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Drogen: Rausch aus der Gewürztüte

Die Drogenbeauftragte ist besorgt, Mediziner schlagen Alarm, der Drogennotdienst warnt: Eine neue Modedroge kursiert in Berlin. Die Polizei ist machtlos, denn "Spice" wird bislang legal verkauft.

Die Drogenbeauftragte ist besorgt, Mediziner schlagen Alarm, der Drogennotdienst warnt vor möglichen Langzeitschäden: „Spice“ heißt die neue Modedroge, die in Berlin besonders unter Jugendlichen beliebt ist. Dabei handelt es sich offiziell bloß um eine harmlose Gewürzmischung, die laut Hersteller angenehmen Raumduft erzeugt, wenn man sie verbrennt. Das Problem: Viele Käufer streuen sich die kleinen Brösel in ihre Zigaretten und rauchen diese – die Rauschwirkung soll der von Marihuana ähneln. „Allerdings hält sie bei Spice oft deutlich länger an“, sagt Michael Frommhold vom Berliner Drogennotdienst. „Manchmal offenbar sechs bis acht Stunden lang.“ Da Spice eine Räuchermischung ist und nicht als Droge gilt, ist sie im Gegensatz zu Marihuana legal verkäuflich. In Berlin wird sie in sogenannten Headshops vertrieben – Geschäfte, die sonst Wasserpfeifen und Hanfschokolade anbieten.

Beim Berliner Drogennotdienst haben die Berichte über Spice-Missbrauch in den vergangenen Wochen zugenommen. Beratungsstellenleiter Michael Frommhold spricht von einer „schnellen Entwicklung“. Obwohl es bisher keine Studien über die Zusammensetzung von Spice gebe, sei von „psychoaktiven Substanzen“ auszugehen – und die können neben kurzfristigen Halluzinationen auch psychische Krankheiten auslösen. „Das kann von Angststörungen bis zur Schizophrenie gehen.“

Die Nachfrage ist inzwischen so gestiegen, dass die Zwischenhändler Lieferprobleme haben, bei den meisten Berliner „Headshops“ gibt es bereits Wartelisten. Ein Szenegeschäft in der Wolliner Straße in Mitte hatte erst am Freitag eine neue Lieferung „Spice“ bekommen – aber die Zahl der Vorbestellungen war so groß, dass bereits am heutigen Montag nichts mehr übrig sein wird, sagte der Verkäufer. Besonders beliebt sei die Sorte „Spice Diamond“ – hier ist die Wirkung angeblich am stärksten.

Sowohl Berlins Drogenbeauftragte Christine Köhler-Azara als auch die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing warnen dringend vor dem Rauchen der Mischung. Bätzing weist darauf hin, dass viele Minderjährige Spice rauchten, weil sie die pflanzlichen Zutaten für unbedenklich hielten. „Man darf Spice auf keinen Fall als Biodroge verharmlosen“, sagt Bätzing. Das Bundesinstitut für Risikobewertung mit Sitz in der Dahlemer Thielallee wertet gerade Erfahrungsberichte aus den Ländern aus, voraussichtlich nächste Woche will es der Bundesregierung eine Einschätzung über die Gefährlichkeit von Spice geben. Bevor diese Maßnahmen ergreifen kann, müsste aber erst klar sein, welche der beigemischten Gewürze den Rauschzustand auslösen – die laut Hersteller enthaltenen Zutaten wie Helmkraut, Meeresbohne und Indischer Lotus sind für sich genommen nicht gesundheitsschädlich. Michael Frommhold hält noch eine andere Erklärung für denkbar: „Möglich ist auch, dass die Wirkung von einer beigemischten chemischen Substanz kommt, die so minimal ist, dass der Hersteller sie gar nicht angeben muss.“

Der Betreiber eines Headshops in Prenzlauer Berg, der nicht namentlich genannt werden möchte, glaubt nicht, dass man die neue Modedroge gesetzlich verbieten kann. „Selbst wenn es die Marke Spice eines Tages nicht mehr geben sollte, kommen eben ganz schnell zwei, drei andere Produkte auf den Markt.“ In Internetforen diskutieren Jugendliche bereits, ob sie sich die Zutaten zur Not auch einzeln beschaffen könnten. Davon, dass man Spice eigentlich als Raumduft verwenden soll, ist hier keine Rede.

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