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Run, run, run. Halbmarathon bei schönstem Wetter am Sonntag in Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Halbmarathon: Sonne, Schweiß und gute Laune

Bei herrlichen 20 Grad und Sonnenschein machten sich Zehntausende am Sonntagvormittag auf die gut 21 Kilometer lange Strecke durch die Innenstadt. Läufer, Zuschauer und Helfer amüsierten sich prächtig.

Der junge Mann in Läuferkluft guckt unruhig auf sein Telefon: Die Zeit wird langsam knapp. Hat er die Zeitumstellung vergessen? Es ist fünf vor zehn Uhr am Sonntagvormittag, die U-Bahn fährt in den Bahnhof Alexanderplatz. In zehn Minuten machen sich die ersten von 31 562 Läufern auf den Weg: Als erstes starten die Profiläufer und ihre Tempomacher, danach kommen die Hobbyläufer an die Reihe. Der "Fun"-Block mit denjenigen, die weniger aus sportlichen Ehrgeiz, sondern aus Spaß an der Freude dabei sind, geht sogar erst um 10.30 Uhr auf die Piste. Also: Immer mit der Ruhe, gerannt wird heute noch genug.

Der Startbereich direkt gegenüber vom Alexa-Einkaufszentrum wimmelt vor Menschen. Sie stehen in Dreierreihen an den Absperrgittern, machen Fotos und halten selbst gemalte Schilder hoch. Popmusik dröhnt über die Straße. Die Wetterbedingungen sind hervorragend: Es ist warm - aber nicht zu warm -, die Sonne scheint, die Laune bei Läufern und Zuschauern ist bestens.

Sicherheitsmann Christopher Mees bekommt den Trubel nur am Rande mit. Er muss arbeiten, kontrolliert die Taschen der Läufer. Um drei Uhr in der Nacht ist er heute aufgestanden, seit sechs Uhr steht er auf seinem Posten. "Bisher ist alles ganz ruhig gelaufen, nur bei der Gepäckabgabe war es stellenweise stressig. Aber die Leute sind sehr freundlich und verständnisvoll." Der Startschuss fällt wie geplant um 10.05 Uhr, die Profiläufer hetzen los. Die schnellsten, Leonard Komon und Abraham Cheroben aus Kenia, werden in 59 Minuten und 14 Sekunden wieder hier sein. Komon hat im Endspurt knapp die Nase vorn. Sicherheitsmann Mees kribbelt es trotzdem nicht in den Beinen: "Ich würde nach einem Kilometer wegen Sauerstoffmangel umfallen."

Als die Jogger loslaufen, sind die Inlineskater schon fertig

Vita Feldmane-Millere steht mit ihren beiden Kindern ganz vorne, direkt am Start. Sie hofft, ihren Mann zu sehen. Der ist begeisterter Jogger - wenn ein Lauf ansteht, geht die ganze Familie auf Reisen. Im letzten Jahr waren sie in Frankfurt und Wolfsburg, dieses Jahr ist wieder Berlin an der Reihe. 2005 haben die Feldmane-Milleres auf dem Fernsehturm Hochzeit gefeiert, danach waren sie noch vier Mal zum Halbmarathon in der Stadt. "Ich liebe die Atmosphäre und das Gemeinschaftsgefühl unter den Läufern", schwärmt Feldmane-Millere, "der Lauf ist gut organisiert, und auch die Kinder haben ihren Spaß." Ihren Mann will sie nach dem Lauf an der Weltzeituhr wieder treffen. "Heute gibt es höchstens noch einen Spaziergang, aber morgen wollen wir unbedingt wieder auf den Fernsehturm", sagt Feldmane-Millere.

Während die Jogger geduldig auf ihren Einsatz warten, sich im Schritttempo zur Startlinie vorschieben und erst dann in einen leichten Trab fallen, hat Inlineskater Frank Graubner aus Pankow den Halbmarathon um 10.30 Uhr schon hinter sich. Die Skater sind eine Stunde vor den Läufern auf die Strecke gegangen, die schnellsten waren nach einer halben Stunde wieder da. Graubner hat eine knappe Stunde gebraucht und ist damit völlig zufrieden. Jetzt zischt er ein Bier - "zwar alkoholfrei, aber immerhin ein gutes Sportbier." Die Stimmung auf der Stecke sei super gewesen, sagt Graubner. "Ich bin zum dritten Mal dabei, und es war wie immer richtig cool. Vor allem die Trommelgruppen treiben einen unglaublich an", sagt Graubner.

Immer ein paar Meter vor dem "Kehrbus" bleiben

"Der Schmerz geht, der Stolz bleibt", steht auf einem Schild, dass ein Zuschauer hochhält. Ganz besonders gilt das für das Ende des Feldes. Nach knapp drei Kilometern, kurz vor dem Brandenburger Tor, sind einige mit ihrer Luft am Ende. Es ist gerade 11 Uhr, schon jetzt geht es nur noch ums Durchhalten - und darum, immer ein paar Meter vor dem "Kehrbus" zu bleiben, der im Schritttempo hinter den letzten Läufern herfährt. Er nimmt alle mit, die nicht mehr können - oder wollen. Allerletzter Läufer des Feldes ist ein beleibter Mann im rosa T-Shirt. Er schnauft hinter den anderen her, der Schweiß läuft in Strömen. Aber noch hält er durch, konzentriert sich auf jeden Schritt. "Jetzt nicht", kanzelt er die Streckenposten ab, die die langsamen Läufer mit einer Extraportion guter Laune antreiben wollen.

Sabrina und Guido Rösler aus Weißensee sind solche Streckenposten, sie stehen seit dem frühen Morgen der Ecke Unter den Linden/Schadowstraße. "Vorhin sind zwei Leute im Pulk über eine Absperrung gestürzt, da habe ich mir kurz etwas Sorgen gemacht. Aber seitdem läuft alles bestens", sagt Guido Rösler, der zum ersten Mal als ehrenamtlicher Helfer mit dabei ist. Seine Frau hat ihn überredet, mitzumachen. "Bis jetzt hat es mir sehr gut gefallen. Ich musste heute bestimmt schon fünf, sechs Mal abklatschen. Hut ab vor den Läufern!"

Einen Kilometer vor dem Ziel beginnt das große Schaulaufen

Bei Streckenkilometer 17, an der Ecke Wilhelmstraße/Leipziger Straße, werden selbst trainierte Sportler langsam müde. Die elf Trommler der "Banda-Um Samba Percussion" geben seit Stunden ihr Bestes, um die Läufer anzuspornen - und werden spielen, bis auch der letzte Läufer sie passiert hat. Bandchefin Pamela Rehfeld und ihre Truppe trommeln auch beim Karneval der Kulturen, beim Berlinmarathon, beim Frauenlauf. Rehfeld ist seit 1998 dabei, sie weiß gar nicht mehr, wie oft sie schon auf dem Halbmarathon gespielt hat. "Bei dem Superwetter kann gar nichts schief gehen", sagt Rehfeld. Aber mitlaufen - das ist nicht für Rehfeld. "Die sollen mal machen - ich mache lieber Musik."

Einen Kilometer vor dem Ziel, etwa ab der Mühlendammbrücke, beginnt das große Schaulaufen. Es ist 12.20 Uhr, das Hauptfeld kommt an. "Gleich geschafft, ihr packt das", rufen die Zuschauer. Mit dabei stehen auch die Brüder Bob und Ronald Polack aus Rotterdam. Bob, noch in Sportsachen, hat den Halbmarathon in 1:37 Stunden bewältigt, seine Bestzeit liegt bei 1:26 Stunden. "Eine gute Strecke mit tollen Zuschauern", zieht Polack Bilanz, "vor allem aber ein gutes Aufwärmprogramm für den Marathon in Rotterdam in zwei Wochen." Sein Bruder guckt ein wenig neidisch: Eigentlich wollte er heute auch mitlaufen - aber ein Beinbruch machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Auf Krücken humpelt er durch die Menschenmenge und amüsiert sich trotzdem prächtig. Dabei sein ist schließlich alles.

Markus Sagolla sieht das genauso - er ist schon zum siebten Mal mit dabei. "Wenn Du das lesen kannst, bin Ich nicht Letzter" steht auf der Rückseite seines T-Shirts. "Das Wetter ist fantastisch, die Strecke flach und schnell, die Stimmung klasse - ein super Saisonauftakt", sagt Sagolla. Mit fünf Freunden ist er aus Zürich angereist, sie haben sich einiges vorgenommen: Sonntagvormittag Halbmarathon, nachmittags eine Fahrradtour zum Mauerpark und abends noch eine Clubtour durch Friedrichshain. Keine Angst vor Muskel- oder sonstigem Kater? "Meinen Beinen geht es hervorragend", sagt Sogalla, "und unser Flieger geht erst Montagabend. Was soll da noch schief gehen?"

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