandels zurück. Nachdem er 2018 eine Strafe von knapp viereinhalb Jahren verbüßt hatte, wurde er für fünf Jahre unter Führungsaufsicht gestellt. Dabei wurde ihm auch eine Fußfessel auferlegt.

Der Angeklagte, der nach seinen Angaben 1977 in Beirut geboren wurde und seit 1982 in Berlin lebt, hatte auf Freispruch gehofft. Keiner der Zeugen habe ihn als einen der mutmaßlichen Angreifer identifiziert, sagte einer der Anwälte. Wie genau eine Fußfessel ist, wie es bei der Ortung mit geografischen Abweichungen aussieht, in welchem Abstand Daten übermittelt werden – „da gibt es sehr große Lücken, die durch die Beweisaufnahme nicht geschlossen wurden“, sagte einer der Verteidiger.

Das Gericht folgte im Wesentlichen der Staatsanwältin, die von einer Vergeltungstat und Selbstjustiz ausgegangen ist. Durch die Auswertung der Daten der Fußfessel sei der Angeklagte überführt worden, sagte der Vorsitzende Richter. „Die Fußfessel wurde ihm zum Verhängnis.“ Die Daten seien mit dem Geschehen in Einklang zu bringen. Der Angeklagte sei an den beiden Taten „nicht zufällig in der Gegend unterwegs gewesen.“ Kaum war der Richter mit der Urteilsbegründung fertig, kündigte der Remmo-Mann Berufung an.

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